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ein verrirrter Prolog, mit Aussicht auf mehr.

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Dienstag, 18. Februar 2025

Die Zauberin; Das Glückskind: Gentilis; Kapitel 5


Von Greisen und Lords und Ladys


“Ein Glückskind?”

Kailan nickte und nahm einen Schluck Ale.

“Das waren ihre Worte. Es würde erklären, wie sie Sellen so regelmäßig ausgenommen hat.”

Dabei stieß er dem jungen Gardisten neben ihm den Ellenbogen in die Seite.

Sellen murmelte etwas und vertiefte sich wieder ins Essen.

“Hat sie je erwähnt, woher sie überhaupt kommt?”

Lord Kamm schüttelte den Kopf.

“Sie hat oft vom Meer gesprochen. Ich glaube, ihre Großmutter war Piratin. Eine freie Frau der Silbersee.”

Sellens Augen ruhten auf dem Lord und das Essen rutschte ihm von der Gabel.

Kailan lehnte sich zurück und wischte sich die Lippen ab.

“Jedenfalls wird sie mit uns in Verbindung gebracht. Wir können es uns nicht leisten, das Vertrauen des Königs zu verlieren. Wenn sie tatsächlich schuldig gesprochen wird, müsst ihr euch von ihr distanzieren, Lord."

Lord Kamm warf ihm einen kurzen Blick zu, dann schweiften seine wachen Augen wieder ab und sein Blick wanderten erneut rastlos durch die Taverne, wie sie es auch zuvor getan hatten.

“Ich fürchte, dafür ist es bereits zu spät.” Er schenkte sich Ale nach, dann fuhr er fort. “Sellen, ihr kennt die Kleine am besten, wenn sie Probleme macht, will ich das ihr sie überzeugt uns da raus zu halten.”

Sellen legte die Gabel weg. 

“Ich glaube kaum, dass sie uns Probleme machen will, sie ist unschuldig. Wir sollten zu ihr halten Lord.”

Kamm warf ihm einen strengen Blick zu.

“Lasst eure Gefühle für sie euch nicht täuschen. Sie ist nicht unschuldiger als der Alkohol, der Geiz ins Messer gestürzt hat. Ihr tut, was man euch sagt oder ich schicke euch zurück zu eurem Vater.”

Sellen wurde blass und nickte schnell.

“Natürlich Lord.”

Das Wirtshaus füllte sich immer noch mit den Männern des Königs und die Stimmung wurde immer ausgelassener. Die Abreise stand bevor, Sorgen wurden ertränkt und man soff sich Mut an. Ein Barde spielte auf und die Frauen aus den wenigen Freudenhäusern der Stadt verdienten sich eine goldene Nase.

Kailan beobachtete wie die Männer des Geiz an einem Tisch weiter immer wieder zu ihrem Tisch hinüber sahen und er fragte sich, was man ihnen über den Lord Kamm erzählt hatte. Gingen bereits Gerüchte, er sei mit dem Verräter im Bunde? Er wagte zu bezweifeln, dass sie öffentlich gegen den Lord vorgehen würden, aber es gab andere Wege, ihn dafür zur Rechenschaft zu ziehen, dass er Eola Zuflucht gewährt hatte.

Kailan mochte Eola, aber sie hatte den Lord von Riedhalm in eine ungünstige Position gebracht. Er hatte sich vor Lord Leutnant Fremm rechtfertigen müssen und die Abfindung, die er hatte zahlen müssen, waren so hoch, dass sie den Lord abhängig vom König und seinen Vorräten machte. Das war mit Sicherheit die Absicht dahinter gewesen, trotzdem hatte Lord Eolin nichts unternommen um sie vor der Wut der Graßlandlords zu schützen.

Während Kailan nachdachte, wurde das Geklapper von Rüstungen hinter der Tür laut und keine halbe Minute später traten vier Gardisten ein, das Wappen des Königs auf der Brust. Sie waren nicht zum Trinken hier, das erkannte Kailan sofort und er fragte sich, ob ihr Auftreten etwas mit Eolas Verhaftung zu tun hatte.

Doch statt an ihren Tisch zu kommmen, sah sich der Hauptmann, der Lord Fremm direkt unterstand, im Wirtshaus um.

Er deutete auf einen Tisch in der Ecke. Daran saßen die älteren und betagten Männer und starrten missmutig in ihre Krüge.

“Ergreift sie! Alle die krumm und alt sind!”

Dann hob er die Hand und es wurde still im Wirtshaus, während seine Gardisten zum Tisch der Greise liefen und die Männer von ihren Stühlen zerrten. 

“Wir sind hier auf Befehl des Königs. Wir suchen nach einem Greis, alt und mit einem verkrüppelten Knie. Er hat einen Stock bei sich.”

Was ungefähr auf so jeden alten Mann in der Stadt zutrifft, dachte Kailan und warf seinem Lord einen kurzen Blick zu. Dieser sah mit besorgtem Blick zum Hauptmann der Gardisten hinüber. 

“Er ist gefährlich und vermutlich bewaffnet. Jeder der ihm Schutz gewährt muss mit Konsequenzen rechnen.”

Die zeternden und jammernden Greise wurden aus dem Raum geschleift, doch noch blieb der Hauptmann zurück.

“Wenn jemand etwas gesehen hat, wäre jetzt die Zeit es zu sagen.”

“Es gibt viele solcher Greise”, beschwerte sich jemand.

Der Hauptmann nickte.

“Deshalb sind wir auf eure Mithilfe angewiesen. Für jeden Hinweis zahlt der König gut, demjenigen, der ihm den Gesuchten liefert, verspricht er einen jeden Wunsch zu erfüllen. Aber es muss der richtige sein, hört ihr! Niemand will euren schwachen Großvater haben.”

Daraufhin wurde Gelächter laut und der Hauptmann nickte noch einmal. Dann verließ er hinter seinen Männern das Wirtshaus.

Kailan beugte sich vor und warf seinem Lord einen bedeutsamen Blick zu.

“Das könnte uns von Nutzen sein, Lord. Wenn wir diesen Greis finden, können wir nicht nur Eola helfen, sondern unsere Mitschuld am Tode des Lord Geiz begleichen.”

Lord Kamm nickte, beobachtete jedoch immer noch die Männer am Tisch nebenan.

"Ich fürchte allerdings, seine Männer haben eine ganz ähnliche Idee.”

Kailan folgte seinem Blick und lauschte darauf, was die Soldaten besprachen, die verschwörerisch die Köpfe zusammengesteckt hatten.

“Sie werden fordern, sie auszuliefern”, ging Sellen auf und Kailan nickte.

“Mit Sicherheit. Wir müssen diesen Greis vor ihnen finden, keine Frage. Wie lautet euer Befehl Lord?”

Kamm nickte.

“Nehmt euch drei Männer und durchsucht die Stadt, aber seid unauffällig und kommt den Gardisten des Königs nicht in die Quere.”

Kailan nickte und stand auf. Sellen wollte ihm folgen, doch Lord Kamm hielt ihn mit einer Handbewegung zurück.

“Ihr nicht Junge. Eure Aufgabe ist es, im Burghof zu kampieren, bis heraus ist, wie es um unser kleines Glückskind steht.”

“Sie ist bereits seit drei Stunden in der Feste”, protestierte Sellen. “Ich will Kailan helfen. Wir schulden es dem Mädchen.”

“Wir schulden dem Gör gar nichts, außer ein paar Gewänder”, schallt der Lord ihn und Sellen senkte beschämt den Kopf.

Kailan legte ihm eine Hand auf die Schulter und lächelte ihm zu.

“Kopf hoch, Junge. Wir holen sie schon da raus, dann könnt ihr dem Mädchen den Hof machen. Falls sie euch denn will.”

Dass er dies stark bezweifelte, behielt er lieber für sich, er wollte die Moral des Jungen nicht noch weiter schmälern. Dann verließ Kailan das Wirtshaus und machte sich auf den Weg zurück ins Lager.


~


Man hatte sie in einen Zuber gesteckt und abgeschrubbt. Eine Zofe hatte versucht, ihr Haar zu zähmen, das mittlerweile bis zu den Schultern ging. Doch sie hatte gezappelt und geflucht, als sie versucht hatte, die Knoten heraus zu kämmen und dabei das halbe Bad unter Wasser gesetzt. Dann hatte man sie in ein Kleid aus grüner Leine gesteckt, das so eng geschnürt war, dass sie darin beinahe erstickte. Als die Zofe mit ihr fertig war, hatte sie die Schnüre am Rücken heimlich wieder gelockert. Sie fragte sich, wann sie das letzte Mal ein Kleid getragen hatte. Beim Tanz auf Achtern, oder war es auf einem der Dorffeste bei Hattock gewesen? Sie wusste es nicht mehr.

Man würde sie in der Burg behalten, bis die Soldaten den Kaiser gefunden hatten. Die Zauberin hatte jedoch verlangt, dass man sie ordentlich behandelte. Wenn es nach Lord Fremm gegangen wäre, hätte sie vermutlich noch eine Nacht im Kerker verbracht.

Jetzt stand sie im Speisesaal des Königs und betrachtete das überproportionierte Familiengemälde hinter dem Stuhl am Tafelende. Der junge Lord war seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten, seine Mutter war eine blasse Schönheit mit noch blasserem Haar, das auf dem Bild beinahe weiß wirkte. Brüder hatte er keine. Die Familie von Ärenfels hatte jedoch einige Bastarde hervorgebracht, von denen sich nicht wenige als Lords der Hügelländer oder dem ferneren Graßland etabliert hatten.

Der lange Tisch war bereits gedeckt und Kerzen brannten in hohen Leuchten. Sie hatte nicht erwartet, in hoher Gesellschaft zu speisen, aber Bajka hatte darauf bestanden, ganz zum Verdruss der Frau, in dessen Obhut sie Eola gegeben hatte.

Lady Tahlwynn war eine Frau Ende dreißig, mit strengen Zügen und braunem Haar, das sie zu einer kunstvollen Frisur zusammengesteckt hatte. So kompliziert ihre Frisur auch war, ihr Gemüt kannte nur zwei Zustände, grantig und garstig. Eola war sich nicht einmal sicher, ob man diese in zwei verschiedene Gemütszustände unterteilen konnte. 

Jetzt vernahm sie Schritte jenseits der massiven Flügeltüren, die in einen langen Gang und dann zum Thronsaal führten.

Schnell eilte sie zu dem Platz am Ende der Tafel zurück, an den Lady Tahlwynn sie verwiesen hatte, dann ging die Tür auf und die hohen Herrschaften betraten den Saal. Der König war nicht unter ihnen, dafür aber eine Reihe hoher Lords und Ladys, die Eola bereits im Thronsaal auf der hohen Treppe stehen sehen hatte.

Lady Thalwynn wurde von drei Frauen begleitet, sie alle trugen kunstvolle Kleider und unterhielten sich im Flüsterton. Die Mutter des Königs ging eingehakt bei einem Lord mit einem Gewandt aus Brokat, dem Onkel des Königs. Rechts von ihm ging ein älterer Edelmann dessen feine Lippen ein Lächeln umspielte, das Eola sofort gefiel. Seinen Namen kannte sie nicht. Eola hatte sich gefragt, warum die Zauberin sie zum Essen mit den höchsten Persönlichkeiten des Königshofes geschickt hatte und war zu dem Schluss gekommen, dass Bajka sie testen wollte. Sie hatte sich vorgenommen, gut zuzuhören und alles über den Hofstaat Eolin’s zu lernen, was ihr in der kurzen Zeit möglich war. Doch als sie Lady Tahlwynn kennengelernt hatte, war ihr bereits bewusst geworden, dass es eine Menge Geduld und höfliches Nicke erfordern würde. Etwas, das ihr nun wirklich nicht lag.

Die Lords und Ladys nahmen ihre Plätze ein, wobei die wenigsten von ihnen Eola Beachtung schenkten. Nur die Mutter des Königs warf ihr einen argwöhnischen Blick zu und Musterte sie lange, dann nahm sie am Ende der Tafel Platz, direkt neben Eola und gegenüber dem Stuhl, auf dem sonst der König sitzen musste.

“Eola richtig?”, fragte sie und hielt Eola die behandschuhte Hand hin. Unschlüssig, was sie damit anfangen sollte, ergriff sie die ausgestreckten Finger und schüttelte sie leicht. Ein dünnes Lächeln umspielte die Lippen der Königin Mutter.

“Das Kleid steht euch, es betont eure Augen.”

Eola nickte.

“Ihr dürft ruhig sprechen, Mädchen. Woher kommt ihr?”

“Von hier und da, aber mein Zuhause ist die See.”

“Eine Wellenfürstin?”

Eola sagte der Begriff nichts, sie konnte nur vermuten, dass die Piratenkönige der Silbersee im Süden so genannt wurden.

“Es ist kein Tropfen adliges Blut in mir. Die freien Frauen erhalten ihre Titel im Kampf.”

“Also seid ihr eine Kriegerin, Eola von der Silbersee?”

Sie zuckte mit den Schultern.

“Nicht wirklich.”

Die Lord und Ladys hatten sich gesetzt und jetzt eilten Diener herein, die von silbernen Servierwagen begannen, Speisen aufzutischen. Es kam ihr reichlich übertrieben vor, so viel Essen konnte nicht einmal eine Horde Priester nach dem Fasten vertilgen. Schon stieg ihr der Geruch von gebratenem Fleisch und geschmortem Gemüse in die Nase und einer der Diener schenkte süßen Wein ein.

“Soll ich euch die Anwesenden vorstellen, Kind?"

Sie nickte eifrig und die Mutter des Königs lächelte erneut.

“Meinen Namen solltet ihr ja bereits gehört haben.”

“Ihr seid Ysabeth Windthor, die Mutter des Königs.”

“Die Königinmutter, aber ihr könnt mich Lady Ysabeth nennen. Der Lord rechts vom Stuhl des Königs ist mein Schwager, Lord Hagen, Markgraf von Dornquell. Links von ihm sitzt seine Lady von Dornquell, Roswyna. Durch ihn haben wir die Ländereien westlich des Fluss Dorn in dem kommenden Konflikt auf unserer Seite. Er musste jedoch Teile seiner Länder bei Ayskamm als Mitgift an ihren Vater abgeben, er ist dem Kaiser noch immer ergeben. Wir hoffen ihn jedoch durch Roswyna auf unsere Seite zu ziehen.”

“Warum erzählt ihr mir all das? Denkt der König nicht mehr, ich wäre ein Spion?”

“Oh doch, nur werdet ihr die Burg nicht allzu bald verlassen und nicht mit Atem in euren Lungen, solltet ihr tatsächlich spionieren.”

Eola zog eine leichte Grimasse, nickte jedoch.

“Verstehe. Dann fahrt gerne fort Lady Ysabeth.”

“Keine Angst, wenn ihr die Wahrheit sprecht und wir durch euch des Kaisers habhaft werden können, wird euch nichts zustoßen.”

Eola nickte.

“Warum seid ihr so nett zu mir?”

Lady Ysabeth fuhr ohne hinzusehen mit dem Finger über das Besteck neben ihrem Teller, dann antwortet sie:

“Weil ich selbst einst eine Fremde am Hof war. Mein Vater war einer der unbekannteren Lords aus dem Osten, dort wo es nur Sand und steinige Felsen gibt. Ich bin vielleicht keine freie Frau, aber die Stämme der Steppe sind wild und wir leben in keinen hohen Burgen oder Schlössern.”

Eola hörte interessiert zu und beobachtete derweil, wie der Lord links vom Stuhl des Königs, der Mann mit dem verschlagenen Lächeln, das ihr bereits aufgefallen war, sich immer mehr Essen auf den Teller häufte. Im Gegensatz zum Onkel des Königs, ein hochgewachsener Mann mit feinen Zügen, buschigen Augenbrauen und langem dunklen Haar, war diesem Lord anzusehen, dass

er gern und viel aß. Er trug ein gold-gelbes Gewand mit Stickereien und sein schütteres Haar war zur Seite gekämmt.

An den dicken Fingern trug er unzählige Ringe und seine lange Nase schnupperte genüsslich an den unzähligen Speisen.

“Ormund von Giesen”, erklärte Ysabeth, die ihren Blick wohl bemerkt hat, er ist mit der Gräfin Rothfels verwandt und hat ihre jüngere Schwester Einira geheiratet. Sie ist viel zu jung für ihn, wenn ihr mich fragt”, und sie deutete auf die Frau an seiner Seite, die ungefähr in Eolas Alter sein musste. Sie hatte goldblondes Haar und ihre Züge waren so fein, das Eola Angst hatte, sie könnten beim Lächeln zerbrechen. Aber er hat eine Mitgift geboten, die seine Großtante nicht ausschlagen konnte, auch weil sie als Gräfin über die letzten Ausläufer der Nebelklippen, kaum über ein Stückchen Land verfügt das etwas abwirft.”

“Ich dachte, Rothfels liegt am Tau, fördert man dort nicht Lehm? Und was ist mit Gestein aus den Bergen?”

Die Königinmutter hob anerkennend eine Braue.

“Schlaues Kind, aber leider hat der Kaiser das Monopol auf den Abbau jeglichen Gesteins der Nebelklippen und sein Nebel hat es der Gräfin bisher unmöglich gemacht eigene Vorkommen zu erschließen. Die Tongruben sind zwar eine gute Einnahmequelle gewesen, aber sie sind vor drei Jahren versiegt, da die Flüsse aus den Bergen einfach keinen Ton mehr aufgeschwemmt haben. Vermutlich hat auch das etwas mit den Nebeln des Kaisers zu tun. Durch Lord Ormund haben wir aber nicht nur die Gräfin von Rothfels auf unserer Seite. Giesen liegt bei den Goldhainen und der Boden ist fruchtbar wie sonst nirgends. Die Graßländer werden jährlich überflutet, was die Bewirtung der Böden beinahe unmöglich macht und die Hügelländer, nunja, dort wachsen hauptsächlich Sträucher und Dornen. Manche Gegenden sind bewirtbar, aber sie werfen nur wenig Ertrag ab.”

Eola nickte und folgte dann der Königin Mutters Beispiel, die beim Reden begonnen hatte, sich Essen aufzutun.

“Also finanziert Lord Ormund diesen Krieg?”

Lady Ysabeth nickte.

“Die Lords der Graßlande stellen uns Pferde zur Verfügung, außerdem bilden sie die besten Späher aus, wie dir sicherlich bekannt sein sollte. Die Hügelländer haben viel Wald, wir brauchen Holz für Speere und Kriegsgerät, es lässt sich auch gut Stahl schürfen, wenn man in Richtung der Gebirgsketten kommt, auch wenn vieles davon an die Hauptstadt geliefert wird.”

“Ihr wisst gut Bescheid.”

Die Königin Mutter nahm eine Gabel, kaute und nickte.

“Das muss ich auch. Seit der alte Lord, mein Ehemann- die Geister seien ihm hold- tot ist, zählt der König mehr denn je auf seine Berater. Er muss ihnen vertrauen können und wem vertraut man mehr als seiner eigenen Mutter? Außerdem können wir ja nicht alles der Zauberin überlassen. Die Lords der Graßlande vertrauen ihr nicht und die der Hügelländer sind wenigsten skeptisch Ihr gegenüber.”

“Und ihr?”, fragte Eola und sah die Königin Mutter gespannt an.

“Ich glaube, sie versteht viel vom Land und seinen Bewohnern, aber sie ist eine Fremde aus dem Norden und der hat uns Südländern nie viel Gutes gebracht. Es wird sich zeigen, ob sie ihre Versprechen halten kann.”

Die Lady Tahlwynn hatte Einira in ein Gespräch verwickelt und die Essgeräusche der Anderen erfüllten den Saal, unterbrochen vom leisen Klirren der Gedecke.

“Ist Roswyna’s Vater einer der Oligarchen des Kaisers?”, fragte Eola schließlich die Königinmutter, nachdem sie eine Weile lang schweigend gegessen hatten.

Lady Ysabeth nickte.

“Niemand mit besonders großem Einfluss, aber wir hoffen, durch ihn Einblicke in die politischen Gegebenheiten zu bekommen.”

Roswyna die ein Stuhl weiter saß schien ihre Frage gehört zu haben und warf Eola  einen einschätzenden Blick zu.

“Mein Vater ist niemand, den man unterschätzen sollte. Er ist dem Kaiser wohlgesinnt, aber seit sein Einfluss schwindet, blicken alle auf die Hügellande, auch mein Vater.”

“Wer ist euer Vater?”, fragte Eola und Roswyna zog überrascht eine Augenbrauen hinauf.

“Für eine Spionin seid ihr aber nicht gerade gut informiert.”

“Weil ich keine Spionin bin.”

“Natürlich.”

Sie lächelte kurz, dann flackerte ein gequälter Ausdruck über ihr Gesicht.

“Lamprecht Dorn, ist kein richtiger Lord”, erklärte sie dann. “Aber die wenigsten Oligarchen haben so schön klingende Titel wie hier. Der Kaiser hat den Ayskamm als Brautpreis für mich gefordert. Der Pass dort hat strategischen Wert.”

“Eine Rose, hat eben Dornen. Man muss aufpassen, dass man nicht hinein greift”, bemerkte Ysabeth lächelnd.

“Warum ist dieser Pass so wichtig?”, wollte Eola wissen.

“Nur ein kleinerer Versorgungsweg, aber dem Kaiser muss klar gewesen sein, dass es für die Sicherheit seiner nördlichen Ländereien wichtig war, ihn zu halten. Für uns ist er jedoch von höchster Bedeutung”, mischte Lord Hagen sich jetzt ein.

Er hielt sich jedoch zurück, diese Bedeutung zu erläutern. Er vertraute Eola nicht und sie akzeptierte es nickend.

“So gesehen hab meine Dornen wohl auch etwas Gutes.”

“Und eure Schönheit hat mich darüber hinweg getröstet.”

Lächelnd ergriff Roswyna die Hand ihres Mannes und zum ersten Mal an diesem Abend lächelte Lord Hagen.

Auch wenn die beiden sich kühl und distanziert gebaren, schein Roswyna glücklicher mit ihrem Eheglück als die dünne Einira, die in ihrem Stuhl gesunken da saß und zaghaft mit der Gabel in ihrem Essen stocherte, während ihr Blick sich scheu senkte, sobald Eola in ihre Richtung sah. Das Gespräch mit Lady Tahlwynn schien sehr einseitig zu sein, während ihr Gatte, der Lord Ormund sich immer noch Essen auf den Teller schaufelte.

“Die Arme kann einem nur leid tun”, bemerkte Lady Rosywyn Eola’s Blick.

“Gefangen zwischen Wollust und Gram.” 

Lord Ormund ließ sich gerade von einem der Bediensteten den dritten Becher Wein einschenken und erhob sich jetzt schwerfällig.

“Ich möchte einen Toast aussprechen, Lords und Ladys.”

Dabei zwinkerte er den Ladys und Eola zu.

“Unser verehrter König kann leider nicht anwesend sein, aber ich möchte sagen, was es mir für eine Ehre ist, hier an seinem Hof zu speisen.”

“Eine Ehre, die man euch ansieht.”, bemerkte Lord Hagen.

Ormund brach in schallendes Gelächter aus

“In der Tat, obwohl ich schon fett war, bevor ich hier ankam.” Dann hatte er sich wieder etwas beruhigt und fügte hinzu: “ Das Leben ist kurz und ich esse, trinke und rede so gerne, weil ich den Tag fürchte, an dem ich es nicht mehr kann.”

Tahlwynn warf dem Lord einen finsteren Blick zu.

“Vater und Tochter, so unterschiedlich wie Sonne und Mond”, bemerkte Ysabeth leise und Eola zog eine Augenbraue hinauf.

“Sie ist seine Tochter?”

“Er sähe es gerne, wenn sie unseren König heiratet.” Dabei warf sie Tahlwynn einen kurzen Blick zu. “Nur über meinen erkalteten Leichnam", fügte sie dann wie zu sich selbst hinzu.

“Auf unseren König und seinen bevorstehenden Siegeszug, so wie es unsere Zauberin vorhergesehen hat”, fuhr Ormund dann fort und prostete dem leeren Stuhl des Königs zu.

Und auf die gute Gesellschaft, die sich heute hier zusammengefunden hat. Ich möchte niemanden von euch missen, auch wenn ich nicht jeden von euch leiden kann. Damit seid ihr gemeint, Lord Hagen.” 

Der Lord lächelte gequält, nahm den Affront sonst aber sehr gelassen. Eola schien es zu einem Spiel zu gehören, das nur die beiden lustig fanden, oder vielleicht auch nur Lord Ormund. Dann wandte er sich an die Königinmutter.

“Ich erhebe auch mein Glaß auf euch, die ihr dem König solch eine kritische Stimme im Ohr seid. Ich fürchte allerding ich muss euch erneut fragen, wie es um die Entscheidung steht, um die ich euch gebeten habe?”

Lady Ysabeth verzog keine Sekunde lang das Gesicht, auch wenn Eola ihre Anspannung spürte.

“Solch eine Entscheidung will Weile haben. Ihr wisste doch, dass eine längere Reife, die Süße der Frucht intensiviert, die sie im Mund entfaltet.”

Lord Ormund stieß erneut ein volles Lachen aus.

“Oh, meine liebe Lady Ysabeth, ihr beschämt mich. Natürlich weiß ich das, nur reift sie zu lange, wird sie gar sauer.”

Dabei warf er einen Seitenblick auf seine Tochter, die beinahe vor Scham im Boden versinken musste.

“Vater!”, stieß sie hochrot hervor, das war allerdings auch schon alles, was sie dazu heraus brachte.

“Aber ich habe die Befürchtung, wir langweilen unseren Gast gar sehr mit unserer höfischen Polemik.” 

Und er hatte nicht ganz unrecht, Eola drehte sich etwas der Kopf von all der blumigen Sprache.

“Mich würde es ja viel mehr interessieren, etwas über sie zu erfahren. Ein Mädchen, dass den hohen Lord Geiz zu Fall gebracht hat, mit bloßem Spiel und Ale. Ich habe mich gut an der Geschichte erfreut als ich sie gehört habe”

“Vater bitte”, jammerte Tahlwynn. “Was macht sie überhaupt hier? Sollte ein Spion nicht im Kerker sitzen? Ruft Lord Fremm, er soll sie von diesem Tisch entfernen.”

Ysabeth warf Omunds Tochter einen vernichtenden Blick zu und ihr Vater legte die Hand auf die Tahlwynnys Schulter und setzte sich wieder.

“Behandelt man so ein Gast, Kind? Ich will hören, was sie zu sagen hat. Es gehen einige Gerüchte um. Stimmt es, dass ihr ein Bastardkind des Lord Kamm seid, oder dass ihr die Winde beschwören könnt wie unsere nebulöse Zauberin?”

“Ich bin so wenig eine Hexerin wie eine Spionin, was Lord Kamm angeht, er war nur so freundlich, mich in seinem Lager aufzunehmen. Wir sind nicht verwandt.”

“Mich würde mehr interessieren, was sie der Zauberin eingeflüstert hat, dass sie noch ihren Kopf behielt", fragte Lord Hagen jetzt und warf der Königinmutter einen kurzen Blick zu. Anscheinend war niemand außer sie eingeweiht was den Kaiser anging

“Eine Flüsterin, die sich einflüstern lässt, wir sollten sie beide vom Hofe jagen”, giftete Tahlwynn, doch die Lords ignorierten sie einfach. Ihre Blicke lagen jetzt auf Eola und sie rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. Sie warf Ysabeth einen fragenden Blick zu und die Königin Mutter nickte leicht.

“Ich habe ihr den Kaiser versprochen.”

Ormund brach in schallendes Gelächter aus, Lord Hagens Augen verengten sich hingegen zu Schlitzen.

“Darum geht es bei der Jagd auf diese Greise also? Hat mein Enkel jetzt endgültig den Verstand verloren?"

“Passt auf, wie ihr über euren König sprecht, Lord. Er ist kein Tor, auch wenn er noch jung ist. Wir gehen in der Tat davon aus, dass der Kaiser sich auf Ärenfels aufhält”, kam Ysabeth ihr zur Hilfe.

“Er hat seine Zauberkräfte bei Madiskat verloren, ich habe es gesehen und dann habe ich ihn erneut gesehen, hier auf der Burg.”

“Ihr glaubt das nicht etwa, Königinmutter? Das ist doch ausgemachter Unsinn”

Lady Tahlwynn gab ein verächtliches Schnauben von sich.

“Unsere verehrte Zauberin hat wohl fehlgeleitetes Mitleid mit einem wilden Hund. Er hat uns bereits gebissen. Wo ich herkomme, werden tolle Hunde mit dem Knüppel erschlagen, man holt sie sich nicht an den Tisch.

“Ich bin kein Ungeziefer!”, zischte Eola, sie würde sich das nicht länger gefallen lassen. 

“Zügelt eure Tochter”, ermahnte Lady Ysabeth und Ormund seufzte.

“Tally, bitte, mach deinem Vater keine Bauchschmerzen.”

“Die habt ihr ganz allein nur euch selbst zuzuschreiben.”

“Die Zauberin glaubt also diese verrückte Geschichte?”, fragte Lord Hagen an die Königinmutter gewandt und brachte das Gespräch somit zurück zum eigentlichen Thema.

Lady Ysabeth nickte.

“Es macht Sinn, oder nicht? Vom Tod des Kaisers hätten unsere Spitzel erfahren, aber wenn er seine Macht verlor … ”

“Sieht er nicht einmal mehr aus wie ein Kaiser, schließlich ist er mehrere hundert Jahre alt”, vollendete Lord Ormund ihren Satz. “Dann geht also der Geist eines Kaisers in diesen Mauern um, eine köstliche Geschichte, Kleine. Ihr seid wahrlich eine Spielerin, so etwas zu behaupten.”

Der fette Lord schmunzelte und Eola konnte sich einen spitzen Kommentar nicht verkneifen.

“Es ist eine wirklich gute Geschichte. Ich habe ihn nicht nur fallen sehen. Ihr habt sicher von dem Drachen gehört, der bei Madiskat gesehen wurde. Ein Leuchtfeuer rief ihn, das ich entzündet habe. Wollt ihr die Geschichte hören, Lord Ormund?”

Die Königin Mutter legte Eola einen Hand auf die Schulter und warf ihr einen strengen Blick zu.

“Das sind Dinge, die nur den König etwas angehen.”

“Ach kommt schon schöne Lady Ysabeth, was kann eine Geschichte schon stören?”, fragte Lord Ormund und verzog die Lippen zu einem Schmollmund.

Doch die Lady von Ärenfels stand auf und schob ihren Stuhl zurück.

“Ich werde mich für die Nacht zurückziehen und ich würde euch vorschlagen, es mir gleich zu tun, Lord!"

Damit gab sie den Dienern ein Zeichen, den Tisch zu räumen und die Servierwagen fuhren wieder herein. Man beräumte das Essen und auch Lord Thorwynn und seine Ehefrau zogen sich zurück. Nur Ormund schnappte sich einen der Weinkrüge und winkte einen Diener heran.

“Bringt noch zwei davon.”

Der Diener nickte und eilte davon. 

“Darf ich die Drachenflüsterin noch auf ein Spiel behalten?”, fragte er dann an seine Tochter gewandt. Tahlwynn starrte ihn ungläubig an.

“Vater! Der letzte Lord, der gegen sie gespielt hat, wurde ermordet. Ihr meint doch nicht ernsthaft, dass es eine gute Idee ist … ”

Ormund winkte jedoch ab.

“Pah! Wir alle kannten Lord Geiz. Sowie ich das sehe, ist er betrunken wie immer ins eigene Messer gefallen und ich sehe hier nirgends eins, ihr etwa?”

Böse sah seine Tochter ihn an, seufzte und stand auf.

“Ihr seid unverbesserlich Vater.”

Dann rauschte sie schnaubend aus dem Raum. Der Diener brachte zwei neue Krüge und Karten, dann teilte Lord Ormund aus.

“Ihr solltet beeten, dass euer Glück euch nicht im Stich lässt.”

“Oh, da habe ich keinen Zweifel, nicht mehr”, antwortete Eola und erwiderte sein Grinsen.


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