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ein verrirrter Prolog, mit Aussicht auf mehr.

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Donnerstag, 16. Januar 2025

Das Glückskind; Kapitel 3

Kapitel 3: Die Zitadelle der Hexenmeister 


Cealus Orvo, stand an dem großen Portal der Citre er Maitre, der letzten Bastion der Hexenmeister. Es bedeutete so viel wie “Wunder bewahren”, hatte Oine ihr erklärt. Im Buch des Ahn Leipard wurde es jedoch mit “Chaos ordnen” übersetzt.

Eine lange zulaufende Treppe führte zur Zitadelle hinauf, weiße Stufen, die im ersten Licht des Tages hell funkelten. Nicht alle Treppenstufen waren noch intakt und trotzdem erkannte man immer noch den feinen Schliff und die schönen Maserungen des Steins.

“Düster erhebt sich der Turm”, hatte sie im Buch des Ahn Leipard gelesen, doch Eola musste widersprechen. Auch die Türmchen und Zinnen des hohen Fried, leuchteten wie Silber. Es war noch früh am Morgen und nur wenige Menschen waren auf den Straßen von Madiskat unterwegs gewesen, als sie ihren Weg zur Zitadelle angetreten hatten. Jetzt hielt Oine vor dem hohen Tor ein und sah wie Eola zum Turm hinauf, der sich in den wolkenverhangenen Himmel streckte, wie eine Hand, Finger aus Marmor die nach den verblassten Sternen griffen.

“Sie ist beeindruckend, aber können wir sie auch von innen sehen?”

Der Magier überlegte kurz und nickte dann.

“Der Kaiser hat sie einst versiegeln lassen, aber ich sollte in der Lage sein, die verstaubten Runen zu umgehen. Gebt mir  einen Moment.”

Eola nickte und trat zurück.

Sie sah sich um, während Oine an das Tor trat und die Zeichen darauf analysierte.

Nebel zog hinter den Mauern auf und wieder kitzelte es in ihrem Nacken. Das Gefühl war nicht so stark wie vor wenigen Stunden im Zimmer des Magiers, aber doch war es da, als krabbelte ihr eine kleine Spinne über das Rückgrat.

“Beeilt euch lieber, irgendeine Gefahr ist auf dem Weg hierher.”

Der Magier hielt kurz inne, fuhr mit der Hand durch die Luft als wische er Staub von einer unsichtbaren Glasscheibe, dann nickte er.

“Erstaunlich, ihr habt Recht. Nicht weit von hier wird Magie gewirkt und es sind keine einfachen Kartenspielertricks”

Dann wandte er sich wieder dem Portal zu und murmelte ein paar unverständliche Worte. Die Zeichen auf dem dunklen Holz begannen zu glühen, zitterte und spuckten dann kleine rote Funken auf die Stufen. Oine verzog leicht die Stirn und bewegte die Finger in kleinen, schnellen Kreisen über die immer stärker glühenden Zeichen.

Das Kitzeln in ihrem Nacken verstärkte sich, wurde zu einem unangenehmen Kribbeln und Zwicken. Alles in ihr schrie danach wegzulaufen. Ein Instinkt, auf den sie seit Jahren hörte. Es hatte ihr einige Male das Leben gerettet. Doch jetzt war da Oine, der immer noch am Portal stand und leise fluchte, während er versuchte die Siegel zu brechen. 

“Sie haben die Zeichen erneuert, gerade Gestern. Vermutlich hat meine Magie sie gewarnt das jemand versucht hier einzudringen.”

“Sie kommen”, flüsterte Eola nur und starrte auf die Straße die vom Markt her kam. In der Fern waren Geräusche zu vernehmen, harte Absätze von Stiefeln auf Stein.

“Vielleicht sollten wir verschwinden. Eigentlich ist es mir gar nicht so wichtig in die Zitadelle zu kommen. 

Wenn ich ehrlich bin, war das eine Schnapsidee.”

Oine drehte sich kurz zu ihr um, formte mit den Händen jedoch weiterhin Zeichen über den leuchtenden Runen.

“Manchmal muss man sich der Gefahr stellen Eola. Ich vermeide gerne Kämpfe wenn es möglich ist, aber das, was ich selbst in der Zitadelle zu erledigen habe, ist wichtiger als wir beide zusammen.”

Eola knirschte mit den Zähnen. Sie sollten diesen Tor einfach zurücklassen. Ihr Glück würde sie vor dem Tod nicht bewahren, so wie es auch ihre Großmutter nicht vor dem Tod bewahrt hatte. Auch wenn Eola wirklich alles versucht hatte.

“Warum? Was ist wichtiger als unser Leben?”

Der Magier antwortet nicht, dann erstarrte Eola. Auf der Straße vor ihr lösten sich jetzt Gestalten aus dem Nebel. Soldaten in dunkel glänzender Rüstung, Reiter auf schwarzen Pferden und ihnen voran ein Mann, den sie nur aus den Geschichten kannte. Doch Eola wusste sofort, um wen es sich handelte.

Nebel umwehte die Säume seines Gewandes, eine Krone aus kaltem Stahl saß auf dem hellen Haupt. 

“Haar wie Silber, Augen wie Gold und ein Saum aus Nebel, der ihm folgt.”

Die Beschreibung des Kaisers war erstaunlich zutreffend. Aber was tat der Kaiser des Nebelreichs hier?

Natürlich könnte sie es sich denken. 

Seine Männer trugen Rüstung aus dunklem Gaßperlit, was eigenartig war, da das Metall zwar wertvoll, aber kaum stabil genug war, um einem Schwert standzuhalten. Ihre Gesichter lagen hinter Visieren aus Gittern und Stahl, ihre Schwerter klapperten im Gleichtakt der Schritte. 

“Oine? Wie lange braucht ihr noch?”

“Ich bin fast soweit, hetzt mich nicht.”

“Ja klar, kein Ding. Macht euch bloß kein Stress. Ist ja nur der verdammte Kaiser dort auf der Straße.”

Oine reagierte nicht, doch das Zittern seiner Schultern und die noch schneller werdenden Bewegungen seiner Finger verrieten Eola, dass er sie gehört hatte.

Dann knackte das Holz bedrohlich und die Runen brannten sich schwarz und rauchend hinein. Der Magier fluchte erneut, dann trat er einen Schritt zurück.

“Ich werde es mit Gewalt versuchen. Diese Runen sind komplizierter als ich erwartet habe”

“Was auch immer ihr vorhabt, ihr solltet euch damit beeilen.”

Oine hob die Hand über den Kopf, formte mit dem Fingern eine Raute.

Eola sah gebannt dabei zu wie sich helles Licht zwischen seinen Fingern sammelte. Dann warf Oine die Hände nach vorne und eine Kugel aus Licht, sirrte durch die Luft, knisternd und so hell, das Eola die Hand über die Augen legen musste. Die Kugel traf das Holz und zerschmetterte das Tor, woraufhin ein Regen aus Splittern über der Treppe niederging. Erschrocken zuckte Eola zusammen und schlug schützend die Hände über dem Kopf zusammen.

Glücklicherweise traf sie kein einziges der scharfen Holzstücke.

Ihr Glück würde sie so lange beschützen, wie es mit bloßen Zufällen dazu in der Lage war. Sie stolperte hinter Oine in die Zitadelle und sah sich zum zerstörten Portal um, sobald sie im Dunkel der Mauern stand. Vom Tor waren nur noch Fetzen übrig, die an den alten, aber noch immer geschmeidigen Angeln hin und her schwangen. 

“Wir müssen…”

Weiter kam Oine nicht, denn eine der Statuen hinter dem Portal war durch seinen Angriff ins Wanken geraten und stürzte jetzt mit lautem Getöse in den Eingang. Als der Staub sich gelegt hatte, klopfte der Magier sich diesen aus dem Kleidern und sah sie an.

“Was für ein Glück. Das sollte sie eine Zeit lang aufhalten.”

Eola schnaubte und sah sich um.

“Wie auch immer man es sieht.”

Dann schaute sie sich im Inneren der Zitadelle um. Das Mittelschiff wurde von runden Säule gehalten, die sich zu einem Dudzend Kreuzrippen fächerte und unter hohen Balustraden endeten. Diese wiederum besaßen üppig verzierte Geländer, auf denen niedrige Halbsäulen trohnten, die bis unter die gewölbte Decke führten. Die Kuppel hoch über ihren Köpfen, zeigte Bilder verschiedener Gottheiten und den Hex et Mâitre selbst, die in Kutte zu diesen beteten. Eola wusste nicht viel über den Glauben der Hexenmeister und doch erkannte sie die wenigen Götter, von denen sie gehört hatte. Was sie alle gemein hatten, waren die tierischen Merkmale, wie befellte Ohren oder mit Klauen besetzte Fänge. Andere wiederum trugen Hörner oder Gefieder, hatten buschige Schwänze oder Pfoten. Am Ende des langen Raumes stand ein altertümlicher Altar aus Bronze und weitere Bilder erstreckten sich über den Boden und die Wände dahinter. Die Seitenschiffe waren nur halb so hoch wie das Mittelschiff, jedoch nicht weniger imposant. 

Eola hatte kaum Zeit sich ehrfürchtig umzusehen, da donnerten bereits Schläge von außen gegen die provisorische Barrikade, die als riesige weiße Trümmer im Eingangsportal verstreut lagen.

“Und was jetzt? Der alte Hexenmeister wird dem Kaiser und seinen Soldaten nicht lange standhalten.”

Dabei deutete sie auf die Reste der Statue, die wohl einmal einen wichtigen Priester der Hex et Mâitre dargestellt hatte. Jetzt war sein Kopf in der Mitte gespalten und seine Beine lagen in Trümmern bis zum Altar verstreut.

Oine nickte und schien zu überlegen. Er sah sich in der Zitadelle um und bewegte stumm die Lippen. Der Boden bebte unter den Schlägen gegen den Torso der Statue und Eola wurde sichtlich nervöser.

“Es muss hier einfach einen Zugang geben”, murmelte der Magier schließlich und Eola sah ihn verständnislos an.

“Das zwölfte Heiligtum der Hexenmeister ist verschollen. Den wenigen Notizen zu Folge, die ich finden konnte, gibt es hier irgendwo einen Eingang, der vermutlich unter die Zitadelle führt.”

“Legt nahe? Das ist alles was ihr habt? Na toll. Wir sind tot!”

“Habt ein wenig Vertrauen Glückskind. In euch und den alten Oine.”

Sie atmete tief ein und aus und blickte ihm dann in die alten Augen, die ein feines Lächeln umspielte.

“Nagut. Was schlagt ihr also vor?”

“Wie wäre es, wenn ihr euer Glück einsetzt?”

Eola seuftzte.

“Wie oft muss ich euch noch erklären, so einfach ist das nicht. Falls das Heiligtum überhaupt hier ist.”

“Es gereicht euch immer zum Vorteil. Das waren eure eigenen Worte Eola. Und wir könnten einen Ausweg wie das Heiligtum gerade sehr gut gebrauchen.”

“Mein Glück sorgt nicht dafür, das plötzliche Dinge erscheinen, die vorher…”

Sie stutzte und hielt mitten im Satz inne.

Hatte der Mann mit der silbernen Mähne ihr gerade zugezwinkert?

Das Bild lag hinter dem Altar und zeigte ein Wesen mit spitzen Ohren und Fell an den Schultern, das einer Mähne glich. Langsam ging sie auf den Altar zu und betrachtete das Bildnis.

“Tabitur der Graue”, erläuterte Oine ohne das es notwendig gewesen wäre. Yareh hatte viel über den Silberfuchs erzählt nachdem Oine sich offensichtlich benannte hatte. Oder war er die Vorlage für den Gott der Hexenmeister gewesen? Wer mochte das schon sagen, bei all der Zeit, die er schon lebte.

“Euer Namensvetter…”

“Genau genommen...”

“Haben sie ihn nach euch benannt?

“Richtig.”

“Es ist kein Zufall, dass er direkt hinter dem Altar steht.”

“Nein, aber ich wollte nie, dass man mich anbetet oder sogar auf derlei seltsame Art und Weise abbildet.”

“Oh, das tut mir aber leid”, verspottete Eola ihn.

Dann trat sie mit dem Fuß auf eine Vertiefung im Stein und sah darauf hinab. Direkt unter ihr im Mosaik auf dem Boden stand ein Hexenmeister in langer Kutte und hatte die Hand erhoben. Dort wo ein feiner Lichtschein seine Finger umspielte, wie er auch zwischen Oines Händen gebrannt hatte, als er das Portal zertrümmert hatte, war die Bodenplatte locker und senkte sich leicht hinab, als Eola ihr Gewicht verlagerte. Es klickte leise, mehr geschah jedoch nicht.

“Ihr habt etwas entdeckt?” 

Eola nickte.

“Irgendein Mechanismus, aber er scheint kaputt zu sein.”

Oine trat näher und betrachtete die Steinplatte.

“Ich glaube kaum. Lasst mich mal sehen. Vielleicht…”

Damit beugte er sich hinab und begann mit leichten Bewegung der Finger zu murmeln. Eola überließ ihn seinem Handwerk und lief weiter auf den Altar zu. 

Die Bronze war angelaufen, zeigte jedoch noch einige verwaschene Bilder, die Eoa an die Geschichten ihrer Großmutter erinnerte. Dort stand von den sieben Helden der Hex et Mâiret geschrieben und eine Reihe Bilder zeigen einige ihrer Abenteuer. Eine Abbildung zog sofort ihrem Blick auf sich. Es war das Relief eines Drachen mit einer kleinen Gestalt auf dem Rücken. Sie fuhr mit dem Finger darüber und spürte, wie sich das Metall ebenfalls bewegte. Sie drückte auf die Bronze und tatsächlich versank die Abbildungen ganz leicht im Metal. Es Klickte erneut, nicht so laut wie bei der Bodenplatte, doch was auch immer sie getan hatte, schien ebenfalls einen Mechanismus auszulösen, der sich noch nicht im Ganzen offenbarte. Sie musste Lächeln. Oine hatte Recht. Ihr Glück führte sie, Zufälle zu Zufällen und vielleicht sogar zu einem positiven Ergebnis.

In der Zitadelle schien es tatsächlich etwas zu geben, das sich dem bloßen Auge entzogen. Auf ihrem Weg hinter den Altar ließ sie sich von ihrem Instinkt leiten. Sie legte die Fingerspitzen sanft gegen die Wandbilder und fuhr mit den Kuppen leicht über die staubige Oberfläche. Erst geschah gar nichts doch sie konzentrierte sich auf jede kleine Unebenheiten im Stein unter ihren Fingern. Sie war so auf das Gefühl fokussiert, dass sie die Stufe zum Altar glatt übersah. Eola stolperte und hielt sich reflexartig an der Bronze fest. Ein Teil des Metalls gab nach, klappte herunter und es klickte zum dritten Mal. Dann rumpelte es unter ihren Füßen und der Altar begann sich zu drehen. Es knirschte und knackte, der Mechanismus war genauso alt wie die Zitadelle selbst und Staub stieg in Wolken zur Decke. Doch das war es auch schon. Sie sah mit fragendem Blick zu Oine, doch dieser sah bloß lächelnd zu ihr hinüber. Er hatte es aufgegeben, die lose Bodenplatte zu untersuchen.

“Hier ist keinerlei Magie im Spiel”, erklärte er dann.

“Vermutlich hat der Kaiser das Heiligtum deshalb nie gefunden. Ein mehrteiliger Mechanismus, der aus einer Reihe scheinbar zufälliger angeordneter Schalter und Hebel besteht. Fast so, als sei er dafür gemacht worden, nur mit deiner Gabe aktivierbar zu sein. Die Hexenmeister haben keine Anleitung hinterlassen, sonst hätte ich sie bereits gefunden, oder der Kaiser.”

“Nur mit meiner Gabe? Meint ihr das ernst?”

Sie wandte sich wieder dem Silberfuchs zu, vor dem sie jetzt zum Stehen gekommen war und sah zu dem Auge hinauf, das ihr zu geblinzelt hatte.

“Vielleicht wollten sie auch einfach nicht, dass ihr Heiligtum je gefunden wird. Es würde zu dem passen, was ich über die Hex et Mâitre weiß.”

Eola sah zu dem Auge hinauf und erkannte, warum es ihr so vorgekommen war, als hätte ihr das Wandbild zu geblinzelt. Die Pupille des Tierwesen, war eigentlich ein Loch durch das ein sachten Lichtschein in die Zitadelle fiel. Sie folgte dem Strahl mit den Augen und erkannte, dass er jetzt genau auf den Altar traf, der ihn wiederum nach oben in dem Turm reflektierte.

“Da!”

Sie deutete auf die Stelle im Turm, die im Schatten verborgen lag.

“Ich glaube, wir müssen da hinauf.”

Oine trat zu ihr an den Altar und folgte ihrem ausgestreckten Finger mit dem Augen.

“Interessant… höchst interessant”, murmelte er.

“Kannst du uns da hoch bringen?”

Oine sah sie an und schüttelte den Kopf.

“Ich könnte es vermutlich, aber nicht mit euch zusammen. Es muss einen anderen Weg geben, der keine Magie benötigt. 

Das Versteck muss auch nicht-magischen Wesen zugänglich sein, sonst hätten sie es mit Magie versteckt. Nach allem, was wir gerade gesehen haben, handelt es sich hier um rein klassische Baukunst. Geniale Architektur und vermutlich eine Art praktische Illusion.”

Eola seufzte gequält.

“Langsam wird das ganze lächerlich, wie lange soll ich hier noch planlos herumlaufen? Langsam gehen mir die Ideen aus.”

Oine nickte.

“Lass mich überlegen. Du bist definitiv in der Lage deine Gabe zu steuern. Wir müssen nur herausfinden wie. Fällt dir etwas ein, auf das nur du kommen würdest? Etwas wie das mit dem Essen bestellen, das du in der Bar gemacht hat?”

Eola zuckte mit den Schultern.

“Nicht wirklich, nur dass ich Hunger habe. Wir hätten etwas frühstücken sollen, bevor wir aufgebrochen sind.”

Oine stieß ein leises Lachen aus und nickte. Dann wandte er sich dem Portal zu.

Auch Eola stutzte. Die Versuche der Soldaten ins Innere der Zitadelle zu kommen mussten erfolglos gewesen sein, denn von außen war nichts mehr zu vernehmen.

“Sie haben aufgegeben?”

Oine schüttelte den Kopf.

“Wenn du den Kaiser kennen würdest, wüsstest du, dass er nicht so schnell aufgibt. Sonst wäre er nicht bereits so lange Kaiser der Nebelreiche.”

“Das habe ich auch nicht erwartet, aber was…”

In dieser Sekunde begannen die Haare in ihrem Nacken sich aufzustellen. Das Kribbeln, ihr vom Glück ausgelöstes Warnsignal war überdeutlich. Und dann begann der Stein vor der Tür an Risse zu bilden. Oine wurde blass und schob Eola hinter sich.

“Wir haben keine Zeit mehr. Vermutlich hat mein alter Freund eingesehen, das er seine Magie bemühen muss.”

Er griff nach Eolas Hand und sah in den dunklen Turm hinauf.

“Festhalten!”

“Ihr habt gesagt, ihr könntet nicht…”

“Ja, die Umstände haben sich gerade geändert. Uns bleibt keine andere Wahl mehr.”

Oine murmelte Worte in einer fremden Sprache und bewegte die Hand in flachen Kreisen über den Boden. Dabei begann die Luft sich in zirkulierenden Wirbeln aus Staub zu bewegen.

“Schließt die Augen und versucht euch nicht zu übergeben.”

“Wa…”, weiter kam sie nicht, denn der Strudel aus Wind nahm zu und erfasste den Magier und sie. Eola begann, sich um die eigene Achse zu drehen und gleichzeitig aufzusteigen. Sie stieß einen erschreckten Schrei aus, der sofort von Galle erstickt wurde, die ihr der Kehle empor stieg. Schnell kniff sie die Augen zu und schlug die Hand vor den Mund. Eola schluckte Magensäfte, dann landete sie hart auf kaltem Stein. Bei ihrer Landung schürfte sie sich Hände und Knie auf, ihr ganzer Körper zitterte und dann übergab sie sich auf den weißen Stein.

“Tut mir leid. Es ist keine angenehme Art zu fliegen, aber alles andere hätte mich zu viel Kraft gekostet.” 

Eola zog sich am Geländer der Balustraden hoch, auf der sie gelandet waren, und wischte sich die Lippe am Ärmel sauber.

“Es geht schon.”

Dann krümmte sie sich unter einem weiteren Magenkrampf, konnte jedoch gerade so verhindern, dass sie sich erneut übergab.

Der Magier zog sie vom Geländer fort und zischte: “Runter!”

Dann explodierte die Statue vor dem Eingang der Zitadelle in völliger Stille. Erst als die Trümmer gegen Wände, Säulen und Decken krachten, donnerte es, als sei ein Blitz eingeschlagen. Die Balustraden bebte und ein Teil der Decke stürzte ein, als Trümmer zu Boden regneten.

Eola fluchte.

Der Lichtstrahl der vom Altar ausging, war blockiert und sogleich strömten Soldaten in dunklen Rüstungen in die Zitadelle. 

Und dann trat der Kaiser ein. Nebel folgte seinem Schritt und er wandte den Kopf direkt in ihre Richtung. Goldene Augen durchbohrten Eola.

“Sein Nebel blockiert Magie, das sollte auch an deinem Glück nicht unbemerkt vorbeigehen."

Eola nickte.

“Das Kribbeln ist weg.”

Und jetzt bekam sie es wirklich mit der Angst zu tun. Sie begann zu zittern und Schweiß lief ihr eiskalt den Rücken hinab.

“Ruhig Eola. Ich werde ihm geben, nach was er sucht. Aber du musst in der Zwischenzeit das Heiligtum finden.”

Sie drehte sich zu dem Magier um und starrte ihn ungläubig an.

“Wie zur Hölle soll ich das anstellen ohne mein Glück?”

Oine lächelte sanft und legte ihr die Hand auf die Schulter.

“Ich glaube an dich, Kleine. Auch ohne dein Glück. Du hast immer noch deinen Verstand und alles, was deine Großmutter dir erzählt hat. Nutze es!”

Damit richtete er sich auf und schwang sich in einer fließenden Bewegungen über das Geländer der Balustraden. Eola sah ihm nach und fragte sich wie er es anstellte so elegant zu Boden zu schweben. Doch schließlich war er immer noch Oine, der Gesandte des vergessenen Kontinents und der älteste Magier der Welt. Selbst dem Kaiser des Nebelreiches schien es nicht zu gelingen  seine Magie ganz zu binden. Und trotzdem hob Oine beschwichtigend die Arme.

“Alter Freund”, begrüßte er den Kaiser, der sich langsam zu ihm unwandte.


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