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Mittwoch, 26. Februar 2025

Die Zauberin; Das Glückskind: Gentilis; Kapitel 10


Tunnel der Toten


In tiefer Erde im Ahnenfels, tat sich ein Auge auf. Etwas regte sich, streckte die steifen, raschelnden Gleider. Es gähnte, hätte es das denn gekonnt. Ein weiteres Auge blinzelte und das dritte sah dem Greis entgegen.

“Zeit aufzuwachen”, flüsterte er. 

Uralte Glut stieg auf, Zorn, der für eine lange Zeit geschlafen hatte, doch verloschen war er nie. Und so erwachte der Schrecken erneut.



Als sie die Ausläufer des Waldes erreichten, war Kailan so blass um die Nasenspitze, dass Eola Sorgen hatte, er würde bald zusammenbrechen und nicht mehr aufstehen, doch der Krieger hielt sich wacker auf den Beinen.

Sellen entdeckte sie als erstes, er kam zwischen den Bäumen hervor gelaufen und sah Kailan besorgt an.

“Was ist passiert?"

“Wir mussten fliehen, vor den Gardisten des Königs.”

“Das ist gar nicht gut”, murmelte Taub und nahm ihr den verletzten Kailan ab.

“Was zum stinkenden Nebel macht sie hier?”, fragte Pollen und zeigte mit dem Finger auf Eola.

Sie hat die Pläne gefunden, die euren Lord vor dem Strick bewahren werden!”, fuhr Eola ihn giftig an.

“Und hat uns erst in den ganzen Schlamassel geritten.”

“Klappe Pollen”, knurrte Kailan, hustete dann und rieb sich die blutige Lippe.

“Ihr seht gar nicht gut aus Kailan. Wir müssen euch zu einem Heiler bringen.”

“Dafür ist keine Zeit Taub. wir müssen den Kaiser finden, bevor es zu spät ist.”

“In deinem Zustand finden wir höchstens den Tod.”

“Noch ein Wort Pollen und ich …”

Kailan holte keuchend Luft und Taub bugsierte ihn zu einem der Bäume, lehnte ihn vorsichtig dagegen und besah sich die verletzte Schulter. 

“Seht euch die Pläne an und findet heraus wo sich der nächstgelegene Eingang befindet, wir brechen auf, sobald ich mich etwas erholt habe.”

“Ihr solltet hier warten”, schlug Sellen vor, doch Kailan schüttelte den Kopf.

“Ich werde diesen verfluchten Kaiser persönlich aus seinem Versteck zerren und wenn es das letzte ist, was ich tue. Außerdem habt ihr ohne mich gar keine Chance.”

Die rechte Hand des Lord Kamm versuchte zu lächeln doch es kam eher einer Miene gleich, die man aufsetzte, wenn man auf eine Zitrone gebissen hatte. Mit zitternder Hand zog Kailan die Karten hervor, die Eola ihm gegeben hatte und übergab sie Taub. Der alte Krieger entzündete eine Fackel, reichte sie Pollen und bedeutete ihm, sie über seinen Kopf zu halten. Er glich kurz die Karten miteinander ab, dann deutete er auf eine Stelle am Rand von Ärenfels. 

“Hier, das ist keine dreihundert Meter von uns. Aber was machen wir, wenn der Eingang tatsächlich verschüttet ist, wie ihr es vermutet habt, Kailan?"

“Dann suchen wir einen anderen oder beräumen die Trümmer. Und wenn es die ganze Nacht lang dauert.”

“Wie ich mein Glück kenne, ist der Gang frei. Solange ihr mich dabei habt…”

“Glück! Pha, dass ich nicht lache. Ihr habt uns bisher nur Pech gebracht, Kleine."

“Ich habe die Pläne gefunden, oder nicht? Und wir werden auch den Kaiser finden, da bin ich mir sicher.”

Die Sonne war mittlerweile untergegangen und im Schein der Fackel, immer darauf bedacht, nicht zu sehr aus den Bäumen hervorzutreten, machte sich die Gruppe schließlich auf den Weg. Sellen ging voran, gefolgt von Pollen, der den verletzten Kailan stützte. Eola ging neben Taub zuletzt. Die Ausläufer des Ahnenfels reichten bis in den Eberhein und hier und da erhoben sich kahle Felsen in den dunklen Himmel. Knorrige Wurzeln rankten sich an ihnen hinauf und wirkten im Licht der Fackel wie dürre Finger, die den alten Grabhügel fest im Griff hielten. Eola fragte sich, wann man den Felsen umbenannt hatte und warum und stellte Taub ihre Frage.

“Ich weiß es nicht. Die Hügelländer bergen einige Geheimnisse, die der Zeit zum Opfer gefallen sind. Vermutlich war der Hügel früher eine Grabstätte für die Stämme, die hier gelebt haben. Vielleicht wollte man nicht, dass die Burg mit einem Ahnendenkmal in Verbindung gebracht wird, oder es geriet irgendwann in Vergessenheit. Die Eroberungsfeldzüge des Kaisers haben viel der alten Geschichte zerstört, die seine Länder einst geprägt hat.”

“Wie die Kultur der Hexenmeister?”

Taub nickte. 

“Sie waren die erste Zivilisation, die der Kaiser auslöschte, aber es folgten viele mehr.”

“Und der König wusste von alldem nichts? Das kann ich kaum glauben.”

“Wir auch nicht. Kailan vermutet, dass es einen Grund gibt, warum er die Tunnel für unpassierbar hält. Er schließt die Möglichkeit schlicht aus, das der Kaiser sich dort versteckt”

“Das klingt ja vielversprechend.”

Taub musste lächeln und fuhr sich mit der Zunge kurz über die Lippen.

“Hattet ihr nicht gesagt, euer Glück würde sich darum schon kümmern?”

“Ja, aber es ist keine Zauberei, es sorgt lediglich für unverschämte Zufälle und glückliche Fügungen.”

“Und es bringt andere um euch herum durchaus in Schwierigkeiten. Vielleicht Fluch und Segen zugleich”

Eola nickte stumm. Er hatte recht. 

“Deshalb will ich, dass Bajka mir die Zauberei beibringt, ich kann mich nicht ewig auf Zufälle und glückliche Fügung verlassen. Erst recht, wenn es anderen schadet.”

“Das ist vermutlich weise.”

Plötzlich blieb Sellen stehen und Eola folgte seinem Blick. Am Rande einer der Felsen, die im Schatten der Burg lagen, wurde der Boden ebenfalls zu zerklüftetem Stein und senkte sich ab, bis er von einem Schlund aus Dunkelheit verschluckt wurde.

“Das sieht nach unserem Eingang aus”, sagten Sellen und ging voran zu dem tiefgelegenen Höhleneingang. Wie befürchtet, war er verschüttet. Geröll und Steine, manche so groß wie Wagenräder, versperrten den Eingang.

“Und jetzt?”, fragte Sellen.

“Wir sehen zu, ob wir die Trümmer fort schaffen können”, sagte Kailan, dann wandte er sich an Taub. “Seht nach, ob es noch einen anderen Eingang gibt.”

“Es gibt noch zwei, aber die befinden sich auf der anderen Seite der Burg”, erklärte dieser. “Wir müssen uns entscheiden, Kailan. Entweder wir laufen jeden davon ab oder legen diesen hier frei.”

Kailan nickte, seine Schulter hing schlaff herab und sein Gesicht war so blass wie der Mond über ihnen, der jetzt seine Strahlen durch die Äste hinter ihnen warf. So gab es zumindest ein bisschen Licht.

“Dann ist es entschieden. Wir haben keine Zeit und wenn dieser verschüttet ist, sind es die anderen auch.”

“Wo ist euer Glück jetzt, Mädchen?”, schimpfte Pollen und Eola seufzte.

“Ich habe euch dabei, oder? Vielleicht hat mein Glück euch geschickt, um die Arbeit für mich zu tun?”

Pollen schnaubte.

“Na ganz toll. Du wirst mithelfen, Kleine.”

Dann machten Pollen und Sellen sich an die Arbeit und Eola nahm einige der kleineren Steine entgegen, die nicht zu schwer waren. Taub schichtete die Steine dann auf einen Haufen nicht weit entfernt. Kailan war zu schwach und ließ sich an einer nahen Buche hinab sinken, um zu verschnaufen. Nach einer guten Stunde Arbeit, der Mond stand inzwischen hoch über ihnen, waren sie immer noch kaum weiter gekommen. Eola war durchgeschwitzt und das Kleid behinderte sie bei der Arbeit, sodass sie irgendwann Streifen davon abriss und um ihre Hände wickelte, damit die Steine ihr die Haut nicht blutig rissen. Trotzdem würde sie morgen heftige Blasen und Schwielen haben, nicht nur an den Händen. Sellen legte eine Pause ein und Pollen fuhr ihn an, doch Kailan ging dazwischen.

“Lass ihn kurz ausruhen Pollen. Es bringt nichts, wenn wir zu erschöpft sind, um weiterzumachen oder zu kämpfen. Wer weiß was uns in den Tunneln erwartet.”

Pollen wurde blass. 

“Meint ihr die Toten? Bei allen guten Geistern Kailan, ihr erwartet doch nicht etwa…?”

“Untote? Nein, die Stämme der Hügelländer beschäftigten sich nicht mit Todesmagie. Sie waren sehr abergläubisch. Der Ritus der Totenbeschwörung war ihnen ein Sakrileg.”

"Und da seid ihr euch sicher?”

Taub nickte.

“Kailan hat recht. Sie errichteten diese Hügel, weil sie Angst davor hatten, ihre Toten könnten sich erheben. Also haben sie sie nicht nur vergraben, sondern noch Erde oben aufgeschichtet.”

“Und warum haben sie dann Tunnel gebaut, die hinein und hinaus führen?”

Taub runzelte die Stirn.

“Das ist eine gute Frage. Kailan?” 

Doch der Krieger schüttelte leicht den Kopf.

“Ich weiß es nicht. Vielleicht hat der Kaiser sie angelegt, wo er sich doch so gut in ihnen auskennt.”

“Warum sollte der Kaiser des Nebelreiches Tunnel in den Grabmälern seiner Feinde anlegen?”, fragte Sellen.

“Woher soll ich das wissen. Ihr könnt ihn ja fragen, wenn wir ihn finden.”

Pollen gesellte sich zu Taub und besah sich die Karten, die der alte Krieger studierte.

“Die Grabkammern scheinen sich direkt unter dem Thronsaal zu befinden”, teilte er mit. Eola, kannte die Karten bereits und weil sie keinen noch schlechteren Eindruck machen wollte und eh nicht kämpfen konnte, fuhr sie fort, die kleineren Steine vor der Höhle fortzuräumen. Plötzlich löste sich einer der Steine und sie sprang erschrocken zur Seite.

“Achtung!”, rief sie, Kailan sprang auf und auch Pollen und Sellen sahen zu ihr hinüber. Eola hatte sich auf einem der Erdhügel in Sicherheit gebracht, die seitlich neben dem Höhleneingang zum Felsen darüber hinauf führte. Der Stein rollte den Rest des Geröllhaufens hinunter und blieb zitternd vor Pollen liegen. Dieser runzelte die Stirn und sah zum verschütteten Eingang hin. Dann weiteten sich seine Augen und Eola folgte dem Blick.

Die Steine knirschten und zitterten, Staub rieselte an Eoal’s Füßen vorbei, dann knackte es laut, tief im Felsen und die Steine kamen in Bewegung. Eola musste grinsen. Pollen wich gefolgt von Taub und Sellen zurück und Kailan stieß eine Warnung aus. Dann kollabierte der ganze Haufen mit einem lauten Getöse. Eine Lawine aus Schutt und Geröll ergoss sich auf die zertretene Erde vor dem Eingang und als der Staub sich legte, war kurz unter der Höhlendecke ein kleiner Durchgang zu erkennen.

“Ha! Ich habs euch ja gesagt”, triumphierte Eola und sprang vom Erdhügel hinunter. Dann gesellten sie sich zu Pollen und Taub, die mit offenen Mündern auf den freigelegten Eingang starrten. Sellen war nicht weniger erstaunt und schenkte ihr ein Lächeln.

“Du bist unglaublich.”

“D-Danke”, stammelte sie und wurde rot.

Kailan regte sich als erstes und stieg den Rest des Gerölls empor, dabei hielt er sich mit dem gesunden Arm an einer Wurzel fest und winkte Taub heran.

“Macht mal Licht.”

Der alte Krieger gehorchte und stieg zu Kailan auf die Reste der Barrikade.

“Da passen wir nicht durch”, beschwerte Pollen sich.

“Aber wir können den Durchgang erweitern.”

“Ich pass da durch.”

Kailan sah sie kurz an und schüttelte den Kopf.

“Du gehst da nicht alleine rein. Dein Glück mag dich beschützen, aber wenn der Kaiser entkommt, ist Lord Kamm dem Tod geweiht.”

“Er wird nicht entkommen. Nur wenn ich Eolin den Kaiser liefere, werde ich Bajkas Schülerin. Es wird passieren.”

“Das mag sein. Aber wir müssen es sein, die ihm den Greis liefern. Am Ende kommt ihr von dort mit dem Kaiser direkt in den Thronsaal und Kamm gilt weiterhin als Verräter.”

Eola runzelte die Stirn

“Wieso? Wenn ich nicht mehr verdächtigt werde, lösen sich doch alle Anschuldigungen in Luft auf.”

Kailan schüttelte den Kopf.

“Ich bin unbefugt in den Palast eingedrungen und habe eine Lady bedroht. Das kann der König nicht ignorieren. Nur der Preis für den Kaiser kann das wieder gut machen."

“Ihr habt was?”, fragte Pollen erschüttert.

Kailan warf ihm einen strengen Blick zu.

“Ihr habt Lord Fremm das Schwert unter die Nase gehalten, also verurteilt mich nicht. Außerdem habe ich niemanden bedroht, aber es wird so ausgelegt werden.”

Kailan kletterte wieder zu Sellen hinunter und musste sich kurz an ihm festhalten, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.

“Und jetzt räumt mir einen Weg frei ihr beiden”

Es dauerte eine weitere halbe Stunde, bis das Loch so groß war, dass auch Pollen, der Größte von ihnen, hindurch passte und mittlerweile war es so dunkel, dass man außerhalb des Lichtkegels der Fackel kaum noch etwas erkennen konnte. Der Mond hatte sich hinter der Burg verkrochen und Eola fröstelte im kühlen Frühlingswind, der von Ärenfels her wehte.

Pollen stieg mit der Fackeln zum freigelegten Eingang hinauf und half dann Kailan dabei, sich hindurch zu schieben.

“Jetzt ihr!”, wies er Sellen an. Dann folgte Taub und Eola ihm. Doch Pollen hielt sie mit der Hand zurück.

“Ihr kommt nicht mit. Wir brauchen jemanden, der aufpasst und uns den Fluchtweg freihält.”

“Hey, das ist nicht fair”, protestierte Eola. “Kailan hat mir versprochen…”

“Es tut mir leid, Kleine. Es ist besser so. Bitte.”

Eola seufzte. “Nagut, aber wenn ihr in einer Stunde nicht wieder da seid, werde ich euch folgen, egal was ihr sagt.”


~


Kailan ließ sich von Sellen dabei helfen, das Kettenhemd anzulegen, dann schnallte er sich das Schwert um. Seine Schulter schmerzte immer noch und er hatte die Befürchtung, dass es sich um mehr handelte als nur eine einfache Prellung. Obwohl auch diese verdammt wehtun konnten. Nein, er hatte Probleme mit dem Kreislauf, seit er gestürzt war und das deutete auf innere Verletzungen hin, oder er hatte sich zu doll den Kopf gestoßen. Er hatte erlebt, wie die tapfersten Krieger daran gestorben waren. Er stellte mit Hilfe der Kleider des Dieners eine Schlinge her und verzog das Gesicht, als ihm zum wiederholten Mal Schmerzen, Tränen in die Augen trieben. Der Gang, dem sie folgten, glich zu Beginn noch einer Höhle. Nacktes Gestein beschloss die Decken und Erde und Wurzeln die Wände. Von Zeit zu Zeit rieselte Dreck von der Decke, doch irgendwann erkannte man erste Mauerstrukturen, die sich aus den Wänden schälten, wie Schimmelflecken bei einer Kartoffel. Kailan zwang sich, weiterzugehen, obwohl seine Schulter ihn schwächte. Verdammt, es war definitiv etwas gebrochen. Er würde Pollen, Taub und Sellen das Kämpfen überlassen müssen. Denn Kailan war sich sicher, dass der Kaiser sich nicht hierher zurückgezogen hatte, ohne eine Versicherung für den Notfall. Er saß in den Tunneln in der Falle und Taub hatte ihm davon erzählt, dass die alten Stämme der Hügelländer Zauber auf ihre Gräber gelegt hatten, die jeden verfluchten, der sie schänden wollte. Er konnte nur hoffen, dass sie überhaupt bekämpfen konnten, was auf sie wartete. Kailan hatte das unangenehme Gefühl, hier unten nicht allein zu sein. Pollen und dem Jungen sagte er von dieser Vermutung jedoch lieber nichts. Der Bastard des Lords war beinahe ebenso abergläubisch wie die alten Stämme der Hügelländer und er wollte den Jungen nicht noch zusätzlich beunruhigen. Es hatte ihm schon nicht besonders gefallen, dass sie Eola am Eingang der Höhle zurückgelassen hatte. Irgendwann hatten die alten, zu rechtecken geschlagenen Feldsteine das Erdreich ganz abgelöst und der Gang wurde etwas breiter. Flechten und Pilze bedeckten die Wände und die Decke. Die Männer waren schweigsam, seit sie die Tunnel betreten hatten, als fürchteten sie jemand könnte sie hören, doch die Toten schwiegen und hören konnten sie schon lange nicht mehr. Irgendwann verzweigten sich die Gänge und Taub markierte die Weggabelungen mit Pfeilen, die er mit dem Dolch in die grünen Flechten ritzte.

“Ihr wisst hoffentlich, wo wir lang müssen?”, fragte Pollen schließlich und brach damit das Schweigen. Taub nickte und wies auf eine Verzweigung der Tunnel direkt vor ihnen.

“Dort rechts und wenn ich diese Karten richtig lese und sie tatsächlich stimmen, sollte der Gang uns direkt in die Grabkammern bringen.”

Pollen nickte, sie folgten dem Gang, bogen rechts ab und standen fünf Minuten später vor einem Haufen Geröll.

“Na toll”, schimpfte Pollen.

“Seid ihr euch sicher, dass wir richtig abgebogen sind?”

Taub nickte. “Die Gräber sind geradezu. Bisher stimmte jede Kreuzung, die eingezeichnet war.”

“Kailans Vermutung stimm also. Der Kaiser sitzt da drin fest”, dabei deutete Sellen auf den verschütteten Gang vor ihnen. “Wir hätten Eola mitnehmen sollen”

Pollen schnaubte und hob die Fackel über den Kopf, damit sie besser sehen konnten.

“Sie kann nicht zaubern, das habt ihr doch gehört und nicht jede dieser Barrikaden kann so instabil sein wie die, die wir bereits überwunden haben. Außerdem war es eine gute Idee, sie als Wachposten zurückzulassen. Wer weiß was sie tut, wenn wir den Kaiser erst einmal haben. Dann braucht sie uns nicht mehr.”

“Redet nicht so über sie!”, fuhr Sellen ihn an, “Das würde sie nicht tun.”

Kailan warf ihm einen bösen Blick zu.

“Genug! Da bekommt man ja das Gefühl, zwei Bälger zu hüten.”

Erschöpft fuhr er sich mit der Hand über das Gesicht.

“Taub, gibt es noch einen Zugang zu den Grabkammern? “

Taub nickte. “Aber wie auch mit den Eingängen draußen, wollen wir sie wirklich alle ablaufen?”

Kailan nickte. 

“Führe uns zu dem, der am nächsten am Westturm der Burg liegt.”

“Er ist am weitesten von hier entfernt. Bist du dir sicher, Kailan?"

“Tut es einfach, ich habe so eine Ahnung, dass es der einzige Durchgang ist, der uns zum Kaiser führt.”

Pollen starrte ihn ungläubig an, doch Taub nickte.

“Hier entlang.”

Er führte sie den Gang zurück, den sie gekommen waren, und bog diesmal links ab, doch nicht ohne vorher eine weitere Markierung zu setzen.

“Warum markiert ihr die Gänge eigentlich, wenn wir die Karten haben.”

“Reine Vorsichtsmaßnahme.”

Aber Kailan wusste genau, dass er die Markierungen für Eola setzte und er ging nicht darauf ein. Der Tunnel führte sie in einer leichten Biegung um die Grabkammern herum und nach knapp zweihundert Metern erreichten sie eine weitere Abzweigung. Taub bog rechts ein und nach kurzer Zeit standen sie vor einem in die Wände eingelassenen Gitter. Es war alt und rostig, aber die Streben gut drei Zentimeter dick. Die Lücken im Gitter waren gerade groß genug, dass ein kleines Tier hindurch passen würde. Kailan hatte recht behalten. So war der Dämmerfuchs also mit dem Gold des Kaisers entkommen.

“Sucht nach einem Hebel oder einer Winde.”

Doch Pollen und Sellen suchten vergeblich.

“Nichts Kailan. Gar nichts.”

Kailan nahm Pollen die Fackel ab, hielt sie an die rostigen Streben und sah in den Raum dahinter. Die Decke war gut zehn Meter hoch und wölbte sich in der Mitte zu einer Kuppel, die mit Kreuzrippen aus grauem Stein aufrecht gehalten wurde. An manchen Stellen hatten sich jedoch Steine aus der Decke gelöst und Wurzeln wuchsen aus dem dunklen Erdreich in die große Halle. Sie war kreisrund und Mulden in den Wänden zogen seine Aufmerksamkeit auf sich. Es waren Vertiefungen, die wie rechteckige kleine Kammern in die Erde gegraben worden waren, manche davon mit Steinplatten verschlossen, an denen dicke Eisenringe hingen, andere waren geöffnet und kahle Schädel und Knochen schienen im Licht der Fackel wieder. Dann nahm Kailan eine Bewegung wahr, im hinteren Teil der Halle, im Schatten der Säulen.

“Zurück!”, zischte er und warf die Fackel auf den Boden, trat sie mit einer Schritt aus und wich mit dem zweiten zurück an die Wand. Er presste sich mit dem Rücken dagegen und Taub zog Sellen vom Gitter weg. Dann scharrte etwas über den harten Boden. Jetzt war es stockdunkel um sie herum und Kailan spürte Pollen direkt neben sich

“Was beim Bart des Kaisers…”

“Sssch.”

Ein Geräusch erklang, wie wenn trockene Blätter aneinander rieben, dann ein schnüffelnder Laut, wie von einem großen Eber und schließlich ein Kreischen, das nicht menschlich war. Es glich schon fast einem Jaulen, das in Kailans verletzter Schulter vibrierte, ihm Schweiß auf die Stirn trieb und eine Gänsehaut den Rücken hinunter. Pollen neben ihm schien es ganz ähnlich zu ergehen.

“Ein Nachtalb”, flüsterte Kailan.

“Was macht der hier unter der Burg? Leben die nicht in den Bergen?”

Kailan hatte mit allem gerechnet, aber nicht hiermit. Pollen hatte recht. Kein Nachtalb war je bis in die Hügelländer vorgedrungen. Sie waren tödliche Wesen, deren Anblick allein die größten Helden in die Flucht getrieben hatte.

“Eins dem was kommt, eins für die Nacht und eins dem was direkt davor”, zitierte Pollen im Flüsterton.

“Psst. Man sagt zwar, sie können nicht gut hören, aber sie haben trotzdem Ohren.”

Das Scharren der Krallen auf dem Boden näherte sich dem Gitter und jetzt drang ein Geruch zu ihnen, der an faules Wasser erinnerte, gemischt mit einer Note verbranntem Papier.

“Er wurde frisch erweckt”, flüsterte Taub. “Sonst riechen sie nach Asche, der hier stinkt nach faulem Zauber.”

"Ich dachte, der Kaiser hätte seine Zauberkraft verloren?"

"Man braucht keine Zauberkraft, um einen Alb zu erwecken, nur Blut und etwas Kohle und dazu eine Menge Hass.”

“Was machen wir jetzt?”

Kailan wusste es nicht. Sie hatten Glück, dass sie sich auf dieser Seite des Gitters befanden. Einem Nachtalb waren sie selbst zu dritt nicht gewachsen.

“Eigentlich machen sie keinen Unterschied zwischen Schöpfer und Beute, das macht ihre Beschwörung so gefährlich. Sie wenden sich meistens gegen ihre Meister, sobald sie erwacht sind.”

“Dann ist der Kaiser tot?”, fragte Sellen, doch Kailan schüttelte den Kopf.

“Nicht unbedingt. Wir müssen zurück zu Eola. Ich habe da so einen Verdacht.”

In diesem Moment hatte der Alb sie entdeckt. Das Kratzen auf Stein wurde lauter und kurze Zeit später bebte das Gitter neben Kailans Schulter. Der Stein barst und einige der Verankerung lösten sich aus der Wand.

“Lauft!”, rief Kailan und folgte Pollen, der sofort los sprintete. Sellen und Taub direkt hinter ihnen, liefen sie den Gang zurück, das grausame Kreischen des Alb im Rücken.

Mann sagte, ein Nachtalb habe drei Augen. Eins sah in die Zukunft, eins in die Vergangenheit und eins sah das Hier und Jetzt. Sie wurden mit Blut gerufen und das war das einzige, nach dem sie lechzten, es zu vergießen. Dabei tranken sie es nicht, wie manch einer vermutete. Sie tränkten lediglich die Erde damit, aus der sie kamen. Wieder warf sich der Alb gegen das Gitter und die Wände zitterten, als hätte selbst der Stein Angst. Es gab helle Alben und Dunkle, soweit Kailan wusste und die einzige Möglichkeit sie zu töten, war sie zehn Meter tief zu vergraben. Nur wie man das anstellte, wenn sie einen gleichzeitig zu zerfleischen versuchten, war Kailan schleierhaft. Doch so war das nun einmal mit Legende, sie ergaben oft keinen Sinn oder waren schlichtweg ausgeschönte Lügen. Sie erreichten die Biegung, rannten weiter, doch ein Bersten und Krachen hinter ihnen, verriet Kailan, dass der Alb jetzt direkt hinter ihnen war. 



Dienstag, 25. Februar 2025

Die Zauberin; Das Glückskind: Gentilis; Kapitel 9


Wenn alle Stricke Reißen


“Ihr!”

Kailan fluchte, wandte sich um und rannte, gefolgt von Eola, den Gang wieder hinunter. Der Kämmerer war ihnen dicht auf den Fersen. Hinter ihm folgte eine Gruppe Gardisten.

“Nicht da lang”, warnte Eola ihn, doch es war bereits zu spät. Sie standen in einer Sackgasse. Vor ihnen blanker Stein, hinter ihnen das Getöse nahender Soldaten. Kailan fluchte erneut, sah sich nach einem Fluchtweg um und folgte Eola, die ihm die Tür zu einem der Gemächer offen hielt.

“Sie sind dort hinein!”, rief der Kämmerer, als Kailan die Tür hinter ihnen ins Schloss geworfen hatte. Rasch sah er sich um, dann ein Kreischen. Das Mädchen im Türrahmen, war noch jung, trug allerdings die feinen Kleider einer Lady. Dünn war sie blass, beinahe ungesund blass. Kailan spurtete auf sie zu und fing sie gerade noch auf, als sie in Ohnmacht fiel. Er legte sie auf dem Bett ab, dann stürmte er zurück zur Tür und half Eola , die bereits dabei war, Möbelstücke vor den Eingang zu räumen. Kailan warf sich gegen den Schrank, der an der Wand daneben stand, bis er mit lautem Getöse zur Seite kippte und Staub aufwirbelte.

Er stapelte einen Sessel oben auf und trat dann zu Eola, die vor der Lady kniete. Sie war wieder wach, anscheinend hatte sie der Lärm zurückgeholt.

“Keine Angst”, beruhigt Eola sie. “Wir wollen dir nichts tun, Eirina. Das hier ist Kailan. Er will mir helfen, den Kaiser zu finden, aber die Wachen draußen werden uns nicht lassen. Könnt ihr uns helfen?”

“Helfen?”, murmelte die Lady und sah Eola an, dann wieder Kailan und schließlich wieder Eola.

“Ich … Ich kann nicht.”

Kailan sah sich nach einem weiteren Fluchtweg um. Doch die Gemächer der Lady Eirin hatten nur einen Zugang und den hatten sie blockiert. Jemand warf sich von draußen gegen die Tür und sie würde nicht lange halten.

“Das Fenster”

Er lief hinüber, doch bis zum Boden waren es gut zwanzig Meter. Eola saß immer noch bei der Lady, doch Kailan zerrte sie auf die Beine.

“Sie kann uns nicht helfen. Die Gardisten werden nicht auf sie hören. Das Bettzeug, knote daraus ein Seil.” Dann wandte er sich der Lady zu. “Wir müssen uns ein paar Kleider leihen. Und gibt es noch mehr Bettbezüge?”

Eirina schüttelte den Kopf. 

“Sie … Sie bewahren sie im Waschraum.”

Dann zeigte sie auf einen weiteren Schrank hinter dem Bett. Eola hatte damit begonnen, die Decken und Kissen auf dem Bett zusammenknoten und Kailan eilte zum Schrank hinüber.

Die Tür ächzte bedrohlich unter den Schlägen der Gardisten, die jetzt begonnen hatten das Holz mit ihren Schwertern zu bearbeiten.

“Aufmachen! Im Namen des Königs!”, rief einer der Männer, doch Kailan ignorierte es.

Lady Eirina hatte die Hände gefaltet und schien den Tränen nah.

“Euch wird nichts passieren Eirina. Versprochen. Wenn wir weg sind, sagt ihr ihnen einfach, das wir euch bedroht haben.”

Kailan warf ihr einen bösen Blick zu.

“Mach es nicht noch schlimmer Eola. Die Bedrohung einer Lady ist ein Affront gegen ihren Lord.”

“Lord Ormund?”

Kailan verband die Kleider der Lady mit schnellen Knoten und befestigte dann alles an dem provisorischen Seil, das Eola aus dem Bettzeug geknotet hatte.

"Ausgerechnet …”

Dann lief Kailan mit dem Knäul aus Stoff zum Fenster und warf es hinaus. Das andere Ende befestigte er am Bettpfosten. 

“Du zuerst”, sagte er und wartete dann, bis Eola auf das dünne Brett am Fenster geklettert war. Von dort aus ließ sie sich langsam am Seil hinab. Der Bettpfosten knarrte bedrohlich. Kalian fuhr herum, als das Holz der Tür hinter ihm splitterte und dann nachgab. Noch lag der Schrank den Gardisten im Weg, doch einer der Soldaten zerrte bereits den Sessel in den Flur, dann machte er sich daran, ins Zimmer zu klettern. Kailan machte sich daran, seinerseits aufs Fensterbrett zu steigen und sah nur kurz nach unten. Eola hatte es beinah bis zum Ende des Seils geschafft, doch es war nicht lang genug. Bis zum Boden waren es immer noch knapp zehn Meter. Mit Sorge im Blick sah das Mädchen zu ihm hoch. Er zwang sich dazu, nicht über die Höhe nachzudenken und begann zu klettern. Als er Eola fast erreicht hatte, schob sich über ihm der Kopf des Gardisten aus dem Fenster. Dann zog er den Kopf wieder ins Zimmer und brüllte Befehle. Dann gab das Seil nach und Kailan meinte schon, der Soldat hätte es losgeschnitten. Er klammerte sich daran und Eola unter ihm kreischte vor Schreck. Doch abrupt endete ihr Fall wieder und als Kailan nach oben sah, stellte er fest, dass es lediglich eins der Kleider war, das an der Naht entlang aufgerissen war. Noch hielt das Seil und sie waren dem Boden ein Stück näher. Das war also das unverschämte Glück eines Kindes, das unter dem Stern eines Drachen geboren worden war. Kailan war beinahe empört darüber, wenn es nicht so unheimlich praktisch gewesen wäre. Dann gab das provisorische Seil erneut nach, als ein weiteres Kleid an der Naht aufriss und jetzt waren sie nur noch acht Meter über dem Boden. Trotzdem wäre ein Sturz aus dieser Höhe immer noch gefährlich, wenn nicht sogar tödlich, das wusste Kaila aus Erfahrung. Ein weiteres Kleid riss und beförderte sie einen weiteren halben Meter nach unten. Es würde nicht reichen. Egal wie viel Glück dieses Mädchen auch hatte. Es würde das Unmögliche nicht möglich machen. 

Sie hatten keine Zeit mehr, einer der Gardisten beugte sich erneut aus dem Fenster und jetzt hörte Kailan ganz eindeutig, wie er mit dem Schwert begann, den Stoff oberhalb des Fensters zu durchschneiden.

“Du musst springen.”, rief er dem Mädchen zu. “Versuche dich abrollen, nicht mit den Händen aufkommen, über die Schulter und mach dich rund.”

Eola nickte und zögerte nur kurz, dann ließ sie das Seil los und schrie, während sie fiel.

Kailan hatte keine Zeit, nachzuschauen, ob sie den Fall unbeschadet überstand, denn jetzt gab das Seil endgültig nach, der Gardist am Fenster hatte es mit einem sauberen Hieb zertrennt.

Wind drang ihm in die Ohren und Kailan merkte noch im Fall, dass er nicht genug Zeit haben würde, um die Beine unter dem Körper hervorzubringen. Als verlegte er sich darauf, den Rücken zu krümmen und dann sah er den Erdboden. Bevor er reagieren konnte, war er einfach da und Kailan widerstand dem Drang, die Hände vors Gesicht zu reißen. Stattdessen legte er das Kinn an die Brust und rollte über die Schulter ab. Trotzdem war der Aufprall markerschütternd und es knackte in seiner Schulter. Dann kam er hoch auf die Knie und wäre fast wieder vorne übergefallen, doch Eola hielt ihn fest. Mit schmerzverzerrtem Gesicht sah er zu ihr auf. Sie grinste ihn an. Hatte sie den Fall ohne einen Kratzer überstanden? Natürlich. Sobald sie nicht mehr in Gefahr geschwebt hatte, war das Seil durchtrennt worden. Ihr Glück gab wirklich einen feuchten Dreck auf die Menschen um sie herum.

“Alles okay?”, fragte Eola und jetzt stand doch Sorge in ihrem Gesicht.

“Ich glaube schon. Es ist nur die Schulter, vermutlich ausgerenkt.”

Eola half ihm auf die Beine und schnell entfernten sie sich von der Burg. Als sie bei einer Gruppe Bäume angelangt waren, die den Blick auf sie von Ärenfels aus verdeckte, blieb Kailan und lehnte sich an den Stamm einer kleinen Birke.

“Gebt mir eine Sekunde.”

Eola nickte, sah jedoch mit zerfurchter Stirn zur Burg hinüber. Man würde sie suchen, vermutlich die ganze Nacht. Schließlich würde diese spektakuläre Flucht den Verdacht auf Eola nur verstärken. Und wenn Kailan Pech hatte, war auch er erkannt worden. Der Lord Verräter hatte seinen Spion aus der Burg befreit, würde es heißen, da war Kailan sich sicher.

Er fluchte, hielt sich die verletzte Schulter. Kailan schmeckte Blut und stellte fest, dass er sich beim Fall die Lippe aufgebissen hatte.

“Wir können nicht hier bleiben. Ich habe den Männern gesagt, sie sollen am Rand des Eberhain Stellung beziehen.”

“Welchen Männern?”

“Sellen, Taub und Pollen.”

“Pollen?, fragte Eola skeptisch.

"Ja, er ist impulsiv, aber einer unserer besten Kämpfer.”

“Dann auf zum Eberhain.”

Kailan nickte, wollte sich aufrichten, doch seine Schulter jagte einen stechenden Schmerz bis in seinen Bauch und er sackte zusammen.

“Sicher das wir es bis dahin schaffen? Ihr seid verletzt …”

“Es geht schon”, versicherte Kailan ihr, dann richtete er sich erneut vorsichtig auf und versuchte sich an einem Lächeln. Es misslang.

 




Die Zauberin; Das Glückskind: Gentilis; Kapitel 8


Geheimnisse


Die Bücher der Zauberin trugen Titel wie “Der Almanach der kleinen Dinge” oder “Der Gezeiten Fäden”. Es waren öde Texte über die Natur der Dinge, philosophische Ansichten und Eola fielen immer wieder die Augen zu, während sie auf dem Bett saß und darin blätterte. Schließlich hielt sie es nicht länger aus und begann unruhig im Zimmer auf und ab zu laufen. Sie horchte an der verschlossenen Tür und ging schließlich zum Fenster, um das Treiben im Burghof zu beobachten. Irritiert sah sie dabei zu, wie Wägen wieder entladen wurden und schließlich kam es zu einem Auflauf, bei dem Soldaten danach forderten zu wissen, was los war. Lord Fremm tauchte auf und nachdem er kurz mit ihnen geredet hatte, verstreuten sich die Soldaten wieder. Dann beobachtete sie, wie einer der Diener mit einem Eimer zu einer der Mauern lief und nicht zurückkam. Es dauerte eine Weile, dann trat ein Mann aus den Schatten, in die Kleider des Jungen gehüllt, eine Kapuze verbarg sein Gesicht, aber Eola war sich sicher, dass es sich nicht mehr um den Diener handelte. Eola verzog irritiert die Stirn, dann horchte sie auf. Ein Geräusch im Schlafzimmer holte sie in die Räume der Burg zurück. Sie sah sich um und bemerkte einen kleinen Schatten, der aufs Bett sprang. Sie ging hinüber und Krümel sah sie mit schräg gelegtem Kopf an.

“Nanu, was machst du denn hier?”, fragte sie den Kleinen, doch er fiepte nur kurz und kletterte dann einen der Balken hinauf, die das Dach des Himmelbettes stützen. Von dort sprang er auf einen Schrank und sah Eola erneut an.

“Was? Wie bist du überhaupt hier herein gekommen?”

Krümel gab ein eigenartiges Keckern von sich, dann verschwand er hinter dem Schrank und Eola runzelte die Stirn. Eigenartig, die Wand dahinter war mit Holz vertäfelt und sah recht neu aus. Sie ging zur Wand und lugte hinter den Schrank, dann klopfte sie sacht gegen die Vertäfelung. Es klang hohl. Eola stämme sich mit all ihrem Gewicht gegen den massiven Eichenholzschrank und endlich gelang es ihr, ihn etwas nach vorne zu schieben. Sie untersuchte die Dielen und stellte fest, dass dort bereits Schleifspuren zu erkennen waren, älter als dass sie gerade erst entstanden sein konnten. Hatte die Zauberin hiervon gewusst? War es vielleicht ein Fluchtweg für den Notfall? Hinter dem Schrank war eine der Leisten aus der Vertäfelung entfernt worden und Krümels kleiner Kopf lugte daraus hervor. Mit aller Kraft schob sie den Schrank weiter und schließlich hatte sie die dünne Lücke im Holz freigelegt. Sie nahm eine der Kerzen von der Anrichte und entzündete sie, dann lief sie zurück zur Wand und spähte in den Hohlraum dahinter. Der Hohlraum hinter dem Holz maß ungefähr eine Armlänge und Spinnweben hingen von der modrigen Decke. Rechts , war er von einer staubigen Wand begrenzt und links waren die überreste eines alten Kaminschachtes zu erkennen. Krümel hockte darauf und putzte sich das Fell mit der langen Zunge. Dann stellten sich seine Ohren auf und er sah Eola an. Eine Sekunde später, sprang er vom Kamin und verschwand in der dunklen Öffnung. Eola seufzte und schob sich durch die Lücke in der Vertäfelung. Dahinter war es eng und sie hielt die Luft an, als sie sich zum Kaminschacht vorarbeitete. Die raue Wand im Rücken, blies sie Spinnweben fort und musste sich einige Male über das Gesicht fahren. Dreck rieselte ihr in Kragen und Ärmel. Das Kleid würde das hier nicht heile überstehen. Zum Glück lies es genug Beinfreiheit, um sich darin vernünftig bewegen zu können. Dann hatte sie den Schacht erreicht und stellte die Kerze auf dem Boden ab. Im Gang hinter der Vertäfelung war nicht genug Platz, also blieb ihr nichts anderes übrig, als sich mit den Beinen voraus in den Schacht zu schieben. Kurz hing sie in der Luft, dann rutschen ihre Hände vom staubigen Sims ab, an dem sie sich festgehalten hatte und es ging abwärts. Sie rutschte den Schacht hinunter, schürfte sich an den schartigen Wänden die Hände auf und hörte den Stoff ihres Kleides reißen. Dann kam sie im Dunkeln, knickte mit den Beinen ein und kullerte aus dem Kamin. Der Boden war weich und federte ihren Sturz, es tat trotzdem weh und fluchend kam sie auf die Beine. Von oben fiel zwar etwas Licht herein, doch die Kerze stand immer noch oben im Geheimgang und hier unten konnte sie kaum etwas erkennen. Sie tastete sich an der Wand entlang und hörte Krümel nicht weit entfernt keckern. 

“Die Zündhölzer Krümel, sie liegen oben.”

Etwas sprang an ihr hinauf und dann spürte sie die weichen Händchen des Dämmerfuchses an ihrem Arm. Er schob sich auf ihre Schulter und schmiegte sich an ihre Wange. Eola musste kichern.

“Die Hölzer Krümel.”

Er quiekte und machte es sich auf ihrer Schulter bequem. Sie seufzte und tastete sich weiter an der Wand entlang. Der Raum, in dem sie sich befand, war größer als die Nische hinter der Vertäfelung, doch bald stießen ihre Finger wieder gegen Stein, der im rechten Winkel zur Mauer lag, an der sie sich entlang tastete. Sie vernahm leise Stimmen von Fern. Sie musste sich im Erdgeschoss befinden, aber die Mauer war so dick, dass sie nicht hören konnte, was genau gesprochen wurde. Irgendwann stieß sie erneut gegen Holz, eine weitere Vertäfelung und sie suchte nach Ritzen zwischen den einzelnen Paneelen. Eola tastete sich weiter voran und schließlich spürte sie eine Lücke, dort wo das Holz wieder auf Stein traf. Sie schob die Finger dazwischen und stellte erstaunt fest, dass sich die Vertäfelung beiseite schieben lies.

Die Paneele klappten sich ineinander wie eine Jalousie und gaben den Blick auf einen kleinen Raum dahinter frei. Im Halbdunkel dahinter erkannte sie einen Tisch und noch mehr Spinnweben. Von irgendwoher fiel Licht hinein und sie erkannte Karten, ein Tintenfass, eine Feder und Kerzen, die auf dem niedrigen Beistelltisch lagen. Dazu eine Schachtel Zündhölzer, als hätte sie jemand absichtlich hier zurückgelassen. Eola lief zum Tisch hinüber und entzündete eine Kerze. Dann besah sie sich die Karten auf dem Tisch. Jemand hatte sie hier mit Feder und Tinte angefertigt, andere Karten schienen älter zu sein und zeigten ein Gewirr an Tunneln und Gängen.

“Ahnenfels”, las sie, und auf einer der neuen Karten: “Tunnel der Toten?”

Sie faltete die Karten zusammen und klemmte sie sich unter den Arm. Wenn der Kaiser sich in den Tunnel der Toten versteckt hielt, würden sie ihr noch von Nutzen sein. Ahnenfels, das klang beinahe wie Ärenfels und sie fragte sich, ob diese Tunnel vielleicht unter der Burg lagen. War dieser Hügel einmal ein Ahnengrab gewesen? Es würde erklären, wie der Kaiser sich so lange vor dem König hatte verbergen können und vom Kerker aus, in dem er Eola besucht hatte, gab es vielleicht einen Eingang zu diesen Tunneln. Wusste der König nichts von diesen Tunneln? Warum hatte er nicht dort nach dem Greis suchen lassen? Mit einer neuen Kerze bewaffnet sah sie sich im Raum um. Sie fand nichts außer Spinnweben und Staub. Doch eine weitere Vertäfelung im hinteren Teil des Geheimzimmers erregte ihre Aufmerksamkeit. Sie ging daran entlang und mit einem Grinsen schob sie die Paneele beiseite. Von hier kam das Licht, das sie bemerkt hatte und sie schob die Vertäfelung wieder zurück an ihren Platz. Dann sah sie sich im Raum dahinter um.

Er wurde von einem kleinen Kamin erleuchtet, es gab ein Bett, einen großen Kleiderschrank und eine Kommode. Darauf stand eine Schatulle aus grünem Holz und neben dem Bett lag ein Vorleger aus weißem Fell. In der einer der Ecken stand ein mit gold verzierter Paravent.

Doch nichts im Raum ließ darauf schließen, wer hier wohnte. Es gab also jemanden in der Burg, der von den tunneln wusste und sich mit den Karten beschäftigte. Eola musste sofort an Lady Tahlwynn denken, aber sie kam aus den Goldhainen und auch wenn es die Person war, die sie am wenigsten leiden konnte, war sie doch weit von Zuhause und was sollte sie mit den Plänen verstaubter Tunnel anstellen wollen? Auch der König fiel als Bewohner der Räumlichkeiten wohl aus. Hätte er von den Tunneln gewusst, hätte er dort nach dem Kaiser suchen lassen. Bajkas Räume waren zwar ebenfalls mit dem Geheimgang verbunden gewesen, aber sie schloss Eola ebenfalls aus. Vermutlich hatte sie von dem Raum mit den Karten gar nichts gewusst. Und dann beantworteten sich ihre Frage wie von selbst, als jemand die Räume durch eine der Türen betrat. Schnell verbarg Eola sich hinter dem Paravent und beobachtete dann durch den Spalt zwischen den Trennwänden, wie Lady Ysabeth das Schlafzimmer betrat. Die Königinmutter ging zur Kommode hinüber und zog eine der Schubladen auf, sie kramte kurz darin herum, ließ etwas in den Falten ihres Kleides verschwinden und ließ sich dann aufs Bett sinken. Eola hielt die Luft an und verhielt sich mucksmäuschen. Krümel auf ihrer Schulter schnupperte in die Luft und sie kraulte behutsam seinen Nacken, damit er keinen Laut von sich gab, erreichte damit aber genau das Gegenteil. der Dämmernfuchs schnurrte und sofort ließ Eola es bleiben. Krümel quiekte aus Protest und der Schatten der Königinmutter hinter dem Paravent drehte sich langsam zu ihr um. Sie spähte erneut durch den Spalt vor sich und sah Lady Ysabeth die Stirn runzeln. Dann stand sie auf und kam langsam auf Eola zu. Vor Schreck schlug Eola die Hand vor den Mund und betete stumm, dass die Königinmutter nicht nachsehen würde. 

Nur eine Maus! Es war nur eine Maus!

Kurz bevor die Lady den Schirm erreicht hatte, klopfte es an der Tür und Eola atmete erleichtert aus, als die Königinmutter sich umwandte und zur Tür ging.

“Ja?”, hörte sie Lady Ysabeths Stimme.

“Milady, die Zauberin wollte mit euch sprechen. Soll ich ihr sagen, dass ihr jetzt Zeit habt?”

“Sagt ihr, ich werde sie im Dienstzimmer empfangen.”

Dann schloss die Lady wieder die Tür, trat vor den Spiegel und Eola beobachtete, wie sie sich die Kleider richtete und ihre Reflexion im Glas betrachtete. Sie sah erschöpft aus, das erkannt Eola selbst von hier und ein Schatten lag auf ihren feinen Zügen. Dann straffte sie die Schultern und setzte ein Lächeln auf, das den Schatten wie wegwischte. Nachdem sie sich noch einmal vergewissert hatte, dass ihre Frisur, die sie zu einem Dutt hochgesteckt hatte, saß, verließ sie endlich ihre Räume und Eola trat hinter dem Paravent hervor.

“Das war ganz schön knapp”, sagte sie zu Krümel.

“Aber die Königinmutter, damit habe ich nicht gerechnet. Sie war so nett zu mir.”

Sie kraulte Krümel hinter dem Ohr und er schnurrte zufrieden.

“Dir ist das egal was? Hauptsache du bekommst genug Kuchen.”

Bei dem Wort Kuchen stellten sich Krümels Öhrchen auf und er keckerte glücklich.

“Du bekommst welchen, wenn wir herausgefunden haben, wo diese Tunnel hinführen. Aber vorher muss ich Bajka warnen. Schon wieder. Sie weiß gar nicht, was sie an mir hat.”

Krümel enthielt sich eines Kommentars und Eola schlich zur Tür. Sie lauschte, doch als sie nichts vernahm, keine Schritte, kein Gespräche, stahl sie sich auf den leeren Gang. Im selben Moment bog jemand um die Ecke und Eola runzelte die Stirn. Er trug die Kleider eines Dieners, aber Eola erkannte ihn trotzdem sofort.

“Kailan? Was macht ihr denn hier.”


~


Venges Kleider waren ihm viel zu klein, sie zwickten und drückten an den falschen Stellen, aber er hatte Sellen aufgetragen, seine Kleider und das Kettenhemd mitzubringen, sobald er einen Eingang in die Tunnel gefunden hatte. Er hatte den Aufruhr im Hof genutzt, um sich über einen der Seiteneingänge der Burg Zutritt zu verschaffen. Vengen hatte ihm erklärt, wie er in die Bibliothek der Burg kam, doch er hatte einigen Wachen ausweichen müssen und sich natürlich verlaufen. Er war auf Gehöften aufgewachsen und hatte Burgen so gut es ging gemieden. Jeder Gang sah gleich aus und es gab allein im Erdgeschoss über ein Dutzend Zimmer und Räume. Wenn es so weiterging, würde er die ganze Nacht durch dieses Labyrinth irren. Natürlich war es nur halb so schlimm, doch die Zeit lief ihnen davon. Morgen würden sie mit der Vorhut abreißen und was dann mit Lord Kamm geschah, würde sich Kailans Einfluss entziehen. Eine Vorstellung, die ihm ganz und gar nicht gefiel.

Er kam an einem der Dienstzimmer vorbei, von dem er sich sicher war, dass er es bereits passiert hatte und blieb ratlos stehen. Eine Delegation Diener verließ gerade das Zimmer, gefolgt vom Kämmerer, den Kailan bereits außerhalb der Burg gesehen hatte. Er hieß Zoine oder so ähnlich.. Er sah Kailan abschätzig an und wischte sich die Hände an seiner Schürze ab. Dann scheuchte er eine der Mägde zurück in die Küche und wandte sich an Kailan, bevor dieser sich heimlich verdrücken konnte.

“Das Feuer in Lord Hagens Zimmer muss geschürt werden, kümmert euch darum, Bursche!”

Kailan machte eine unbeholfene Verbeugung und wollte davon eilen.

“Wo wollt ihr denn hin? Das Holz ist im Verschlag. Da entlang!”

Damit deutete er in die Richtung, aus der Kailan gerade kam.”

“Natürlich, Herr.”

Das ganze war demütigend.

“Und beeilt euch gefälligst.”

Kailan ging in die gewiesene Richtung einen gemurmelten Fluch auf den Lippen. Er bog um die nächste Ecke und nickte zwei Dienern zu, die sich leise miteinander unterhielten. Als er schon beinahe an ihnen vorbei war, horchte er jedoch auf.

“... wegen dem Mädchen”, sagte der eine gerade und Kalian lief etwas langsamer, um mitzuhören.

“... in Ungnade gefallen? Vielleicht ist es besser so”, antwortete der zweite Diener und Kailan blieb stehen.

“Der König hat sie zu sich rufen lassen. Ich glaube, es geht ihr an den Kragen.”

Kailan spitzte die Ohren, doch die Dieder sprachen jetzt so leise, dass er nicht hören konnte, über wen sie sich unterhielten.

“Steht hier nicht faul herum”, keifte jetzt der Kämmerer, der Kailan gefolgt sein musste, und schnell verschwand er um die nächste Ecke. Jetzt gefiel es ihm doch gar nicht so schlecht, dass die Gänge so viele Biegungen und Räume hatten und schnell versteckte er sich in einer Kammer, die er bereits auf seiner Suche fälschlich für die Bibliothek gehalten hatte. Kailan wartete, doch keine Schritte näherten sich und nach einiger Zeit traute er sich wieder auf den Gang. Er lief am Gang vorbei, aus dem er gekommen war und versuchte, sich erneut an Venges Wegbeschreibung zu erinnern. Er bog um eine Ecke und blieb stehen. Keine zwei Türen weiter, kam eine verstaubte und zerknitterte Eola auf den Gang geschlichen. Das grüne Kleid in das man sie gesteckt hatte, war zerrissen und sie hatte ein paar zerknitterte Bögen Papier unter den Arm geklemmt. Erstaunt sah sie ihn an.

“Kailan? Was machst du denn hier? Und was bei allen guten Geistern trägst du da?”

Kailan sah an sich hinab, dann wieder zu Eola im zerrissenen Klein. Er zog eine Augenbraue hinauf, dann schüttelte er bloß den Kopf und ging auf sie zu.

“Ich fasse es nicht das du mir wegen meinen Kleidern Vorwürfe machst. Dann schloss er sie in die Arme und erst versteifte sie sich etwas, dann erwiderte sie jedoch seine Umarmung.

“Es tut gut dich lebendig zu sehen Mädchen. Aber wir sollten uns nicht zusammen sehen lassen.” 

Eola grinste ihn schief an, nickte dann jedoch.

“Kommt mit, im Bücherzimmer sollten wir ungestört sein."

Immer auf der Hut keiner Wache oder erneut dem Kämmerer in die Arme zu laufen, folgte Kailan dem Mädchen in den zweiten Stock und dann in ein kleines Turmzimmer. Dabei fiel ihm zum ersten Mal das Tier auf, das dem Mädchen auf der Schulter hockte, wie ein dressiertes Kätzchen. Es sah Kailan aus Glubschaugen argwöhnisch an. Des Fell war dunkel golden gestreift und die großen Ohren zuckten hin und her, der buschige Schwanz, ähnlich dem eines Eichhörnchens, wippte leicht auf und ab.

“Also, was macht ihr in der Burg?”, fragte Eola schließlich, als sie im Bücherzimmer angekommen waren.

Er sah sich kurz um, dann fuhr er sich kurz durchs kurze braune Haar und ließ sich etwas Zeit, seine Gedanken zu sortieren.

“Lord Kamm wurde verhaftet.”

Eola nickte. “Ich weiß. Das tut mir übrigens leid. Es ist alles meine Schuld. Aber ich bieg das wieder hin.”

Kailan zog eine Augenbraue hoch.

“Ach ja? Und wie willst du das anstellen?”

Eola seufzte und ließ sich in einen der Sessel sinken. Dabei rieselte Deck auf die sauberen Kissen.

“Erzählt mir zuerst, warum ihr hier seid. Ihr habt diesem Diener die Kleider abgenommen, richtig? Ich habe es aus Bajkas Arbeitszimmer aus gesehen.”

Kailan nickte. Die Zauberin also. Er hätte es sich ja denken können.

“Wir vermuten, dass ein Greis, nach dem der König sucht, sich in geheimen Tunneln unter der Burg versteckt. Lord Eolin hat versprochen demjenigen einen Wunsch zu erfüllen, der ihn findet.”

“Der Kaiser”

Kailan nickte.

“Woher weißt du das?”

“Ich habe ihnen gesagt, dass er auf Ärenfels ist. Oder wie man es früher nannte, Ahnenfels.”

Falten bildeten sich auf Kailans Stirn und Eola erzählte ihm, was alles passiert war, seid sie sich zum letzten Mal gesehen hatten. Kailan unterbrach sie nur für eine gelegentliche Zwischenfrage, doch als sie auf das zu sprechen kam, was auf Madiskat passiert war, geriet ihre Stimme ins stocken. Kailan drängte sie nicht. Wenn die Zeit kam, würde sie schon mit der Sprache heraus rücken.

“Also habt ihr wie durch Zufall die Pläne gefunden, hinter denen ich her bin. Ihr seid wahrlich vom Glück verfolgt, Kleine."

Eola grinste wieder ihr freches Koboldgrinsen.

“Sag ich doch. Ich bin ein Glückskind und mein Glück beschränkt sich nicht nur aufs Spiel”

“Und doch wurde Lord Kamm verhaftet und der Kaiser immer noch nicht gefunden. Ihr könnt also keine Wunder vollbringen, sehe ich das richtig.”

Eola seufzte und reichte ihm die Pläne, die sie auf dem kleinen Beistelltisch abgelegt hatte.

“Deshalb will ich es von der Zauberin lernen. Hier, das ist das Mindeste, was ich für Lord Kamm tun kann.”

Kailan nahm die Bögen entgegen und faltete sie auf.

“Danke.”

Er studierte die Karten der Tunnel eine Zeit lang, dann ließ er sie wieder sinken und beobachtete Eola dabei, wie sie gedankenverloren das kleine Tierchen streichelte, das es sich auf ihrem Schoß bequem gemacht hatte.

“Also hat dein Glück dafür gesorgt, dass du im Kerker gelandet bist. Damit die Zauberin überhaupt auf die Aufmerksam wird?”

Eola nickte.

“Dann solltest du dir keine Vorwürfe machen, Kleine. Du wusstest nicht, das es Lord Kamm in Schwierigkeiten bringen würde und du kannst schließlich nicht beeinflussen was passiert ist, richtig?”

Dabei sah er sie scharf an, doch die Schuldgefühle standen ihr ins Gesicht geschrieben.

“Ich werde mit Bajka reden, mit dem König, wenn nötig. Er muss Lord Kamm wieder freilassen, wenn wir ihm den Kaiser bringen, richtig?

Kailan seufzte, faltete die Pläne wieder zusammen und ließ sie in einer Tasche verschwinden.

"Ich fürchte, so einfach ist das nicht.  Die Männer von Lord Geiz wollen, dass man ihnen einen Schuldigen liefert. Sie wollen dich.”

“Aber sie werden mich nicht kriegen. Das wird mein Glück nicht zulassen.”

Kailan nickte.

"Und was machen wir dann?”

“Wir holen uns den Kaiser. Was den König angeht, kann ich nicht sagen, wie er handeln wird. Es ist müßig, sich darüber Gedanken zu machen.”

Eola stand auf und schob sich den kleinen Fellball auf die Schulter.

"Also nehmt ihr mich mit in die Tunnel?”

“Ich weiß nicht ob …”

“Ihr müsst mich mitnehmen, Kailan. Ihr braucht mich, mein Glück um genau zu sein und ich schulde es Lord Kamm.”

Kailan seufzte und nickte dann.

“Da ich weiß das ich es euch eh nicht ausreden kann …”

Eola strahlte. “Ich bin mir sicher wir finden diesen alten hässlichen Kauz, er ist nur noch ein alter Mann. und dann muss der blöde König Kamm einfach freilassen. Ich weiß das es so kommen wird. Kailan nickte, doch er war sich da nicht so sicher.