Seiten

Seiten

Samstag, 26. September 2020

Verrückte Welt

Hier eine kleine distopische Geschichte über Verlust, Vertrauen und Moral. 

Ab achtzehn! 

Ich hoffe es gefällt euch. 

(Insperiert durch: "The Last Of Us, Part 2")



Das Ende der Welt

 

Drei Jahre waren vergangen. Drei Jahre seit dem Tag, an dem alles zusammengebrochen war. Anfangs klammerte sich die Menschheit noch an die Hoffnung auf eine Rückkehr zur Normalität. Europa hielt sich am längsten.

Im zweiten Jahr begannend die Plünderungen und Straßenschlachten, während im Nahen Osten vermehrt Bomben fielen.

Zu Beginn des dritten Jahres wurde den meisten klar: Das war das Ende. 

Das Ende der Welt.

Keiner wusste genau, was den Untergang ausgelöst hatte. Man wusste nur, dass alles mit den Stimmen begann. Gesprochene und geflüsterte Worte, die aus dem Nichts zu kommen schienen. Sie trieben die Menschen in den Wahnsinn, hetzten sie gegeneinander auf und veführten selbst die Vernünftigen und Besonnenen zu Wutausbrüchen und Gewalttaten.

Drei Monate, nachdem ersten Berichte über Stimmen veröffentlicht wurden, versuchten Militär und Regierungen, sichere Zonen zu schaffen. Doch überall dort, wo viele Menschen zusammenkamen, traten sogenannten Anomalien auf – Orte, an denen die Stimmen immer mehr wurden..

Innerhalb eines halben Jahres hatte die Menschheit es geschafft sich selbst zur Hälfte auszulöschen; In den Städten war das Chaos am größten.

Ende des zweiten Jahres erkannte man schließlich, dass die Anomalien stets mit erhöhter Gamma-Strahlung einhergingen – ein Entdeckung die vermehrt Atomgegner auf den Plan rief.  So begann ein Bürgerkrieg, der als „Gamma-War“ in verlorene Geschichtsbücher einging. Regierungen zerfielen und unzählige Splittergruppen bildeten sich.

Das Militär zerfiel in paramilitärische Gruppen, und Religionen wurden zu radikalen Sekten, die unter dem „Zeichen Gottes“ zu Heilsbringern mutierten.

Nichts blieb, wie es war. Nach und nach eroberte die Natur die Stadte zurück. Die Wahnsinnigen, die bald nur noch als Insani bekannt waren, wurden täglich mehr – und das Ende rückte unerbittlich näher.

In drei Jahren hatte sich der Mensch vom überlegenen Alpha-Predator in ein sinn- und zielloses Raubtier verwandelt. Es brauchte nicht mehr viel, bis jegliches Zivilisation zusammenbrach. Misstrauen und Paranoia zerrütteten die Gesellschaft und dort, wo Anomalien auftraten, taten die Stimmen ihr Werk.

Drei Jahre nur – und das war das Ende der Welt.


Verfluchte Hütte

 Leises Knistern drang aus dem kleinen grauen Geigenzähler, der Emma vor erhöhten Strahlungswerten warnte.

Sie klopfte mit ihren dreckigen Fingernägeln auf das Ziffernblatt unter dem zerkratzten Plexiglas und der rote Zeiger sprang wild hin und her. Sie fluchte und schüttelte den kleinen Kasten, jedoch ohne großen Erfolg. Das Gerät gab langsam den Geist auf. Der Reißverschluss ihrer löchrigen Jacke wehrte sich etwas, als sie ihn bis zum Anschlag hochzog, dann griff sie in den morschen Fensterrahmen vor sich. Emma war besonders vorsichtig, um nicht ausversehen in die Scherben zu fassen, die auf dem Brett dahinter verteilt lagen. Sie zog sich vorsichtig ins Innere und zertrat weiteres Glas, als sie in den dahinterliegenden Raum kletterte. Sie blieb in der Hocke und schaltete die Taschenlampe ein. Das Innere der kleinen Hütte bestand aus zerfallenden Wänden, durch die man in die angrenzenden Räume blicken konnte. Der gelbe Putz bröckelt bereits und Papier, zerstörte Einrichtung und verbrauchte Munition lag überall verstreut. Emma seufzte und richtete sich auf. Im Inneren der Hütte schien es zum Kampf gekommen zu sein und ihre Hoffnung etwas Essbares zu finden, schwand.

Sie überlegte, ob noch Zeit wäre, etwas zu jagen und spähte währenddessen in die zwei übrigen Räume. Der größere der beiden war im hinteren Teil mit Decken ausgelegt und ihr stieg der Geruch von Verwesung in die Nase. Ihre Eingeweide zogen sich zusammen und Magensäfte stiegen aus ihrem leeren Bauch empor. Sie schmeckte Galle und musste sich zusammenreißen, die wenigen Beeren, die sie zum Frühstück gehabt hatte, nicht wieder loszuwerden.

Sie mied den Schlafsaal vorerst und suchte in den Regalen und Schränken nach Konserven. sie fand bloß übelriechende Kleidung und ein paar Schachteln Munition. Letztere ließ sie im Rucksack verschwinden und zog dann den Schal vor den Mund, um sich gegen den üblen Geruch im Schlafsaal zu schützen. Dann betrat sie zögernd den Raum. Hier war es noch dunkler. Die Fenster waren mit Brettern vernagelt und es fielen nur einzelne Streifen Tageslicht auf die dreckigen Matten. In der Ecke des Zimmers formte sich in den Schatten ein undeutlicher Haufen und der Gestank wurde unerträglich. Der Kegel ihrer Taschenlampe durchdrang die Dunkelheit und Fliegen summte über dem jetzt erleuchteten Leichenberg. Jemand hatte die leblosen Körper übereinander gestapelt und Emma zog schnell den Schal vom Mund bevor sie sich auf die dreckigen Dielen übergab. Die unnatürlich verkrümmten Glieder waren zu klein für die von Erwachsene und ragten kreuz und quer ineinander. Emma hatte so etwas bereits gesehen. Kinder waren die einzigen, die sich in ihrer Sorglosigkeit noch zu größeren Gruppen zusammen taten und die Insani hatten aus irgendeinem seltsamen Grund besonders viel Freude daran, sie zu foltern und zu töten. Eingeweide hingen aus zerfleischten Leibern und die kleinen Gesichter waren grotesk entstellt. Nur das zu oberst liegende blickte friedlich mit starren Augen zu Decke in der Hand einen verkohlten Teddybären, dem die Augen fehlten. Emma wandte sich ab, bevor Sie sich erneut übergeben konnte. Sie würgte und spuckte doch da war nichts mehr in ihrem Magen, was sie hätte von sich geben können. Als die Übelkeit langsam wieder verflog, zog sie den Schal wieder vor den Mund und leuchtete den Rest des Raumes ab. Vor einer der Matten erblickte sie leere Konserven und einen zerstörten Kocher. Emma bewegte sich vorsichtig auf die Matten zu und stieß sie mit dem Fuß gegen eine leeren Blechschachteln. In einer Eingebung tastete sie die provisorischen Betten ab und musste schmunzeln, als sie tatsächlich fündig wurde. Unter manchen der Stoffe knisterte es und sie zog einige Schokoriegel unter den Laken hervor. Ihr stieg erneut der Gestank von Verwesung in die Nase und sie verzog das Gesicht. Schnell verstaute sie die Schokolade in ihrem Rucksack und stand wieder auf.

Die Stimmen waren erst ganz leise, wie ihre eigenen Gedanken, dann wurden sie immer lauter als stünden um Emma herum lauter Menschen die im Flüsterton auf sie einredeten. Manches davon verstand sie klar und deutlich, andere wiederum waren wie Echos, die von den Wänden  widerhallten. Sie vernahm einzelne Fitzel in ihrer Sprache, andere Worte wiederum waren ihr so fremd, als würden mehrere Sprachen durcheinander wirbeln. Das Knistern im Kästchen an ihrer Hüfte wurde lauter und sie versuchte die Stimmen zu verdrängen, während sie hastig den Rucksack schulterte.

"Verzagt das Kind hat Efeu im Mund", Emma rannte zum Fenster und Panik stieg in ihr auf. Sie konnte die Bilder grade noch unterdrücken.

"Sieben Hunde bellen der achte ist tot", sie hiefte sich durch den Rahmen und schnitt sich am Glas. Die Stimmen jagten ihr kalte Schauer über den Rücken und jetzt sah sie blasse Bilder ihr Blickfeld überlagern.

"Versteckt der Zweifel, gesät wird mit Blut", sie fluchte und stolperte weiter, die Stimmen hallten immer noch von Fern.

Zum Glück verblasste das Flammenmeer vor ihrem inneren Auge bereits wieder.

"Wege ohne Wiederkehr, Flüsse ohne Quellen", dann waren die Stimmen nur noch ein Flüstern im Wind und es blieb nur das beklemmende Gefühl in ihrer Brust zurück. Sie atmete tief ein und aus, dann hatte sie sich wieder etwas beruhigt und ließ die verfallene Hütte hinter sich.

 

Süße Errinerungen

 

Die Sonne die sich den Tag über hinter Wolken versteckt hatte, versank bereits hinter hohen Wipfeln als Emma die niedrige Höhle erreichte. Riley erwartetet sie bereits und ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus als sie Emma erblickte.

"Ich bete jedesmal dafür, dass du wiederkommst, auch wenn ich nicht weis ob es überhaupt etwas nützt.

Ihre Freundinn rieb sich müden die blauen Augen und fuhr dann mit der Hand über ihren runden Bauch.

"Der Kleine war auch schon ganz unruhig, ich dachte schon er spürt vieleicht etwas."

Emma lächelte ebenfalls und setzte den Rucksack vor der Höhle ab.

"Kann schon sein. Ich habe Stimmen gehört, nicht weit von hier."

Emmas Tonfall würde ernst, als sie Riley von der Hütte berichtete und was sie dort gefunden hatte.

"Vermutlich Insani", folgerte sie dann und beschloss:

"Wir sollten so bald wie möglich weiter. Denkst du der Kleine kommt damit klar?"

Ihre Freundin seufzte, nickte aber verhalten.

"Ich glaube es ist bald soweit.", murmelte sie nach einiger Zeit.

Emma runzelte die Stirn.

"Es ist doch gerade mal ein Monat her seit wir aus dem Fort raus sind."

Riley strich sich durchs rote Haar und hielt sich an einer niedrigen Birke fest während sie sich langsam an der Feuerstelle niederließ.

Die Asche war kalt, da sie sich nicht getraut hatten Feuer zu machen und so vielleicht Insani anzulocken.

"Ich hoffe es wird keine Frühgeburt. Er wird es doch so schon schwer genug haben."

Riley wirkte sichtlich niedergeschlagen und Emma setzte sich neben sie.

Sie strich ihrer Freudin mit der Hand über den Rücken um sie zu trösten.

"Hey das wird schon. Emera hat mir doch alles beigebracht. Und es war wirklich nicht einfach der Alten so lange zuzuhören."

Riley musste grinsen,

"Ja, das glaube ich dir aufs Wort."

Dann wurde sie wieder ernst und fragte mit zitternder Stimme:

"Glaubst du der Kleine wird jeh ein Leben wie das im Fort kennenlernen? Ich meine dort war es sicher, aber hier draußen..." Sie sprach nicht weiter und Emma wusste was sie meinte. Sie hatten kaum genug Essen um sich selbst zu ernähren und "da draußen" lauerten Gefahren, die für eine kleines Kind den Tot bedeuten konnten.

Auch ohne die ständige Angst vor den Insani, würde es schon schwer genug werden. Sie schwiegen beide und Emma wusste nicht was sie darauf erwidern sollte.

Dann fielen Emma die Schokoriegel wieder ein und sie zog den Rucksack zu ihnen herran. Vieleicht wurde etwas Süßes Riley ablenken. Sie kramte die Riegel hervor und hielt einen davon Riley unter die Nase.

"Schau mal was ich gefunden habe."

Wie sie erwartet hatte bekam ihre Freundinn große Augen und ihre Sorgen waren kurzzeitig vergessen.

"Wo hast du die denn her?"

Emma grinste und zog triumphierend eine Augenbraue in die Höhe.

"Die Kinder hatten sie unter den Laken versteckt, so wie wir damals. Erinnerst du dich noch?"

Riley schnappte ihr den Riegel aus der Hand und riss gierig an der glänzenden Verpackung.

"Klar erinnere ich mich. Wir haben sie immer unters Kopfende geschoben damit Schwester Jana sie nicht findet."

Beide Mädchen mussten grinsen und Riley schob sich genüsslich ein großes Stück Schokolade in den Mund.

"Der kleine Bucky hatte immer die meisten, weißt du noch?"

"Ja weil er schie unsch immer geklaut hat.", schob Reiley mit vollem Mund ein.

"Gieriger kleine Bucky.", stimmte Emma nicktend zu.

"Und als Rache habe ich sie ihm eine Nacht, halb geöffnet unter den Mittelteil seines Lakens geschoben. Weißt du noch wie er geguckt hat, als am nächsten Morgen der ganze Schlafsaal dachte, er hätte sich in die Hosen gemacht?"

Sie prusteten los und Emma hielt sich den Bauch vor lachen.

"Da bekommt die Bezeichnung Rache ist süß eine ganz andere Bedeutung.", legte Reyli nach und ein weiterer Lachflasch schüttelte die beiden

Rileys gute Laune hielt dank der Schockolade noch etwas an und Emma beschloss das es nicht schaden konnte, sich noch eine Nacht auszuruhen. Vieleicht waren die Insani schon längst weitergezogen und sie machte sich völlig umsonst Sorgen. Außerdem wollte sie ihrer Freundin die Laune nicht wieder verderben und so teilte sie die übrige Schokolade in zwei Hälften und aßen eine davon sofort.

Die andere verstaute Emma wieder im Rucksack. Dann stand sie auf und begutachten ihre schokoladenverschmierten Hände.

"Wie in alten Zeiten was?", sagte sie und hielt sie in die Luft.

"Ja, fast wie in alten Zeiten.", antwortete Reiley und ein Hauch von Wehmut lag in ihrer Stimme.

Emma zog ein Handtuch aus dem Rucksack und ging hinunter zum Fluss, der nicht weit entfernt durch die Wildnis rauschte. Sie wusch sich Hände und Gesicht und fuhr sich mit den nassen Fingern durchs Haar, bis wieder etwas Blond unter all dem Schmutz hervor kam. Dann sammelte sie ein Arm voll Holz und ging zurück zum Lager. Sie entzündete ein kleines Feuer, auch wenn sie wusste wie riskant es war.

Doch wenn sie Morge früh bereits weiter zogen, wollte Emma wenigstens nicht mit kalten Gliedern ins Bett gehen.

Die Leichen in der Hütte waren schon mehrere Tage alt gewesen und Insani blieben nie lange an einem Ort, erst recht nicht, wenn es dort nichts lebendes mehr zu holen gab. Sie aßen den Rest der Beeren, die sie am Tag zuvor gesammelt hatten und Emma betrachtet Riley von der Seite, die vermutlich in Gedanken bereits wieder bei der bevorstehenden Geburt war. Sie wusste nicht was sie sagen könnte um es besser zu machen und so rückte sie einfach ein Stück näher und legte den Arm um die Schultern ihrer Freundin. So saßen sie einige Zeit lang da und starrten in die Flammen. Schließlich legte Riley den Kopf auf ihre Schulter und Emma versuchte sich daran zu errinnern wann sie das letzte Mal so da gesessen hatten. Sie wusste es nicht mehr. Zu viel war passiert worüber sie keine Kontrolle gehabt hatten und keiner von ihnen war mehr unschuldig oder naiv wie sie es damals im Kloster gewesen waren.

"Ich habe von ihm geträumt", sagte Riley plötzlich, machte jedoch keine Anstalten sich zu bewegen oder den Kopf von Emmas Schulter zu nehmen.

"Es war wie als würde er noch leben. Wie als wäre er direkt bei mir."

Emma versteift sich doch auch sie wollte die Nähe nicht aufgegeben, die sich ergeben hatte. Eine Nähe, die einst selbstverständlich zwischen ihnen gewesen war.

"Also ein schöner Traum", stellte Emma fest, auch wenn es sich wie ein Dolchstoß für sie anfühlte, wie Riley über ihn redete.

"Ja, aber dann habe ich mich wieder daran errinert was passiert ist und wer uns gerettet hat. Wenn du nicht gewesen wärst..."

Emma nickte nur, sie konnte nichts sagen. Da war wieder dieser Kloß in ihrem Hals, der sich immer dann ihren Rachen empor schob, wenn sie an die Flucht aus dem Fort dachte, an das was geschehen war.

Sie schwiegen erneut, und schließlich waren die Flammen so klein geworden, das Emma vorschlug schlafen zu gehen.

"Wir sollten Morgen früh los", erklärte sie nur und Riley nickte. Ihre Freundinn ging vorraus und Emma kroch zu ihr in die Höhle. Im Schein der Taschenlampen wickelten sie sich in die löchrigen Decken, bis kein Wind mehr hindurch kam und kuschelten sich eng aneinander.

Emma schaltete die Taschenlampe aus und Reiley seufzte zufrieden, als Dunkelheit die beide umfing.

"Ich wüsste nicht was ich ohne dich machen würde", begann sie im Flüsterton.

Emma antwortete nicht, doch sie ließ zu, das Riley ihre Hand auf die Rundung ihres Bauches legte.

"Fühl mal.", sagte sie nur und Emma spürte zaghafte Bewegung unter dem gewölbten Stoff.

"Er wird in Sicherheit aufwachsen, das verspreche ich dir.", hauchte sie, auch wenn sie sich nicht ansatzweise wusste, wie sie dieses Versprechen halten sollte.

"Ich weiß. Solange du bei uns bist, wird ihm nichts passieren, da bin ich mir sicher"

Dann drehte Riley leicht den Kopf und ihr Lippen legten sich sanft auf die von Emma.

Erst versteift sie sich in Rileys Armen, doch dann erwiderte sie den Kuss und es schmeckte nach Schokolade und Beeren.

Als sich Reilys warme Lippen wieder von ihren lößte, merkte Emma, dass sie die Hände zu Fäusten geballt hatte. Es war seltsam, aber die Berührung ihrer Freundinn machte ihr Angst und beruhigte sie, zur gleichen Zeit.

"Wofür war das denn?, fragte sie außer Atem.

Reily strich ihr eine Strähne aus der Stirn und Emma nahm ihre Hand in ihre.

"Ich weiß nicht. Es hat sich einfach richtig angefühlt. Du bist immer für mich da, obwohl du schreckliches durchgemacht hast und ich nicht da war, als du mich gebrauch hast."

Riley kuschelte sie sich noch enger an sie und vergrub ihr Gesicht in Emmas Nacken. Emma spührte wie ihr Tränen über die Wangen liefen und der Schmerz war fast noch genauso schlimm wie damals.

"Ihr beide seid doch alles was ich noch habe.", erwiderte Emma mit belegte Stimme, doch Riley war bereits eingeschlafen.

 

 

Überall Insani.

 

Als Emma erwachte wusste sie sofort dass etwas nicht stimmte. Der Platz neben ihr war kalt und eine schreckliche Vorahnung kletterte aus ihren Eingeweiden empor.

Sie vernahm Stimmen von außerhalb der Höhle und sofort war sie hellwach. Sie griff nach der Baretta unter ihrem Kopfkissen und schlüpfte lautlos in ihre Jeans.

Dann stoplterte sie nach draußen und sah sich um. Bei der Feuerstelle kauerten zwei Männer und ein dritter stand mit einer verrostete Machete in der Hand direkt vor der Höhle. Er sah sie und grinste mit fauligen Zähnen, Riley war nirgends zu sehen. Die Haare des Insani waren strähnig und dunkel und er war bestimmt ein ganzen Kopf größer als sie, doch es brauchte mehr um Emma einzuschüchtern.

Seine Kleider hingen zerfetzt an ihm hinunter und er machte einen Schritt auf sie zu, während er die Waffe hob. Emma riss die Pistole nach Oben und entsicherte im gleichen Moment.

"Wo ist meine Freundinn?", fragte sie so selbstsicher wie sie konnte.

"Ooho, frisches Fleisch, gleich zwei auf einen Streich", säuselte der Insani und griff an. 

Emma drückte ab und die Kugel traf ihn direkt in die Brust. Er trudelte zur Seite und blieb liegen. "Wo ist meine Freundin ihr verschissenen...", weiter kam sie nicht, den Kugeln saust ihr um die Ohren und weitere Insani kamen mit Gewehren im Anschlag aus dem Wald gelaufen. Emma warf sich hinter einen Felsen und presste sich mit dem Rücken dagegen. Ihr Herz raste und sie verfluchte sich für ihre Sorglosigkeit.

Sie hätten direkt aufbrechen sollen, noch am selben Abend an dem sie die Hütte gefunden hatte. Das Feuer musste sie angelockt haben.

Emma hatte Riley nur diese eine friedliche Nacht geben wollen, dabei wusste sie doch das es keinen Frieden mehr gab.

Frieden war nur noch eine Illusion und wer sich ihr hingab, starb.

Die Männer kreisten sie ein und Emma war froh, dass sie nicht zu den Mädchen gehörte, die sich immer nur mit Puppen beschäftigt hatten. Sie spähte links am Stein vorbei und feuerte zweimal in Richtung des Insani, der sich von links ihrem Versteckt näherten. Eine der Kugeln erwischte ihn am Oberschenkel und er kippte zur Seite. Emma verließ ihre Deckung und rannte Richtung Fluss. Sofort zersprengten Kugeln die Erde um sie herrum und sie hechtete gebückt hinter die nächste Deckung. Das Gras um sie war taufeucht und roch nach Erde. Emma robbte durch die hohen Halme zu einem der ausrangierten Trucks, die am Ende der Straße standen, über die sie gekommen waren. Die vom Wetter rostigen Türen hingen in den Angeln. Ein weiterer Insani kam ihr entgegen und spähte zum Baumstumpf hinüber, hinter dem sie sich gerade noch versteckt hatte. Sie zog ihr Messer und schlich sich seitlich an ihn an. Sie zwang sich gleichmäßig zu atmen und so leise wie möglich zu sein.

Dann trat auf einen Ast. Es knackte verräterisch und der Insani fuhr zu ihr herum. Sie rannte auf ihn zu und bevor er seine Waffe heben oder schreien konnte, rammte von unten das Messer in seinen Hals.

Warmes Blut floss über ihre Hände und der Geruch von Eisen stieg ihr in die Nase.

Doch jetzt war keine Zeit für Skrupel. Diese Leute waren längst nicht mehr bei Verstand, hatten sich den Stimmen hingegeben und außerdem hatten sie Riley. Der Insani zuckte noch ein paar Mal, dann brach er zusammen und Emma wischte das Blut am Gras ab. Stimmen näherten sich und Emma kroch unter einen der Trucks. Sie presste sich gegen das kalte Eisen der Achsen und das Herz schlug ihr bis zum Hals. Schritte näherten sich und mehrere paar Füße verteilten sich um das Fahrzeug. Einer der Männer bückte sich, schaut unter den Truck und Emma drückte ab. Er kippte mit zerfetztem Gesicht nach hinten. Im selben Moment packte sie ein paar Hände sie an den Füßen und sie wurde bäuchlinks unter dem Fahrzeug hervorgezerrt. Sie schlug knurrend um sich und versuchte sich umzudrehen um besser zielen zu können. Doch der Insani trat ihr in die Seite und Emme krümmte sich keuchend auf dem Boden.

Sie rang verzweifelt nach Luft, konnte nur noch verschwommen sehen wie der Insani sich neben sie hockte. 

Er zog ein breites Jagdmesser vom Gürtel Emma griff mit ihrem eigenen Messer an, bevor er die Waffe benutzen konnte. Sie sah nicht wo genau sie ihn getroffen hatte, doch er fiel verletzt nach hinten und fluchte. 

Emma kam auf ein Knie, als sich ihr Sichtfeld wieder klärte, jagte sie dem Insani eine Kugel in den Kopf. 

Ihr blieb keine Zeit zu verschnaufen, der nächste Angreifer kam bereits um den Truck gelaufen. Emma feuerte in seine Richtung und er sackte seitlich gegen das Fahrerhaus. Seine Verletzungen zogen eine Blutspuren über den rostigen Kotflügel und Emma zielte auf ihn, bis er auf dem Boden aufschlug. Ein Blick über das Heck des Trucks verriet ihr, das weitere Männer im Anmarsch waren. 

Sie feuerte ihre restlichen Kugel auf die Insani und zwei, von ihnen gingen zu Boden. Dann verschwand sie wieder hinter ihrer Deckung und wollte nach dem zweiten Magazin greifen. 

Sie fluchte. Es musste ihr bei ihrer Kriechaktion durchs Gras vom Gürtel gerutscht sein. Sie schaute in Richtung der Höhle wo sie die übrigen Munition verstaut hatte, doch der Weg war versperrt. Auch aus dieser Richtung nähern sich Insani. Sie durchsuchte die Leichen hinter dem Truck und fand Munition und ein Jagdgewehr. Sie schob die Kugeln in den Lauf und drehte sich gerade noch rechtzeitig um bevor ein weiterer Mann und um das Fahrzeug bog. Er zögerte einen Moment zu lange und Emma schoss ihm in die Brust. Er flog nach hinten und Emma duckte sich hinter das verbeulte Eisen des Grucls. 

Sie spürte wie der Wagen erzitterte als Kugeln in die Karosserie einschlugen.

Emma wartete eine Feuerpause ab, lud nach und zielte dann über das zerlöcherte Metall des Trucks hinweg. Einer der Männer taucht dahinter auf und wurde von einer Kugel von den Füßen gerissen. 

Ihr blieb keine Zeit neue Kugeln in die Kammern zu schieben denn die übrigen Insani feuerten wieder und einer bog mit gezogenem Messer um den Truck. Sie warf das Gewehr zur Seite und ging in Kampfstellung. Zum Glück besaß der Man keine Feuerwaffen und sie ließ ihn näher kommen. 

Bevor er bei ihr angelangt war, trat sie einen Schritt auf ihn zu und umging seine fahrige Deckung mit einem leichten Schlag gegen den Unterarm. Dann rammte sie ihm das Messer in die Seite und trat hinter den Insani. Sie dirigierte ihren menschlichen Schutzschild aus der Deckung und Kugeln erfassten ihn. Ihr blieb gerade noch genug Zeit das Messer aus seinem Bauch zu ziehen, bevor er sie mit zu Boden riss. 

Emma kam ins Sträuchern und stolperte von Kugeln verfolgt Richtung Höhle. Sie war wieder hinter ihrer ersten Deckung angekommen als das Feuer abrupt abbrach.

Rufe aus dem Wald zitierte die Männer zum Ruckzug und Emma spähte irritiert zu ihnen hinüber. 

Das war nicht normal, sie schienen organisiert zu sein.

Seltsam?

Emma wich langsam in die Höhle zurück und versuchte sich darüber klar zu werden was das bedeutete. Ein Schlag auf den Unterarm, riss sie aus ihren Überlegungen und ihre Pistole landete klappern auf dem Boden. Kalter Stahl legte sich von hinten an ihre Kehle.

"Du riechst so gut.", säuselte es an ihrem Ohr. Heißer Atem Strich über ihren Nacken und ein weiterer Insani kam mit eine Brecheisen in der Hand um sie herum. 

In der anderen Hand hielt er ihren Rucksack und in seinem Mundwinkel hing einer ihrer Schokoriegel. Er spuckte ihn Emma vor die Füße und kalte Wut kochte in ihr hoch.

Sie versuchte die Gedanken an Riley beiseite zu schieben. Sie musste einen kühlen Kopf bewahren, doch Bilder zuckten durch ihren Geist. 

Riley, wie sie lächelnd einen Schokoriegel nach dem anderen verspeist, ihr Blick, wenn sie auf den gerundeten Bauch hinunter schaute, und das was darin herranwuchs. Gefühle drohten sie zu überwältigen. Das Kribbeln in ihren Bauch, als Riley sie geküsst hatte. Und die Trauer, als Riley sich bei ihr entschudigt hatte. Sie schob das alles beiseite und versuchte die Angst herunterzukampfen, die sie zu verzehren drohte. Ihr Gehirn schaltete auf Autopilot und sie stieß dem Mann hinter ihr den Ellbogen in den Bauch. Nur ganz kurz lockerte er den Griff um ihr Handgelenk doch es reichte aus, das sie sich aus seinem Griff befreien konnte. 

Mit einer schnellen Drehung, bog sie dem Insani den Arm auf den Rücken und drückte mit aller Kraft. Es knackte und der Mann schrie. Dann saß sie auf ihm und schlug mit bloßen Fäusten auf sein Gesicht ein. Einmal, zweimal, dreimal, dann griff der zweite Mann sie von hinten und wollte sie von ihm hinunterziehen. Emma schlug seinen Arm beiseite und kassierte einen Tritt. Sie wurde zur Seite geschleudert und kurz wurde ihr schwarz vor Augen. Dann war der Insani über ihr und holte mit der Brechstange aus. 

"Stirb!", schrie er hysterisch und ließ das spitze Ende auf Emmas Gesicht hinuntersausen. Sie schaffte es gerade noch ihren Kopf zur Seite zu reißen und rammte die Faust in seiner Seite. 

Er keuchte und sie rollten umeinander. Beide versuchten den Gegner zu fassen zu bekommen und schließlich gelang es Emma die Oberhand zu gewinnen. Sie legte die Hände um seinen Hals, doch der Insani dessen Gesicht sie blutig geschlagen hatte, warf sich von der Seite erneut auf sie. Er zerkratzt ihr das Gesicht und Emma fiel auf den Bauch. Sie spürte sein Gewicht im Rücken und schmeckte Blut. Dann erblickte sie das Magazin vor ihr. Es musste aus dem Rucksack gefallen sein als der Insani ihn zur Seite geschleudert hatte und Ihre Waffe lag nicht weit davon entfernt. Sie versuchte sich vom Gewicht des Insani zu befreien, doch ihre Finger glitten nur Millimeter an der Baretta vorbei. Sie spürte einen Tritt gegen ihren Kopf und Schmerz explodierte in ihrem Nacken. 

Emma sah Sterne. Ihr war schwindelig und dann schlecht, doch sie versuchte mit aller Kraft bei Bewußtsein zu bleiben. 

Sie stöhnte, spuckte Blut und konnte kaum atmen. doch der Tritt war nicht tödlich gewesen und das Gewicht in ihrem Rücken nahm ab. Sie unterschätzen sie. Ein grimmiges Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Ein weiterer Tritt folgte, doch sie konnte rechtzeitig die Arme hochreißen. Sie spuckte Blut und robbte weiter. 

Gerade als sie nach dem kalte Metall ihrer Waffe griff, blitzte es am Rand ihres Blickfeldes und sie rollte sich instinktiv zur Seite. Die Machete schlug neben ihr auf den Fels und es sprühten Funken. 

Der Insani hob erneut die Arme und Emma schob das Magazin ein. Gerade noch rechtzeitig riss sie die Waffe hoch und feuerte. Der Angreifer brach zusammen bevor die Machete ihr Schaden zufügen konnte und Emma hielt die Waffe in Erwartung eines weiteren Angriffs erhoben. Doch da war niemand mehr, der sie angreifen konnte.

 

Unheilvolle Spur

 

Emma senkte die Waffe ihr Kopf sackte erschöpft auf den Höhlenboden. Sie versuchte wieder zu Atem zu kommen und jetzt erst merkte sie, dass ihr ganzer Körper schmerzte. Sie tastete sich ab und stellte fest, daß ein feiner Schnitt über ihren Hals lief, wo das Messer des Insani sie gestreift hatte, sonst war sie jedoch unverletzt. Nur einige Blaue Flecke und Schrammen, nichts allzu schlimmes. Sie wischte das Blut beiseite und versuchte aufzustehen. Ihre Beine knicken fast ein, als sie sich auf die Füße zog, doch sie behielt das Gleichgewicht.

Im selben Moment vernahm sie ein Stöhnen vom Eingang der Höhle. Der Insani dem sie die Nase zertrümmert hatte, lag alle Viere von sich gestreckt da und bewegte sich kaum merklich. Emma ging langsam zu ihm hinüber und biss die Zähne zusammen, als ihre Prellungen sich bemerkbar machten. Die Augen des Insani weiteten sich als sie in sein Blickfeld trat. Seine Stimme war schwach und nur ein Flüstern, doch Emma verstand jedes seltsame Wort:

"Sie flüstern so leise, hörst du es? Das Ende der Welt ist Anfang... Anfang von etwas... Von etwas Neuem..."

Emma lud die Waffe nach und setzte sie ihm auf die Stirn. Als sie dabei in die Hocke ging verzog sie erneut vor Schmerz das Gesicht.

"Wo ist meine Freundinn? Wo bringt ihr sie hin?"

Ein blutiges Grinsen durchzog das Gesicht des Mannes.

"So Unschuldiges in ihr. Der Erlöser wird es uns geben zum spielen." Sie war also nicht tot, noch nicht. Emma atmete auf, doch die Worte des Insani beunruhigten sie trotzdem.

"Wo bringt ihr sie hin?", stieß sie erneut durch zusammengebissene Zähne hervor.

"Frieden der Kindern. Es wird unser Friede sein."

Sie schlug ihm ins Gesicht,

"Was habt ihr mit ihr vor?"

Eigentlich war die Frage unnötig, sie wusste es doch bereits.

Der Insani grinste nur und Emma beschloss das es sinnlos war etwas aus ihm herausbekommen zu wollen. Der Schuss hallte in der kleinen Höhle wieder und sein Grinsen erlosch. Emmas Ohren klingelte und sie ließ sich auf den Hosenboden fallen. Dann wischte wie sich den Schweiß von der Stirn. Sie dachte an Rileys Lächeln und an ihr rotes Haar, an die Art wie sie redete, an jede kleine Zärtlichkeit die sie ihr hatte zukommen lassen.

Sie würde jeden töten der ihr etwas antat; Jeden einzelnen. Aber wie lange hatte ihre Freundinn noch? Stunden? Tage? Emma wusste es nicht es.

Es gab Geschichten über Leute die Monate lang von Insani gefoltert worden waren. Aber wie lange hielt Riley durch? Was würden sie ihr bereits alles angetan haben bevor Emma sie fand? Sie rappelte sich auf und verband notdürftig die Wunde an ihrem Hals. Dann packte sie ihren Rucksack, überprüfte Munition und Waffen und stellte fest dass sie den Großteil des Kleinenkalibers verschossen hatte. Nur  das Gewehr zählte noch ein Dutzend Schuss. Für ihre Pistole hatte sie gerade mal noch ein halbes Magazin. Sie konnte sich keine großen Schusswechseln mehr leisten, doch darüber wurde sie sich auf dem Weg Gedanken machen. Sie schulterte den Rucksack, dann wusch sie das Messer und die Machete im Fluss und brach auf. Die Spuren war noch frisch und sie folgte den Abdrücken bis zu der kleinen Hütte vom Vortag. 

Emma machte einen großen Bogen darum, brauchte allerdings nicht lange bevor sie die Spur wiederfand. Die Männer hatten nicht gerade versucht unauffällig zu sein.

Nach einigen hundert Metern vernahm sie Stimmen und horchte auf. Sie schienen von einer Lichtung zu kommen, die keine fünf Meter ab vom Weg lag und mit kleinen Birken und Sträuchern gesäumt war. Sie schlich im Schatten der Bäume so nah heran wie sie konnte ohne gefahr zu laufen entdeckt zu werden und sah drei Personen auf Baumstümpfen und bemoosten Steinen sitzen. Sie schienen sich leise miteinander zu unterhalten, doch der Wind trug ihre Worte fort, so daß Emma nicht genau verstehen konnte, worüber sie redeten. Sie schlich vorsichtig näher und zog das Gewehr aus dem Holster auf ihren Rücken. Die Waffen der Männer lehnten an den verrotenden Stämmen und langsam trat sie auf die Lichtung. Sie hielt den Lauf des Gewehres auf die Gruppe gerichtet und musterte die drei genauer. Die einzige Frau unter ihnen, hatte ihr Gesicht in den Händen vergraben und die braunen Haare fielen ihr über die Beine. Sie trug eine einfache Lederjacke und dieselben beigen Hosen wie der Mann rechts von ihr. Er erblickte sie zuerst und sprang auf. Sein roter Bart verriet, das seine Haare ebenfalls einmal diese Farbe gehabt haben mussten. Rot, genau wie die von Riley. Er wollte nach der Waffe neben ihm greifen, doch Emma ließ die Mündung ihrer Waffe in seine Richtung schnellen.

"Ganz langsam. Weg von den Waffe!", sagte sie mit einer Ruhe in der Stimme die sie selbst erstaunte. Der Mann gehorchte und auch der mit dem Rücken zu ihr saß drehte sich nun langsam zu ihr um. Er war ein gutes Stück älter als der Rothaarige und trug eine  grüne Stoffveste, ein scharzes Overal und ebenfalls grüne Jeans.

Die Frau nahm jetzt den Kopf aus den Händen und Emma sah dass ihre Augen tränenverquollen waren. Trotzdem, war sie unerwartet schön.

"Ganz ruhig", erwiderte der Man mit der Stoffveste.

"Wir werden dir nichts tun."

Emma deutete auf die Weinende.

"Was ist mit ihr? Hörte sie Stimmen?"

Trauer und Depressionen war meist erste Anzeichen von Verrücktheit und Emma wollte ganz sicher gehen, dass keine Gefahr von ihr ausging.

Außerdem wollte sie ausschließen, dass die Gruppe zu Reilys Entführern gehörten, auch wenn sie davon ausging, daß es sich bei den drei um relativ vernünftige Menschen handelte, sonst hätten sie sie vermutlich schon längst angegriffen.

"Nein, eine Gruppe Insani hat ihren Sohn entführt. Sie haben uns überrascht, und wir waren nicht rechtzeitig wieder da um es zu verhindern."

Emma bedeutete ihm ebenfalls von seiner Waffe weg zu treten und umrundete die kleine Gruppe.

"Wann sind Sie hier vorbei gekommen? Ich bin erstaunt das ihr noch lebt? Ich habe nie davon gehört dass sie Erwachsene verschonen?"

Der Mann mit den Jeans trat einen Stück von seiner Waffe weg, schien dann aber zu zögern.

"Das war ja das seltsame. Sie haben nur Edmund mitgenommen, dann hat sie irgendetwas zum Rückzug bewegt."

Es ist wie heute Morgen, dachte Emma. Genau das hatte sie schon bei ihrem ersten Zusammentreffen mit den Insani beunruhigt.

Sie schienen tatsächlich organisiert zu sein. Merkwürdig, das war das erste Mal dass sie etwas dergleiches hörte.

"Du suchst nach ihnen habe ich recht?, fragte der Ältere von den drei, der soetwas wie der Anführer der Gruppe zu seien schien.

"Warum?", fragte er weiter

"Das geht dich gar nichts an", zischte Emma und beugte sich zu seinem Gewehr hinunter. Er trat einen Schritt auf sie zu doch sie setzt ihm den Lauf auf die Brust als sie wieder hoch kam.

"Ah-ah-ah", sagte sie drohend und er hob mit Nachdruck die Hände.

"Schon gut", beeilt er sich sie zu besänftigen und trat wieder einen Schritt zurück.

"Wir hatten grade darüber gesprochen was wir tun sollen. Wenn du ebenfalls hinter ihnen her bist, könnten wir uns vielleicht zusammentuhen. Wenn wir Edmund befreien wollen brauchen wir jede Hilfe die wir kriegen können. Unsere Chancen wären zu viert erheblich höher, meinst du nicht auch? Es sieht so aus, als könntest du gut hier mit umgehen." Dabei zeigte er auf den Gewehrlauf auf seiner Brust.

"Die beiden Täubchen da drüben haben die Gewehre bisher nicht einmal angefasst.", und bei diesen Worten schwang er sein Kopf in Richtung seiner zwei Begleiter.

Emma überlegte kurz. Er hatte recht, zusammen würden sie es vielleicht sogar schaffen. Sie würde sich nichts vormachen, alleine würde sie es vermutlich nicht schaffen, aber es war lange her, das sie das letzte mal anderen vertraut hatte und sie wusste noch zu gut, wie es geendet hatte.

"Wie heißt ihr beide.", fragte sie dann.

"Desmond", sagte der Mann.

"Und das ist meine Frau Silvia."

"Sag mir dass du okay bist Silvia, das würde mich beruhigen.", sagte Emma und Silvia nickte schwach.

"Ich bin okay. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen.", sagte sie nur und wischte sich das Gesicht trocken.

Emma nickte zur Bestätigung. Keiner der drei wirkte auf sie so als würde er gleich durchdrehen, das musste vorerst reichen. Sie ließ das Gewehr sinken und wandte sich wieder an den den älteren Anführer. Seine Haare waren bereits angegraut, seine hellgrünen Augen dafür umso wacher.

"Ich bin Jack.", beantwortete er ihren erwartungsvoll Blick.

"Und wie heißt du? Ich denke zum beidseitigen Vertrauen sollten wir auch deinen Namen wissen.", fügte er dann hinzu.

"Solltet ihr Jack?", fragte sieunwirsch und blickte ihn unverwandt an.

"Wir brauchen einander, das ist alles, erwartet nicht, das wir Freundschaften schließe werden, sobald wir Edmund befreit haben, bin ich wieder weg."

Jack nickte und sah zu seinen zwei Begleitern hinüber, wie um sich ihre Zustimmung zu holen.

Desomnd zuckte blos mit den Schultern, doch Silvia nickte deutlich.

Riley und Emma hatten sich irgendwann Decknamen gegeben und auch wenn Desmond und Silvia vertrauenserweckend wirkten, war ihr Jack doch eindeutig zu redselig. Sie kannte Leute wie ihn nur zu gut. Sie redeten gerne viel um ihre Nervosität zu überspielen.

"Tamira.", antwortete sie dann zögerlich, als sei sie sich nicht sicher, ob sie gerade das richtige tat.

"Aber ihr könnt mich Tammy nennen. Alle meine Freunde...", sie stockte, als fiele ihr wieder ein dass alle ihre Freunde tot waren, was ja auch halbwegs der Wahrheit entsprach. "Na gut Tammy, wir befreien Edmund, du klärst mit den Insani, das was auch immer du mit denen zu klären hast und dann gehen wir wieder getrennte Wege. Klingt das nach einem Plan?"

Emma prüfte wie viel Munition in Jacks Gewehr waren und reichte es ihm dann.

"Kann jemand von euch mit einem Messer umgehen oder halbwegs kämpfen?", wandte sie sich an Silvia und Desmond. Desmond nickte und tippte dann an seinen Gürtel. Daran hing ein viel zu kleines Jagdmesser und Emma reichte ihm die rostige Machete, die sie dem Insani bei der Höhle abgenommen hatte.

"Am besten zielst du auf den Hals.", sagte sie, während sie die Munition der anderen Gewehre überprüfte.

"Ich komme auch mit.", schaltete sich Silvia jetzt ein. "Ich werde nicht einfach tatenlos rumsitzen, während mein Sohn von diesen Insani gefoltert wird. Außerdem kann ich kämpfen, wahrscheinlich sogar besser als..."

"Sei still Silvia.", fuhr Desmond sie an und Emma runzelte die Stirn.

"Du kannst also besser kämpfen als Desmond? Warum hast du das nicht gleich gesagt?" Silvia seufzte.

"Desmond mag es nicht wenn ich kämpfe, aber ich habe fünf Jahre lang Kampfsport gemacht und nur wegen ihm damit aufgehört."

"Was für Kampfsport?", frage Emma und lies Desmond und Jack keine Gelegenheit Einspruch einzulegen.

"Systema und Kraf Maga."

"Die ganze fiesen also, wie? Gib ihr die Machete Desmond."

Er gab sie ihr widerwillig und Emma nickte.

"Du bleibst immer in Jacks Nähe und warnst uns wenn jemand uns in den Rücken fallen will. Ich und Silvia übernehmen die Vorhut."

Jack lachte, als er Desmonds Gesicht sah und klopfte Emma auf die Schulter.

"Ich mag wie du denkst Kleine.", sagte er und ging dann auf Desmond zu.

"Nimms nicht so schwer Des. Anscheinend übernehmen die Frauen das. Neue Weltordnung und so. Muss man sich erst dran gewöhnen was?"

Desmond knurrte etwas dass Emma getrost ignorierte, dann schulterte sie das Gewehr.

"Dann los, worauf warten wir noch?"

Silvias Miene hatte sich verhärtet und in ihren Augen funkelte Entschlossenheit. Emma begann sie zu mögen. Auch ihr war bereits viel zu viel Zeit vergangen die sie nur herum standen und plauderten.

Die Spur war immer noch frisch und so folgten sie ihr fast den ganzen Tag hindurch. Emma wurde immer unruhiger umso weiter sie kamen und schließlich wurde es so dunkel, dass sie nicht mehr weiter konnten ohne die Spur zu verlieren. Jack schloss zu ihr auf, als sie stehen blieb. Sie hatte erneut die Fährte verloren und fluchte.

"Ich habe nicht erwartet dass sie so weit weg von ihrem Lager auf Jagd gehen.", sagt Jack und Emma nickte.

"Ich auch nicht. Ich vermute in der direkten Umgebung haben sie bereits alles abgegrast. Das bedeutet aber vermutlich auch dass sie mehr sind als nur ein Dutzend, wie ich gehofft hatte."

"Dass sie sich jetzt schon zu so großen Gruppen zusammen tun. Meinst du es wird schlimmer?"

"Ich glaube nicht." Ich vermute viel eher was auch immer dafür sorgt dass sie organisiert sind ist auch der Grund für ihre erhöhte Anzahl. Oder besser gesagt wer auch immer."

"Du meinst sie haben einen Anführer?"

"Vermutlich, auch wenn ich das bis jetzt bei denen immer für unmöglich gehalten hatte."

 

Dann los!

 

Sie schliefen die Nacht über auf einer kleinen Lichtung nicht weit entfernt von der letzten sichtbaren Spur und doch halbwegs vor Blicken verborgen, sollte jemand denselben Trampelpfad nutzen, den die Insani genommen hatten. Als Emma aufwachte, wurde es langsam wieder hell wurde, Jack wr bereits wach und saß auf einem der Felsen, die sie als Sichtschutz genutzt hatten. Er schaute auf etwas unter ihm, dass Emmas Blick noch verborgen war. Die Sonne warf erstes Licht an den Horizont und leichter Dunst lag zwischen den Gräsern. Als sie oben auf dem Felsen angekommen war, sah sie es.

Unter ihnen zirka hundert Meter entfernt erkannte sie auf einer freien hügeligen Wiese eine Gruppe Hütten. Sie kauerten sich ins hohe Gras und schwarze Punkte bewegten sich dazwischen. Jetzt vernahm sie auch einzelne Geräusche und Stimmen, die der Wind zu ihnen hinauf trug. Emma wusste nicht, ob sie froh oder verärgert sein sollte, dass sie die Ansammlung der Hütten nicht schon letzte Nacht ausgemacht hatten. Auf der einen Seite hätten sie im Schutz der Dunkelheit eindringen können und wären vielleicht sogar unbemerkt wieder entkommen, auf der anderen Seite hätten sie den Insani im Dunkeln auch geradewegs in die Arme laufen können.

Die Zeit lief ihnen davon. Was war, wenn sie Riley bereits ... Nein darüber wollte sie gar nicht nachdenken. Riley musste einfach noch leben.

„Dass wir bereits so nah sind, hätte ich nicht gedacht. Wir hätten sie im Schutz der Dunkelheit angreifen können.", riss Jack sie aus ihren Gedanken, und Emma zuckte zusammen. Sie nickte und zog das Gewehr vom Rücken, dass sie vorsichtshalber mitgenommen hatte. Über der Kimme war ein einzelnes Fernglas-Rohr montiert, dass Emma zu einem Zielfernrohr umfunktioniert hatte. Sie blickte hindurch.

Die Ansammlung Holzbauten bestand aus drei kleinen Lauben und einem Herrenhaus. Dahinter lag, zwischen wogenden Feldern eine Scheune.

Dazwischen liefen Insani umher was Emma daran erkannte, dass sie wild durcheinander liefen und nur wenig Disziplin an den Tag legten.

„Was siehst du?", fragte Jack und Emma reicht ihm das Gewehr.

„Ich vermute, Edmund ist in dem großen Haus, aber wir müssen an verdammt vielen von denen vorbei um da reinzukommen."

"Da, ich glaube, dass muss ihr Anführer sein", sagte Jack und reichte gab ihr das Gewehr zurück. Er zeigte in Richtung des Herrenhauses und Emma schaute durchs Fernrohr erneut aufs Lager der Insani hinab.

Plötzlich schienen die Männer und Frauen bei den Hütten gar nicht mehr unorganisiert, sondern versammelten sich vor dem Herrenhaus. Auf der Treppe, die zur hölzernen Veranda hinauf führte, stand ein Mann. Er trug einen breitkrämpigen Hut, sodass man sein Gesicht nicht sehen konnte, und auch der Rest seines Outfits war wie aus Western Kostümen zusammengestellt.

Ein ledernes Wams mit Zotteln am Saum bedeckte seinen Oberkörper, breitbeinige Cowboy Hosen und Cowboystiefel gaben dem ganzen den letzten Schliff.

„I am a poor lonesome Cowboy, hey ho, was?", witzelte Jack, doch Emma verfolgte immer noch konzentriert was Unten geschah.

Nachdem sich die Horde versammelt hatte, schien ihr Anführer eine patetische Rede zu halten, denn immer wieder warfen die Insani die Arme in die Luft, und das Grölen war bis zu Ihnen zu hören. Dann traten weitere Insani aus der Tür und Emma sog scharf die Luft ein.

Zwischen ihnen liefen ein kleiner Junge, nicht älter als zwölf schätzte sie, und Riley. Ihr rotes Haar war klar und deutlich zu erkennen. Sie humpelte zwar, doch schien wohlauf. Sie lebte, und Emma fiel ein Stein vom Herzen. Der Anführer der Insani trat zwischen die beiden Gefangenen, legte die eine Hand dem verängstigten Jungen auf den Kopf und die andere auf Rileys Bauch. Emma juckte der Finger am Abzug, doch wenn sie nicht traf hätte sie ihren Standort verraten, und auch so wären ihre Aussichten auf eine heimliche Befreiung vermutlich dahin. Außerdem war sie sich sicher, das der Anführer der Insani der einzige Grund war, warum die beiden Gefangenen überhaupt noch lebten.

Jack hatte ihren scharfen Atem scheinbar wahrgenommen und verlangte nach dem Gewehr. Emma ignorierte ihn und beobachtete wie der Anführer im Cowboy-Look Riley und Edmund unter die Insani führte. Sie rührten sie nicht an, doch so wie sie sich gebarten, war es offensichtlich, dass nur der Cowboy sie daran hinderte die beiden auf der Stelle zu zerfleischen. Sie hatte also recht. Er hatte sie unter Kontrolle, auch wenn Emma nicht wusste wie er das anstellte, war sie doch froh darüber. Es würde für sie einiges schwerer machen, doch es gab ihnen auch die Zeit, einen vernünftigen Plan auf die Beine zu stellen. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bevor die beiden wieder ins Herrenhaus geführt wurden. Eine Ewigkeit, in denen die Insani wie wild geworden um die beiden Gefangenen herum rannten und teuflisch zu tanzen schienen. Danach sagte der Anführer noch ein paar Worte, doch Emma gab das Gewehr ab und stieg ohne ein Wort an dem fragend blickenden Jack vorbei vom Stein hinunter. Desmond und Silvia waren mittlerweile aufgestanden, und Desmond wirkte noch sehr verschlafen. Silvia sah aus, als hätte sie gar nicht geschlafen. Sie erwartete Emma bereits als sie zu ihm hinunterkam und ihr Schweigen stellten tausend Fragen. Emma versuchte die dringendsten davon zu beantworten:

„Wir sind bereits näher als wir dachten. Das Lager der Insani liegt wenige hundert Meter von hier. Edmund lebt noch, aber ich weiß nicht wie lange noch. Ich hätte lieber bis Einbruch der Nacht gewartet, aber wir haben bereits eine verschwendet, also ..."

Den Rest ließ sie offen, und Desmond fragte mit vollem Mund

„Eor löebt?„

Bei ihm war es nicht halb so niedlich wie bei Riley und Emma verzog das Gesicht.

„Ich habe Edmund und den Anführer der Insani gesehen. Er ist meines Erachtens der einzige Grund, dass euer Sohn überhaupt noch lebt."

Silvia nickte und Emma fuhr fort:

„Wir müssen taktisch vorgehen, aber wir können auch nicht riskieren noch mehr Zeit mehr verlieren. Wir solllten etwas esse, dann geht es los."

Sie aßen ein dürftige Frühstuck aus Beeren und Konserven, doch Emma bekam kaum etwas hinunter. Als Jack sich zu ihnen gesellte, beschloss sie ihn etwas auszufragen. In ihrem Kopf setzte sich bereits ein Plan zusammen, doch sie musste wissen, zu was der Alte fähig war, bevor sie ihre Hoffnungen in ihn setzte. Er erzählte, dass er aus Ohio kam und als Jäger gearbeitet hatte bevor alles anfing. Was er dazwischen getan hatte, zwischen dem Anfang vom Ende und jetzt, ließ er so vage, dass Emma sich sicher war, dass er irgendetwas verbarg. Er wich ihren Fragen geschickt aus und schließlich gab sie es auf.

„Na gut", sagte sie schließlich betont gelassen, obwohl sie sich überhaupt nicht so fühlte.

„Genug geredet! Wir müssen los."

Silvia stand sofort auf, auch sie hatte nicht viel gegessen. Desmond war immer noch mit Essen beschäftigt und Emma ermahnte ihn mit einem strengen Blick.

„Was? Willst du mir jetzt auch noch vorschreiben wie lange ich esse?"

„Bitte Desmond, sie versucht doch nur zu helfen", versuchte Sylvia ihn zu beruhigen.

„Sei still Weib. Ich lasse mich doch nicht von einem Mädchen herumkommandieren."

Er trat einen Schritt auf Emma zu und hob drohend die Faust.

"Hatt sie überhaupt einen Plan wie wir an all den Insani vorbei kommen sollen. Wir sind nur zu viert und nur zwei von uns können mit Waffen umgehen."

Emma machte ebenfalls einen Schritt auf ihn zu und ließ ihre Muskeln spielen.

"Drei, unterschätz deine Frau lieber nicht und ich habe in der Tat eine Plan."

„Pass auf wie du mit mir umspringst Kleine, oder ..."

"Was oder", fuhr Jack ihn jetzt an.

„Du verprügelt sie so, wie du es mit Edmund tust?"

Emma begann sich zu fragen, ob sie sich über den falschen der beiden Männer Sorgen gemacht hatte.

Jack packte Desmond am Kragen doch Silvia ging dazwischen.

„Er hat es verstanden Jack."

„Ach ja", fragte dieser nur, ließ Desmond aber wieder los. Emma seufzte.

„Wir haben keine Zeit für so was. Wenn wir euren Sohn lebend befreien wollen, müssen wir jetzt los. Geht das für dich in Ordnung Desmond?"

Er brummte nur, schien sich aber wieder beruhigt zu haben.

Sie folgten dem Pfad, bis sie einen passablen Abstieg ins Tal gefunden hatten. Der Wald lichtete sich und wich offenem Geröll, dass jedes Weiterkommen erschwerte und ihnen so gut wie keinen Sichtschutz bot. Emma führte die anderen von Stein zu Stein und versuchte möglichst unauffällig voranzukommen, was in der Gruppe fast unmöglich war. Endlich hatten sie den Abstieg geschafft und traten wieder zwischen Bäume, was Emma ein wenig Entspannung verschaffte und auch die anderen sichtlich zu erleichtern schien. Die Stämme standen enger als Oben und sie konnten sich ungesehen bis auf hundert Meter an die Ansammlung von Gebäuden heranschleichen.

Nach einiger Zeit gab Jack ein Zeichen. Sie hielten an und Emma schloss geduckt zu ihm auf.

„Ein Vorposten", flüsterte er und deutete auf zwei Insani, die zwischen den Bäumen herumlungern.

„Du nimmst den Rechten", flüsterte sie zurück und schlich los. Jack erreichte den Mann, ohne aufzufallen und auch Emma schafft es nah genug heran, um dem Insani eine Hand auf den Mund zu legen. Sie stach mit dem Messer zu, bevor er Gelegenheit hatte sich zu wehren und sah wie Jack es ihr gleich tat. Er verfehlte allerdings den Hals des Mannes um wenige Milimeter und wurde zurückgestoßen. Emma zog das Messer aus dem Hals des Toten und sprintete zu ihm. Der Insani wollte gerade schreien, doch die Laute gingen in einem Gurgeln unter, als Emmas Klinge unter dem Adamsapfel in seinen Hals eindrang.

„Was war das denn?", fragte sie in Jacks Richtung, während sie ihr Messer vom Blut säuberte.

Sein bleiches Gesicht, war Antwort genug.

„Warum hast du nicht gesagt, dass du das nicht kannst? Jeder hätte Verständnis dafür wenn du ..."

„Ach ja? Verständnis wofür? Dass ich zum Töten nicht zu gebrauchen bin? Kurzes Update Tammy, wer nicht tötet wird getötet, so ist das jetzt nunmal und scheiß die Wand an, ich werde heute sicher nicht ins Graß beißen."

Emma nickte.

„Dann triffst du das nächste Mal besser."

Jack lachte trocken auf.

„Ach so, darauf wäre ich gar nicht gekommen."

Es war gut zu wissen, dass er seinen Sinn für Humor noch nicht verloren hatte, dachte Emma und ging weiter.

Jack schloss wieder zu Ihr auf und begann nach einer halben Minute Weg sich zögernd zu entschuldigen.

„Hör zu Tami, ich kann gut schießen, aber einen Hirsch auszunehmen ist etwas anderes als kaltblütig Menschen abzustechen."

„Jack, du brauchst dich nicht zu entschuldigen."

"Doch das muss ich. Ich soll euch doch den Rücken gedeckt halten, wenn ihr da reingeht, oder?. Aber im Nahkampf bin ich nicht wirklich zu gebrauchen also ..."

„Keine Sorge, ich werde das nicht noch einmal von dir verlangen."

Jack nickte.

„Wo hast du eigentlich gelernt so zu kämpfen? So mit Waffen umzugehen und so."

Emma zögerte kurz beschloss dann aber, dass es nicht schaden konnte es ihm zu erzählen.

„Militärakademie Thomson. Ich konnte meine Ausbildung nicht abschließen aber alles, was ich nicht gelernt habe, hat mir die Erfahrung hier draußen beigebracht." Jack nickte wieder, stellte allerdings keine weiteren Fragen. Dann wurden die Bäume immer weniger und schließlich hatten sie die freie Fläche erreicht, auf der die Ansammlung von Hütten stand, die den Insani als Unterschlupf diente. Emma sah sich nach einer erhöhten Position um, von der aus Jack das Herrenhaus gut im Blick hatte und sah einen alten Jägerhochstand, der noch einigermaßen intakt zu sein schienen. Jack sah ihn zeitgleich und lächelte.

„Da werden Erinnerungen wach", sagte er, doch Emma legte den Finger an die Lippen und deutete auf den Hochstand. Ein Insani stand darin, schien sie allerdings noch nicht entdeckt zu haben.

„Ich mache das", flüsterte Emma und schlich im Schatten der Bäume näher. Vorsichtig kletterte sie die Leiter hinauf und biss sich auf die Unterlippe, als eine der Stufen verräterisch knarrte. Emma begann, schneller zu klettern und kurz bevor sie oben angekommen war, steckte der Insani den Kopf durch die Luke. Sie nahmen die letzten beiden Sprossen auf einmal und griff nach seiner Kleidung. Emma zog daran, er verlor den Halt und riss sie mit herunter. Sie drehten sich während dem Fall, und Emma landete auf ihm. Es knackte als der Insani auf dem Boden aufkam, und er regte sich nicht mehr, als sie aufstand. Er musste sich beim Sturz das Genick gebrochen haben.

Jack kam mit Besorgnis im Blick angelaufen und in einigem Abstand folgten Silvia und Desmond.

„Alles okay", sagte Emma bevor die drei Fragen stellen konnten und machte einen eine einladende Geste, in Richtung des Hochstandes.

„Der Ausguck ist ganz ihrer Jack", sagte sie und begann dann den Toten ins Unterholz zu ziehen. Jack half ihr und ging dann zum Hochstand hinüber. Bevor er nach den Sprossen griff, reichte Emma ihm das Gewehr mit dem Scope und sagte:

„Ich will es wieder haben, also pass gut darauf auf. Du schießt auf jeden der sich der Scheune nähert, wenn wir erstmal im Haus sind, bin ich auf mich allein gestellt, also denk gar nicht daran uns zu folgen."

Jack nickte, dann verschwand er durch die Luke nach Oben und Emma wandte sich den beiden anderen zu.

„Desmond, dir wird das nicht gefallen, aber du bliebst hier und warnst uns mit einem Pfiff, wenn zu viele von denen ins Haus gehen. Ich verlasse mich auf dich. Wenn alles glattläuft, sind wir vor Sonnenuntergang zurück. Falls etwas anderes unerwartetes passieren sollte warnst du uns ebenfalls mit einem Pfiff. Aber komm nicht auf die Idee uns nachzugehen. Ich will, nicht dass einer von uns unnötigerweise stirbt."

Desmond protestierte zwar nicht, doch Emma merkte, dass ihm das ganze missfiel. Sie wäre ja selber nicht glücklich darüber als einzige zurückzubleiben.

„Am besten versteckst du dich zwischen den Bäumen."

Desmond nickte und hockte sich zwschen zwei Birken, von wo aus er die Hütten im Blick hatte.

Emma musste zugeben, das der Plan nicht perfekt war, aber etwas besseres war ihr auf die Schnelle nicht eingefallen und sie hoffte einfach den Überraschungsmoment auf ihrer Seite zu haben. Schließlich wandte sie sich Silvia zu.

„Du kommst mit mir. Bereit?"

Die Frau umklammerte so heftig die rostige Machete, dass ihre Fingerknöchel weiß hervortraten, nickte jedoch und die Entschlossenheit in ihren Augen war noch stärker geworden.

„Dann los!", sagte sie nur und die beiden machten sich auf den Weg.

 

Bekannter Wahnsinn

 

Emma und Silvia, bewegten sich gebückt vorwärts, sodass ihnen die hohen Gräser um das Anwesen genug Schutz boten, ungesehen voranzukommen.

Es wogte und säuselte um sie herum und weder Silvia noch Emma sprachen ein Wort, bis sie bei der Scheune angekommen waren.

„Wie heißt sie?", fragte Silvia plötzlich und Emma drehte sich erstaunt zu ihr um. „Wer?"

„Deine Freundin. Sie war bei den Insani, die Edmund entführt haben. Die Rothaarige, richtig?"

Emma seufzte.

„Riley. Wissen die anderen davon?"

Silvia zuckte die Schultern.

„Ich weiß nicht, vielleicht haben sie sie für eine von denen gehalten.

Aber ich erkenne eine Schwangere, wenn ich sie sehe."

Emma bis die Zähne aufeinander und versuchte die aufkommenden Gefühle zu unterdrücken.

Es gelang ihr nicht.

„Wir hätten fliehen sollen, an dem Abend wo ich die Hütte gefunden habe. Sie war voller Leichen, aber ich dachte nicht, das sie noch in der Nähe sind.

Ich wollte, doch nur dass sie sich noch ein Nacht ausruhen kann. Nur diese eine Nacht", brach es aus ihr heraus.

Jetzt kamen die Tränen, die sie die ganze Zeit so erfolgreich zurückgehalten hatte. Ausgerechnet jetzt, wo Riley schon so nah war. Silvia nahm sie in den Arm, bis die Tränen versiegten. Dann straffte Emma die Schultern und versuchte sich wieder zusammenzureißen.

„Na komm", ermunterte Silvia sie dann.

„Wir befreien die beiden und dann stellst du mir deine Freundin vor, okay? Ich bin schon gespannt sie kennenzulernen."

Emma nickte und wischte sich das Gesicht trocken.

„Danke", mehr brachte sie nicht heraus. Silvia ging um sie herum und späte an der Scheune vorbei.

„Ich glaube der Weg zur Hintertür ist frei."

Emma schniefte ein letztes Mal, dann macht Silvia ihr Platz und Emma schaute ebenfalls um die Ecke. Silvia hatte recht, zwischen ihnen und der niedrigen Treppe zur Hintertür, waren keine Insani zu sehen. Auch sonst, war es eigenartig still um sie herum.

„Das gefällt mir nicht", murmelte Emma. Doch ihr blieb keine Zeit sich darüber Sorgen zu machen, denn in diesem Moment vernahm sie die Schreie.

Sie kamen aus dem Herrenhaus und waren gedämpft, als würden sie aus dem Keller zu ihnen empor dringen. Man musste sie trotzdem bis zum Waldrand hören können.

Emmas Muskeln verkrampfen sich und ein Kloß stieg in ihre Kehle. Es war eindeutig Rileys Stimme. Sie hätte sie überall wiedererkannt. Auch jetzt, da sie von Schmerzen verzerrt war. Emma lief los, bevor Silvia sie aufhalten konnte und die Frau folgt ihr wohl oder übel. Emma erreichte die Hintertür und zog Messer und Pistole, dann drückte sie das knarzende Holz, langsam nach innen. Die Tür war offen und jetzt war Emma sich fast sicher, dass sie in eine Falle liefen. Es war ihr egal. Rileys Schreie erreichten ein Crescendo und brachen dann erstickt ab. Sie kamen eindeutig aus dem Keller und Emma späte den Gang entlang der hinter der Tür lag. Auch hier war niemand zu sehen doch Emma schlich weiter. Sie hörte wie Silvia ihr folgte und die Tür leise hinter ihnen schloss.

An den Wänden hingen alte Ölgemälde und verstaubte Teller, doch Emma nahm die Einrichtung kaum wahr. Sie bog nach links ab und erspähte am Ende des Ganges eine Treppe, die nach oben führte. Sie war mit grauem Teppich versehen, wie auch der Gang. Rechts davon, führte ein weiterer Flur tiefer ins Haus. Emma bog ab und stand kurze Zeit später, in der ausladenden Empfangshalle des Herrenhauses. Zwei Treppen führten ins Obergeschoss, eine über dem Gang aus dem sie gekommen war, eine ihr gegenüber auf der anderen Seite der Halle. Unter der Balustrade, auf welcher die Stufen zusammen führten, stand ein Tisch. Er war mit Tellern und Tassen gedeckt und in den feinen Porzellantassen, dampfte ein heißes Getränk.

Am Tisch saß der Cowboy und führte gerade die Tasse zum Mund. Er pustet, nahm einen Schluck und stellte sie dann wieder auf dem Unterteller ab. Er sah Emma an, die erst gar nicht versucht sich zu verstecken und lächelte.

„Du musst Emma sein. Was für eine Freude dich endlich zu treffen. Deine Freundin hat mir viel von dir erzählt. Willkommen in meinem bescheidenen Heim!"

Emma trat mit erhobener Waffe weiter ins Zimmer. Die ganze Situation war so bizarr, dass sie fast vergessen hätte, warum sie hier war. In alten Zeiten, hätte man sich jetzt wohl zum Kaffeetrinken gesetzt und höfliche Begrüßungen ausgetauscht, aber die Schreie ihrer Freundin klangen Emma immer noch in den Ohren und sie unterschätzte nicht eine Sekunde die Gefahr, die von diesem Mann ausgehen musste. Der Cowboy, hatte langes, glänzend-schwarzes Haar und einen Schnauzer, der ihn fast freundlich wirken ließ. Wären da nicht die stechend blauen Augen gewesen, die Emma einen Schauer über den Rücken jagten.

„Was hast du mit ihr gemacht", wollte sie wissen und der Cowboy nahm noch einen Schluck Kaffee bevor er antwortete. „Oh, die viel spannendere Frage ist doch, was wir noch nicht alles mit ihr gemacht haben."

Er redete nicht wie die anderen Insani und doch lag etwas in seinem Tonfall, dass wie Belustigung und Schadenfreude zugleich klang.

„Wir haben sie noch nicht getötet, falls du dir darüber Sorgen machst."

Jetzt nahm Emma Bewegungen, auf der Balustrade über ihr, war.

Dort stand eine ganze Reihe Männer, ihre Gewehre auf sie gerichtet. Der Cowboy wedelte mit der Hand.

„Beachte sie gar nicht, nur eine kleine Vorsichtsmaßnahme. Setz dich, ich habe viel mit dir zu bereden."

Emma machte keine Anstalten seiner Aufforderung zu folgen und beäugte misstrauisch die Insani auf den oberen Rängen. Der Cowboy seufzte. „Wenn sie dir so große Sorgen machen, leg doch die Waffe weg Kind. Dann weise ich sie an nicht mehr auf dich zu zielen. Emma zögerte kurz. Ihr Verstand sagt ihr zwar, dass er die Insani unter Kontrolle hatte, ihr Bauchgefühl jedoch etwas ganz anderes.

„Lauf weg", schrie es. Emma ignorierte die Warnun. Langsam ließ sie die Waffen sinken und trat an den Tisch.

Sie ließ die Pistole auf das Porzellan fallen und sah zu wie das Geschirr zersprang, das Messer behielt sie in der Hand. Schwarze Flüssigkeit breitete sich über das weiße Tischtuch aus. Emma mochte keinen Kaffee, er schmeckt ihr einfach nicht.

„Nehmt die Waffen runter", befahl der Anführer der Insani und tatsächlich folgten die Männer auf der Balustrade seinen Anordnungen. Emma hätte es nicht für möglich gehalten, wenn sie es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte.

„Warum gehorchen sie dir? Du bist keiner von ihnen und ich habe noch nie erlebt, dass sie so zusammenarbeiten."

Emma wusste, dass er keiner von ihnen war und doch wartete sie immer noch darauf, dass er im nächsten Moment aufsprang und sich teuflisch gebar, wie alle Insani. Sie war es gewohnt, dass sie übereinander herfielen, nur dann geeint, wenn ein gemeinsamer Feind vor ihnen stand. Das hier war ganz und gar ungewöhnlich.

„Nun sie sind immer noch Menschen", hob der Cowboy an.

„Auch wenn viele das nicht wahrhaben wollen und selbst sie, ...", er machte eine Kunstpause und schloss dann mit einem einzelnen Wort:

„wollen."

Emma runzelte die Stirn.

„Natürlich wollen sie. Am liebsten Verstümmeln, Töten und Zerfleischen, zumindest nach meinen Erfahrungen."

„Siehst du!"

Der Cowboy hob triumphierend den Zeigefinger.

„Und da liegt der Hund im Pfeffer begraben, oder wie auch immer man sagt. Finde heraus was die Menschen wollen und sie fressen dir aus der Hand.

Du wolltest deine Freundin befreien und ich wollte euch beide hier haben, also brachte ich Riley her. Eine Win-win-Situation findest du nicht?"

Emma verzog das Gesicht.

„Für deine neuen Freunde gilt übrigens das Gleiche. Schade, dass du sie nicht mitgebracht hast. Anscheinend habe ich die gute Silvia falsch eingeschätzt."

Emma sah sich zur Tür unter der Treppe um. Stimmt, wo war eigentlich Silvia?

Der Cowboy hatte ihren Blick bemerkt und lächelte verzückt.

„Sie sind also doch hier. Was für eine Freude."

Er klatschte in die Hände und beugte sich vor.

„Ihr lieben, komm doch zu uns", rief er dann und als nichts geschah:

„Sucht Sie, stellt das ganze Haus auf den Kopf, aber bringt sie mir lebend."

Ein Geräusch kam von der Balustrade wie das Fiepen von Ratten.

Die Insani setzten sich in Bewegung und nur zwei von ihnen blieben auf der Ballustrade zurück.

Emma überlegte, ob sie schnell genug war, um ihre Waffe zu greifen, bevor die Männer auf der Balustrade sie erschießen konnten. Ihre Chancen standen fünfzig zu fünfzig, vermutete sie. Vielleicht auch ein bisschen besser, da der Cowboy sie anscheinend lebend haben wollte.

Was hatte er gesagt?

„Gib den Menschen was sie wollen und sie fressen dir aus der Hand."

Vielleicht war es Zeit herauszufinden, was der Cowboy eigentlich von ihr wollte. Doch sie kam nicht dazu, die Frage zu stellen, denn der Anführer der Insani sprach bereits weiter.

„Also, wo waren wir? Ach ja! Was meine Freunde wollen. Nun ja du hast natürlich recht, zuerst einmal Töten, Zerfleischen und dergleichen, aber wieso eigentlich? Und die viel wichtigere Frage: Was zerfleischen sie am liebsten?"

Emma schluckte. Ihr gefiel gar nicht in welche Richtung sich das Gespräch entwickelte.

"Du hast gesehen, was wir in der Hütte zurückgelassen haben, also nehme ich an du weißt es, richtig?"

Die Stille der Pause war ohrenbetäubend. „Kinder!"

Das ließ er erst einmal so stehen und jetzt setzte Emma sich doch. Besser gesagt, pumpste sie in den Stuhl, dem Anführer gegenüber.

Sie fuhr sich mit den Händen durchs Haar. Der Cowboy war eindeutig wahnsinnig.

Nicht wie die Insani, nicht wie "seine Freunde", wie er sie nannte.

Nicht wahnsinnig durch die Stimmen, sondern das ganz altmodische, Wansinnig durch Wahnsinn.

Er sorgte für Nachschub, deswegen fraßen die Insani ihm aus der Hand. „Und damit, kommen wir auch schon zum wichtigsten Teil. Schau, es wird immer schwerer ihnen das zu liefern, was sie bei der Stange hält und langsam tanzen mir diese Strolche auf der Nase herum. Wir haben den kleinen Edmund, sicher, aber auch er wird nicht lange herhalten. Es sind einfach zu viele von ihnen. Ich brauche eine langfristige Lösung für mein Problem.

Was wir brauchen ... „, er machte wieder eine Pause.

„und da kommt ihr ins Spiel", er deutete auf Emma und dann einmal kreisrund durch die Halle.

", du, Silvia und deine Freundinn Riley."

Emma graute bei der dunklen Vorahnung die sie jetzt durchflutete,

„ist stetigen Nachschub", schloss er.

„Das allerwichtigste ist die Hilfe beim Entbinden. Was nützt mir schon ein toter Fötus."

Emma konnte es nicht fassen.

Wie gelassen er bei dieser Aussage blieb.

Sie sackte etwas in sich zusammen.

Wo waren sie da nur hineingeraten?

Emma stand mit wackligen Beinen auf und starrte den Cowboy entgeistert an.

„Also? Was sagst du meine Liebe?"

Emma straffte die Schultern und musste lachen, ein Lachen, der Absurdität seines Vorschlags geschuldet, kurz und trocken.

„Niemals", stieß sie dann hervor.

„Ihr wollt, dass wir euch Kinder gebären? Sie selbst entbinden und dann tatenlos dabei zusehen wie ihr sie der Reihe nach foltert und ermordet? Ich dachte bereits, das schlimmste, Menschen erdenkliche erlebt zu haben, aber das übertrifft alles. Wie kommt ihr überhaupt darauf, dass irgendeine Frau da mitmachen würde?" Der Cowboy seufzte und griff nach der Kanne um sich Kaffee nachzuschenken. Er wollte gerade antworten, doch Emma war noch nicht fertig.

„Und wofür das ganze? Damit ihr in eurer Villa sitzen könnt, Kaffee trinkt und euch als Gott über diese Insani aufspielen dürft? Ihr seid ganz eindeutig wahnsinnig."

Das schien den Cowboy doch sichtlich zu verärgern. Er stellte die Tasse so energisch ab, dass Kaffee überschwappte. Dann beugte er sich vor und seine Augen wurden zu Schlitzen. Seine Stimme war nur noch ein Zischen:

„Nenn einen wirklich Wahnsinnigen niemals wahnsinnig, er könnte auf dumme Gedanken kommen."

Dann wurde seine Stimme wieder sanfter und erneut breitete sich dieses viel zu nette Lächeln auf seinem Gesicht aus.

„Es gibt noch ein anderes Geheimrezept, um Menschen dazu zu bringen, dass zu tun was man von ihnen will. Es nennt sich Zuckerbrot und Peitsche. Das Zuckerbrot habe ich bereits versucht", und er deutete auf den gedeckten Tisch.

„Die Peitsche wiederum, kann die süße Riley das Leben kosten und dich den Verstand. Denn du würdestt dabei zusehen, wie wir sie langsam zu Tode foltern. Es wäre natürlich schade um die kleine Rothaarige, aber eine Zuchtstute ist besser als keine, wie mein Vater, Gott erbarme sich seiner Seele, immer gesagt hat. Es wäre zudem auch viel aufwendiger und ich würden keinen großen Spaß dabei haben, auch wenn du bestimmt bereits anderes von mir denkst."

Emma hatte genug von all dem. Außerdem hatte sie mittlerweile entdeckt, dass die Treppe hinter dem Cowboy, nach unten zu führen schien, in den Keller.

In dem Moment, wo sie nach Vorne hechten wollte, kam von oben ein Geräusch. Auf der Balustrade tat sich etwas.

„Was ist ..."

Weiter kam der Wahnsinnige nicht, der sich als Cowboy verkleidet hatte. Er wollte sich gerade, immer noch mit Kaffeetasse in der Hand, seinen Männern zuwenden, als Etwas oder besser gesagt Jemand, über das Geländer der Balustrade segelte.

Dann kracht einer der Insani auf den Kaffeetisch und begrub das Porzellan unter sich. Das Holz barst und Emmas Waffe ging darunter verloren. Silvia tauchte am Geländer auf und rief etwas. Dann wurde sie nach hinten gerissen, doch Emma hatte nur noch Riley im Kopf. Außerdem hatte sie auch ohne Silvias Worte verstanden, dass dies ihre einzige Gelegenheit sein würde. Bevor der Cowboy sich wieder gefasst hatte, sprang Emma über die Reste des Kaffeetisches und rammte ihm den Ellenbogen vor die Brust. Alle Luft wich hörbar aus seinen Lungen, er ging zu Boden und Emma setzte über ihn hinweg Richtung Treppe.

 

 

 

 

Echter Glückstreffer

 

Riley erwachte von einem besonders starken Boxer des Lebewesens, dass da in ihr immer kräftiger wurde. Jeden Tag merkte sie, wie es größer wurde, stärker und lebhafter. Sie war sich inzwischen sicher, dass es ein Junge werden würde. Sie wusste es einfach.

"Ich weiß. Ich ja auch.", raunte sie ihrem Bauch zu.

"Aber glaub ja nicht, dass es jetzt jeden Morgen Schokolade zum Frühstück gibt." Sie wandte sich vorsichtig aus Emmas Umarmung. Sie wollte sie nicht wecken, musste aber lächeln, als sie sie so friedlich schlafen sah. Es war der einzige Moment, in dem nicht der Schatten auf ihrem Gesicht lag, den Riley so gerne von ihrer Seele genommen hätte. Er begleitete ihre Freundin, seitdem sie aus dem Fort geflohen waren. Damals, als ihre kleine heile Welt zusammengebrochen war. Seitdem schlug er immer tiefere Wurzeln in Emmas Herz, das spürte Riley. Ihre ehemals so herzliche Freundin war kalt geworden, auch wenn sie es vor Riley zu verstecken versuchte. Doch dafür kannten sie sich bereits zu lange. Sie waren seit jeher beste Freundinnen gewesen und seit gestern Abend ... Nun ja, sie wusste es selber noch nicht so genau. Wenn sie an ihren Kuss von letzter Nacht dachte, schlug ihr Herz einen Purzelbaum. Riley machte sich über die Schokolade her, ließ allerdings extra einen Riegel für Emma übrig und verstaute ihn wieder in ihrem Rucksack. Dann schlich sie aus der Höhle Richtung Fluss.

Sie wusch sich Gesicht und Hände und vernahm dann ein leises Knacken von der anderen Seite des Wassers. Ihr gegenüber stand ein kleiner Junge nicht älter als zwölf und starrte sie an. Seine braunen Haare fielen ihm in die Stirn. Dann weiteten sich seine Augen und er machte kehrt, rannte so schnell die Böschung hinauf, wie ihn seine kleinen Beine tragen konnten.

"Hey.", rief sie ihm hinterher.

"Ich tue dir doch nichts."

Dann sah sie, wovor der kleine Angst wirklich Angst gehabt hatte.

Ein Schatten fiel auf das Laub um sie herum und im nächsten Moment drückte jemand ihr die stinkende Hand auf den Mund. Sie wollte schreien, beißen, um sich schlagen, doch der Mann hinter ihr drehte Riley den Arm auf den Rücken und war zudem stärker als sie. Emma hatte ihr zwar beigebracht, wie man sich aus allerlei Griffen befreite, doch in ihrer Panik wollte keiner der Tricks ihr mehr einfallen.

"Still, leise, ohne Hasst, ist doch Spiel, ist doch Spaß.", säuselte es in ihr Ohr und Riley versuchte nach hinten auszutreten. Sie traf etwas, doch hinter ihr kicherte es nur und sie merkte, dass es ein Baumstumpf gewesen war. Dann wurde sie zur Seite gerissen und ein Mann trat in ihr Blickfeld. Er trug einen Cowboyhut und lächelte sie freundlich an.

"Oh, wen haben wir denn da? Ein echter Glückstreffer will ich meinen."

Riley runzelte die Stirn, er sah gar nicht aus wie die Insani sonst. Er wirkte zivilisiert und freundlich, doch das Glitzern in seinen stechend blauen Augen war ihr unheimlich.

 

"Fesselt sie. Und ihr drei schaut euch die Höhle an. Vielleicht findet ihr ja noch Vorräte."

Jetzt bemerkte Riley, dass überall im Wald Gestalten herum schlichen und mehr als drei Insani sie umringten. Sie wurde gefesselt und geknebelt und gab dumpfe Laute von sich, als sie die Insani unsanft in Richtung Wald zogen. Der Mann mit dem Cowboyhut folgte ihnen und lächelte immer noch dieses erschreckend nette Lächeln.

 

Als sie keine zwanzig Meter im Wald waren, jedoch bereits so weit, dass man die Höhle nicht mehr sah, fielen Schüsse. Rileys Herz zog sich zusammen.

Wenn sie bis jetzt Angst gehabt hatte, kam jetzt auch noch Verzweiflung hinzu. War das Emma oder die Insani, die da schossen? Der Mann mit dem Cowboyhut nahm dem Insani die Stricke ab, an denen er Riley führte und zog ein großes langes Messer. Riley wurde bleich. Was hatte er vor? Der Mann mit dem Cowboyhut setzte die Spitze des Messers auf ihren Bauch und blickte ihr direkt in die Augen.

"Ich nehme dir jetzt den Knebel ab, du sagst mir, wer da oben ist, und hüte dich davor, mehr zu sagen oder lauter zu sprechen als nötig. Es wäre sehr schade darum, aber glaube nicht ich hätte Skrupel, dass Kind in deinem Bauch zu töten."

Sie nickte und der Kleine in ihr trat um sich. Ihr wurde fast schlecht vor Angst. Dieser als Cowboy verkleidete Irre war genauso verrückt wie seine Leute, da war sie sich sicher. Sie hatte keine Zweifel, dass er jedes Wort ernst meinte. Er nahm ihr den Knebel aus dem Mund und erst brachte sie kein Wort heraus. Dann nahmen sie all ihren Mut zusammen und sagte:

"Meine Freundin, das ist meine Freundin Emma.", und weil ihre Stimme nicht ganz so kläglich klang, wie sie sich fühlte, fügte sie hinzu:

 

"Und wenn ihr mich nicht sofort gehen lasst, wird sie euch alle töten."

Der Mann mit dem Cowboyhut grinste hämisch und schob ihr wieder den Knebel in den Mund.

 

"Darauf verlasse ich mich.", sagte er nur und zog Riley tiefer in den Wald hinein. Dabei sagte er zu einem der Insani, die ihn immer noch folgten:

"Sorgt dafür, dass sie sich zurückziehen. Und dann besorgen wir uns noch den Jungen."

Nahender Wahnsinn

 

Sie liefen nicht allzu lange, doch die Sonne stand bereits hoch am Himmel, als sie eine kleine Holzhütte erreichten. Es musste die Hütte sein, in der Emma gestern die Schokolade gefunden hatte. Riley war froh, als sie zügig daran vorbei gingen. Plötzlich blieb der Cowboy stehen und legte den Kopf in den Nacken. Auch die beiden Insani mussten plötzlich Grinsen und einige johlten sogar. Dann spürte Riley es auch. Stimmen. Manche laut, manche leise, doch alle ganz klar, nicht natürlich. Sie verdrängten jeden Gedanken aus ihrem Kopf und brachte alte verdrängte Bilder an die Oberfläche. Erst nur die Nonnen mit den Stöcken, dann die Leichenberge am Fort. Schwarzer Rauch stieg von ihnen empor und Krähen pickten an glasigen Augen. Dann die Insani, wie sie Cady an den Haan zerrten, ihre Schreie und die Blutlache die unter der Tür hervor quoll. Riley wollte schreien, wegrennen, bloß weg von diesem Stimmen, die immer mehr Bilder erschufen. Dinge, die sie gar nicht so erlebt hatte:

Insani die mit Leichenbeinen auf Cady einprügelten. Dann Emma...

Nein, das war zu viel. Sie riss sich los und rannte. Sie rannte und rannte, bis wieder Ruhe in ihren Kopf einkehrte. Riley fiel erschöpft zu Boden. Sie merkte, dass sie weinte, und wischte sich Tränen und Haare aus dem Gesicht. Der Mann mit dem Cowboyhut trat neben sie und reichte ihr ein Taschentuch.

"Lerne, es auszuhalten, dann macht es dich stärker.", sagt er zu Riley und wartete, bis sie sich die Nase geputzt hatte.

Einer der Insani, die vor ihnen gegangen waren, kam durch die Bäume auf sie zu. "Der Junge, klein, fein, hatt Sorgen dabei." Stieß er außer Atem hervor. Der Anführer mit dem Cowboyhut schien sofort zu verstehen, was der Ankömmling meinte und wandte sich zu den anderen um. "Schnell jetzt, schnappt euch den Jungen, aber lasst die Frau am Leben. Was mit dem anderen passiert, ist mir egal."

Die Insani bewegten sich leise fort und der Mann mit dem Cowboyhut ließ sie in Obhut zweier Männer, die mit ihr bis zum Rand einer Lichtung gingen, auf der die Frau, der Junge und die anderen sich scheinbar aufhielten. Dann sah sie sie. Es war der Junge vom Fluss, zwei Männer, einer mit grüner Jeans und Weste und der andere in lederner Kleidung und einem Pullover. Die Frau war etwas älter als Riley und trug ebenfalls Leder. Riley wollte rufen, um die vier zu warnen, bekam durch den Knebel aber nur ein undeutliches Brummen hervor. Der Insani neben ihr warf sie unsanft auf den Boden und trat nach ihr. Sie schaffte es, die Beine anzuziehen, sodass er nur ihr Schienbein erwischte. Es trat trotzdem weh und sie sog scharf die Luft ein. Zumindest versuchte sie es, verschluckte sich jedoch am Knebel und begann zu husten. Doch es verschaffte ihr endlich die Aufmerksamkeit der Leute auf der Lichtung. Jetzt kam Bewegung in die Gruppe. Riley sah nicht mehr was geschah, denn der Insani neben ihr trat sie erneut und diesmal traf er ins Schwarze.

Riley hatte verfolgen wollen, was auf der Lichtung geschah und so erwischte er sie mit voller Härte im Bauch. Ihr Kopf wurde nach hinten gerissen und krachte unsanft gegen einen Baumstumpf. Ihr wurde schwarz vor Augen und als sie wieder aufwachte, war es schon fast dunkel geworden. Die Sonne hatte sich bereits hinter den Horizont zurückgezogen und ein einzelner roter Streifen Licht hing noch zwischen den Bäumen. Er schwankte auf und ab und die Welt stand kopf. Einer der Insani trug sie und ihr Nacken schmerzte fürchterlich. Sie stöhnte durch den Knebel hindurch und der Mann mit dem Cowboyhut, der direkt neben ihr lief, wandte sich um, als er merkte, dass sie aufgewacht war.

"Da hast du uns ja fast die Tour vermasselt", sagte er und sah sie tadelnd an. Dann seufzte er und schob sich den Hut aus der Stirn.

"Du kannst von Glück reden, dass ich heute so gute Laune habe. Außerdem waren deine Bemühungen umsonst."

Riley sah sich um und tatsächlich:

Einige Meter von ihr entfernt lief der braunhaarige Junge wie sie gefesselt und geknebelt zwischen zwei der Insani. Sie konnte sein Gesicht nicht sehen, aber seine kleinen Arme zitterten vor Angst. Dann plötzlich lichteten sich die Bäume und sie standen vor einer Ansammlung von Hütten. In der Mitte stand ein großes Herrenhaus mit bunten Holzfenstern und einer blauen Tür. Dahinter erhob sich eine Scheune von wogenden Feldern umgeben, die im letzten Licht des Tages gold-rot leuchteten.

Vor einer der Hütten stand ein Insani mit zerrissenen Kleidern und einem Beil in der Hand. Er zerteilte menschliche Gebeine und grinste sie an, als sie vorbei getragen wurde. Fliegen summten um seinen Kopf und Riley wandte sich angewidert ab. Der Junge konnte den Blick allerdings nicht abwenden und jetzt sah Riley die Panik in seinen Augen. Sie wurde ins Haus getragen und schnell bildete sich eine Traube Insani um sie. Der Gestank ihrer ungewaschenen Leiber lag wie eine Wolke um sie und dann Vertrieb der Mann mit dem Cowboyhut die Männer mit einer Handbewegung, als würde er lästige Fliegen vertreiben. Die Insani verstreuten sich und der Anführer mit dem breitkrempigen Hut zog Riley auf die Beine. Der Junge wurde gerade von seinen Führern ins Herrenhaus geschubst und stolperte neben sie. Der Mann mit dem Cowboyhut löste ihre Knebel und Riley spuckte das nasse Tuch angewidert auf den Boden. Sie atmete, erleichtert die erstaunlich frische Luft im Haus und sah sich um. Der Boden der Eingangshalle war mit dunklen Teppichen ausgelegt und an den Wänden hingen Porträts von Bauern und Bäuerinnen, alle in altmodischer Western-Kluft. Sie blickten alle todernst dreien bis auf eine Frau mit lederner Cowboy-Weste und leuchtend blondem Haar. Der Mann, der neben ihr hing, hatte einen Schnäuzer wie der Cowboy neben Riley und seine wässrig blauen Augen starten Sie durchdringend an.

"Mein Vater und meine Mutter.", erklärte der Anführer und deutete auf die Gemälde.

"Gute Menschen. Gott habe sie selig. Gute Menschen, meine Liebe."

Er beteuerte es fast so, als ob er sich selbst davon überzeugen müsste. Dann wandte er sich an die zwei Insani, die den Jungen hereingebracht hatten, und schob den Kleinen wieder in ihre Richtung.

"Bringt ihn ins Gästezimmer, wir fangen mit der hier an."

Damit griffe er Rileys Arm und zog sie in Richtung der Treppe, die unter der hölzernen Balustrade nach unten führte. Ein mulmiges Gefühl stieg in ihr empor und der Kleine in ihrem Bauch begann zu rebellieren. Er hieb mit den kleinen Fäusten gegen die Innenseite ihres Bauches, spürte scheinbar, dass etwas nicht stimmte. Oder aber er hatte einfach wieder Hunger. Sie hoffte auf Letzteres, während sie langsam die dunkle Treppe hinab geführt wurde, die in den modrig riechenden Keller führte. Der Keller war wie der Gegenpart zum ordentlich eingerichteten Rest des Hauses. Spinnenweben hingen in den dunklen Ecken und Wasser tropfte von der Decke. Es roch nach Urin und Rauch und vielem mehr, dass Riley gar nicht identifizieren wollte. Auf dem Boden standen Blecheimer verteilt, in denen dunkle Flüssigkeit stand. In manchen davon schwammen Eingeweide und dann traf Riley der Blutgeruch. Schwer und diesig lag er in der Luft und überdeckte alles, was sie gerade noch gerochen hatte. Der hintere Teil des Kellers war mit schweren Eisengittern abgetrennt, die in der Mitte mit einer schweren, in Eisenrahmen hängenden Doppeltür versehen waren.

Davor, an der Wand, stand ein schmaler Holztisch, auf dem Werkzeuge verteilt lagen. Beile, lange Messer und Zangen lagen unter verstreuten Nägeln, Drähten und langen Rundeisen, die zu Schlaufen gebogen waren. Von der Decke daneben hingen lange Ketten mit Eisen am Ende, die ganz danach aussahen, als würden ihre Handgelenke hervorragend hineinpassen. Riley schauderte und das mulmige Gefühl in ihrem Bauch wurde zu einer erdrückenden Übelkeit. Der Kleine hatte das Boxen aufgegeben, doch sie spürte, wie er sich jetzt anscheinend ebenso unwohl wie sie hin und her wälzte. Eine Tür gegenüber des kleinen Tisches schienen in einen weiteren Keller zu führen. Der Mann mit dem Cowboyhut machte sich an den Ketten zu schaffen und löste dann Rileys Fesseln. Er deutete auf die Ketten und zog dann zwei Hocker unter dem Tisch hervor. "Ich denke, die brauchen wir vorerst nicht. Es sei denn, du stellst dich nicht besonders klug an. Doch du scheinst mir ein vernünftiges Mädchen zu sein, also ...", Er bedeutete ihr Platz zu nehmen und setzte sich auf den Hocker ihr gegenüber. Riley atmete erleichtert auf bei seinen Worten und setzte sich ihm gegenüber.

"Na dann ...", begann ihr Gegenüber.

"Was verschlägt zwei Mädchen wie euch so weit in den Süden?"

Dann erzählte ihm Riley die ganze Geschichte stets mit einem Auge auf die schweren Ketten.

Sicheres Fort.

 

"Es geschah im kältesten Winter, den die Bewohner des Fort je erlebt hatten und einige von ihnen lebten bereits ihr ganzes Leben dort.", begann Riley.

 

Sie und Emma waren ein halbes Jahr zuvor angekommen und an Tag Null beinah von verrückten Nonnen getötet worden. Heilfroh einen einigermaßen sicheren Ort erreicht zu haben kamen sie im Fort an. Emma hatte sie und die Gruppe Weißenkinder erst zur Militärakademie gebracht, doch die Hallen und Trainingsplätze waren verlassen gewesen. Sie hatten sich den Winter über in den Räumen der Akademie verbarrikadiert, doch nachdem sie einen Keller voller Leichen und Stimmen gefunden hatten, waren sie einstimmig weitergezogen. Die Gruppe bestand damals noch aus den zwei Mädchen und drei draufgängerisch Jungs, die sich gerne als Anführer der kleinen Gruppe aufspielten, obwohl die Mädchen die ganze Arbeit verrichten. Doch dann kamen sie im Fort an und plötzlich übernahmen die Erwachsenen wieder. James gefiel das gar nicht. Der Anführer der drei Jungs war seiner Macht beraubt worden und stänkerte solange bis selbst die Verantwortlichen im Fort ihn nicht mehr aushielten. Sie machten ihm eine gehörige Ansprache und als Antwort darauf brach er ins Waffenlager ein. Er sprengte, ausversehen wie er im Nachhinein beteuerte, die Pferdeställe in die Luft und floh des Nachts im Nebel. Zum Glück wurde keiner verletzt, aber vier der Pferde starben und eigentlich wäre die Sache damit erledigt gewesen, wenn da nicht Erik und seine Freundin gewesen wäre. Er und Kady kümmern sich um die Tiere und waren außer sich. Sie verfolgten den Jungen und fanden ihn nach einigen Tagen, fünfzig Kilometer außerhalb des Fort, fast verhungert und beinah erfrohen.

 

An dieser Stelle macht Riley eine Pause und wider Erwartend ließ der Cowboy ihr Zeit ihre Gedanken zu ordnen.

"Wir erkannten die Anzeichen nicht. Die meisten Bewohner des Fort haben ihr Leben lang hinter den sicheren Barrikaden verbracht und kaum mitbekommen wie draußen alles den Bach runter ging. Wir hatten keine Ahnung was mit James los war und Emma... Naja Emma hat den Menschen vertraut. Sie hatte James besser leiden können als wir und er hatte diese Art zu reden, die einen dazu brachte alles für ihn zu tun. Doch James war nicht mehr derselbe. Erst schwieg er nur und alle dachten es täte ihm leid, was er getan hatte. Dann fingen die Schreie an, des Nachts.

Er hat uns regelmäßig aufgeweckt und dann stundenlang geweint. Es ging viel langsamer als ich es seitdem je wieder erlebt habe. Emma saß fast durchgehend an seinem Bett und hat ihn getröstet. Die Nonnen waren über Nacht verrückt geworden, aber bei ihm dauert es Wochen. Eines Nachts, hat es dann wieder gebrannt. Diesmal waren es Wohnhäuser und wir dachten ein Feuer hätte übergegriffen, denn es war bereits so kalt, dass wir sie die Nacht über brennen ließen. Ich war damals bereits im sechsten Monat. Ward, mit dem ich damals zusammen war, hat mich zu sich ins Haus geholt und so waren Emma und James alleine, als er sie schließlich darum gebeten hat ihn aus dem Fort zu schmuggeln. Wie gesagt, damals vertraute sie den Menschen noch und so gab sie ihm Waffen mit. Ich denke sie war zu der Zeit sehr einsam, denn sie brachte ihn bis vor das Fort und wäre wahrscheinlich sogar mitgekommen.

Doch soweit kam es gar nicht."

Riley legte erneut eine kurze Pause ein und schluckte. Ihr Mund war trocken, doch sie wagte es nicht nach einem Glas Wasser zu fragen.

"Sie hat nie erzählt was außerhalb des Fort passiert ist, aber ich glaube er hat sie überrumpelt und niedergeschlagen, denn als die Insani einfielen, war sie nicht da. Es war immer noch Nacht und die Horde war riesig. Wir hatten keine Chance. Trotzdem wollte Warf kämpfen. Also hat er mich, die Frauen und Kinder in der Scheune versteckt. Dann sind die Männer mit allem was uns an Waffen zur Verfügung stand los. Ich weiß bis heute nicht was mit ihm passiert ist und wir saßen bis zum Morgengrauen zwischen den Heuballen versteckt. Wir haben die ganze Nacht gewartet, dass es vorbei ist. Es waren bloß Nachzügler die die Scheune angesteckt haben aber der Rauch trieb uns nach Draußen. Überall waren Leichenberge und sie hatten eine wahnsinnige Freude dabei uns durch die brennenden Hütten zu jagen. Kady haben sie gevierteilt und auf Spieße gesteckt und die Kinder..."

Riley brach ab, suchte nach den richtigen Worten, falls es die überhaupt gab.

"Ich kann es mir vorstellen.", schob der Cowboyhut ein und Riley meinte fast so etwas wie Mitleid in seiner Stimme zu hören. Dann fuhr sie fort.

"Plötzlich tauchte Emma auf und den Ausdruck in ihrem blutverschmierten Gesicht werde ich nie vergessen. Sie tötete die meisten der Nachzügler und den letzten der nicht fliehen wollte, prügelte sie zu Tode. Da war nichts mehr von dem in ihrem Gesicht, was sie einst ausgemacht hat. Nur noch blanker Hass. Ich weiß nicht ob noch andere überlebt haben, aber seitdem sind wir nur noch unterwegs gewesen. Meistens aus Angst vor Insani. Oft dachte ich auch sie konnte einfach nicht lange an einem Ort bleiben. Vielleicht hoffte sie, vor ihren Gefühlen davonlaufen zu können, aber es hat uns nie wieder ganz losgelassen."

Als sie geendet hatte, schwieg sie und auch der Cowboy, sagte lange Zeit nichts. Riley fragte sich, was jetzt geschehen würde und ihre Geschichte hatte sie daran erinnert was sie schon alles durchgemacht hatten. Was konnte schon schlimmeres geschehen als das?

Doch als der Cowboy schließlich aufstand und nach den Eisen griff, fragte sie sich, ob es nicht doch noch Etwas gab.

"Du musst jetzt sehr stark sein kleine Riley. Halt dich nicht zu sehr an den Dingen fest, dann wird es einfacher."

Sie verstand nicht.

"Ich dachte die brauchen wir nicht?", sagte sie und deutete auf die Ketten

Der Anführer der Insani seufzte und befestigt ihre Hände an den Eisen.

"Es tut mir leid, aber solange du du bist, wirst du uns nicht helfen."

Sie verstand es immer noch nicht, als sie mit den Händen über den Kopf gefesselt wurde. Erst als die Tür ihr gegenüber geöffnet wurde, bekam sie eine Ahnung. Der Mann mit dem Cowboyhut sah ein letztes Mal zurück, bevor er die Treppe empor stieg.

"Es wird besser werden.", sagte er nur. Dann war er verschwunden und Riley war mit den Stimmen allein.

 

 

 

 

Wunderbare Welt

 

Emma nahm immer zwei Stufen auf einmal, dann stand sie zwischen feuchten Kellerwänden und Blecheimern. Riley hing in den schweren Ketten, die von der Decke kamen. Der Kopf war ihr auf die Brust gesunken und ihr rotes Haar, hing in dreckigen Strähnen hinab. In der Zelle am Ende des Kellers saß ein kleiner Junge, Edmund vermutete sie und schaute auf, als sie in den Raum gestolpert kam. Seine Augen waren vom Weinem gerötet doch er schienen unverletzt. Emma wandte sich wieder ihrer Freundin zu. Sie sah sich nach etwas um womit sie die Eisen an Rileys Handgelenken lösen konnte und ihr Blick fiel auf die Zangen am nahegelegenen Holztisch. Ohne zu überlegen griff sie danach und machte sich an den Eisen zu schaffen. Der Junge in der Zelle, stand plötzlich an den Streben seines Gefängnisses und beobachtete sie skeptisch.

"Ich bin mit deiner Mutter hier, wir holen euch hier raus, versprochen."

Ihre Erklärung schien den Jungen jedoch nicht zu beruhigen. Stattdessen weitesten sich seine Augen. Er nickte, doch etwas in seinem Blick beunruhigte Emma. Sie machte sich daran schneller zu arbeiten und schließlich gelang es ihr eins der Eisen zu lösen, das Riley an die Decke fesselte.

"Haben sie euch weh getan?", fragte sie in Richtung des Jungen, doch der schüttelte nur den Kopf. Als sie sich an der zweite Fessel zu schaffen machte.

Er trat von den Gitterstäben zurück und schüttelte abermals vehement den Kopf. Es war keine Antwort auf ihre Frage gewesen, würde ihr bewusst.

"Nicht.", flüsterte er und verkroch sich in einer Ecke seiner Zelle. Er starrte mit aufgerissenen Augen zu ihr hinüber.

"Du darfst sie nicht losmachen.", sagte er jetzt etwas lauter und Emma vernahm eindeutig Angst in seiner Stimme.

"Du brauchst keine Angst zu haben, jetzt wird alles wieder gut.", versuchte sie ihn zu beruhigen, doch er schüttelte immer noch den Kopf. Jetzt rollten ihm Tränen über die Wangen.

"Du darfst sie nicht losmachen.", wiederholte er nur und langsam drängte ein eindeutig mulmiges Gefühl in Emma auf.

"Sie haben sie verrückt gemacht."

Emma erstarrte und während langsam die Erkenntnis durchsickerte begannen die Ketten neben ihr zu rasseln.

Riley hob den Kopf und starrte Emma aus glasigen Augen an.

"Bitte nicht.", hauchte Emma, doch im selben Augenblick, trat ein verzerrtes Grinsen auf Rileys Züge.

"Bitte nicht noch einmal."

 

...

 

Schreie hallten durch Reilys Kopf. Sie wirbelten umher und machten vor nichts Halt. Sie zerrte erneut an den Ketten und jetzt begriff sie dass es ihre eigenen Schreie waren.

 

...

 

Emma trat von ihrer Freundin zurück und die Zange rutschte ihr aus der Hand. Sie landete klappern auf dem Boden während sie dabei zusah wie Riley den Kopf hin und her warf. Sie hing in der verbliebenen Fessel und ein Kichern löste sich aus ihrer Kehle.

 

...

 

Bilder von sich öffnenden Leibern...

Heraus kletternde Säuglinge mit drei Köpfen... Jeder davon war in der Mitte gespalten... Grüner Schaum stieg daraus empor...  Und die kleinen gingen mit Äxten aufeinander los.

Riley hörte ihre eigenen Schreie kaum noch.

 

...

 

Das Kichern wurde lauter und Riley riss an der verbliebenen Kette, schaffte es irgendwie die Fesseln zu sprengen. Emma wich noch einen Schritt zurück und wäre fast über einen der Eimer gestolpert. Ihr Magen zog sich zusammen und ihre Muskeln verkrampfen sich. Nicht schon wieder. Sie hielt das nicht noch mal aus.

 

...

 

Emmas Gesicht war blutverschmiert... Sie wandte sich von dem Insani unter ihr ab und wurde zu Riesin... Zertrampelt die Säuglinge während sie in schallendes Gelächter ausbrach... Schaum umspielte ihre Lippen.

Wer war sie noch gleich?

 

...

 

Riley ging kichernd auf Emma zu, plötzlich hatte sie Emmas Messer in der Hand und Emma starrte sie immer noch an. Sie wollte nicht, sie konnte nicht.

 

...

 

Emma wurde noch größer und jetzt hatte sie einen Cowboyhut auf... Sie schwang eine Route und trieb die Säuglinge in eine brennende Scheune... Dabei sang sie: "Schäfchen klein, springt so fein in das heiße Grab hinein."

 

...

 

Reily griff an.

Emma spürte, wie die Klinge über ihren Bauch fuhr und Wärme breitete sich in ihrer Magengegend aus. Ihre Muskeln brannten und ihr Gehirn produzierte nicht einen Gedanken. Da war nur dieses Schmerz in ihrer Brust. Ein Ziehen und Reißen, als würde ihr Herz gleich zerspringen. Riley griffe ihr ins Haar und ihr Gesicht kam ganz nah vor Emmas. "Die Liebe, die Liebe.", gluckste Riley.

 

...

 

Der Cowboy hatte jetzt keine Ähnlichkeit mehr mit Emma... Die Scheune verschlang einen Säugling nach dem anderen... Sie sangen jetzt zusammen mit dem Cowboy und die Scheunentore wurden zu Reißzähnen... Blut spritzte über den Boden, lief zu Bächen zusammen... Bildete Seen.

"Zehn kleine Kinderlein sprangen in den Teich."

-Haps.-

"Neun kleine Kinderlein badeten in Blut."

-Haps.-

Acht kleine Kinderlein..."

Sang die Scheune.

 

...

 

"Sieben kleine Kinderlein, spielten mit dem Beil."

Langsam begann Riley zu singen und hieb immer wieder mit dem Messer nach Emma. Dabei riss sie ihr an den Haaren und hatte plötzlich blutige Büschel dreckiger Strähnen zwischen den Fingern. "Hör bitte auf Riley." , flehte Emma im Flüsterton. Ihr Körper wollte immer noch nicht gehorchen und langsam verwandelte sich die Hitze in ihrem Bauch in Kälte. Dann gehorchten ihre Muskeln ihr plötzlich wieder und sie packte Rileys Handgelenk. Emma schleuderte ihre Freundin zu Boden und hielt ihre Arme fest, die immer noch wild zuckten. Irgendwie schaffte Riley es sich aus ihrem Griff zu befreien und war jetzt über ihr.

 

...

 

Riley lachte... Der Cowboy lachte... Die Scheune lachte... Dann war Riley die Scheune und biss genüsslich in einem Säugling... Er hatte ihr Gesicht und lachte mit... Sie nahm den nächsten Säugling und warf ihn zwischen ihre malmenden Zähne... Im Flug hatte er Emmas Gesicht...

Wer war Emma?

Dann biss sie zu und es schmeckte fantastisch... Der Cowboy riss drei Köpfe von einem Säugling... Sie hatten die Gesichter von Jungen in ihrem Alter... Doch sie wusste nicht mehr wie sie hießen.

"Es regnet, es regnet, Jim, Jam und Jum.",

sangen sie lachend.

Der Cowboy begann mit den Köpfen zu jonglieren... Sie landet nacheinander in ihrem Schlund. Jim, Jam, Jum, die Zeit die ist jetzt um.", sangen die Köpfe.

 

...

 

Riley begann mit ihrer Stirn zu dribbeln, wie mit einem Basketball und kicherte jetzt wieder wie verrückt. Nein, sie konnte nicht ... Nicht Sie.

Es musste einfach etwas geben dass Emma tun konnte. Aber tief in ihr wusste sie, dass es bereits zu spät war. Tränen liefen ihr übers Gesicht. Sie schaffte es das Messer an der Klinge zu greifen und Blut rann ihr über die Finger. Sie klammerte sich daran wie eine Ertrinkende ans Treibgut. Sie schaffte Riley das Messer zu entwinden und versuchte sich von ihrem Gewicht zu befreien. Sie kugelten umeinander und Emma, durch den Tränenschleier vor ihren Augen, verlor den Überblick. Dann stießen sie gegen das Gitter. Das Messer kam Emmas Hals bedrohlich nah und ihr Bauch fing an Wellen von Schmerz durch ihren Körper zu schicken. Doch sie konnte sich nicht wehren, wollte es nicht. Eher würde sie sterben, als Riley etwas anzutun. Die Spitze des Dolches bohrte sich in ihren Hals und Rileys Ausdruck wurde wilder. Das Kichern wich einem verbissenen Knurren und das kalte Eisen drang immer tiefer in Emmas Haut.

Emma versuchte das Messer zur Seite abzulenken und plötzlich knickt Riley zur Seite weg, als hätte sie etwas aus dem Konzept gebracht. Was auch immer es war, sorgte dafür dass ihre Hände zu zittern begann. Dann blickte sie voller Abscheu auf ihrem Bauch hinab und Emma verstand.

Ihre Freundin zog das Messer mit einem Ruck aus Emmas Griff. Sie schrie auf, als ihre Finger nach hinten klappten und Blut  aus den Stümpfen spritzte.

Sie hingen nur noch an Hautfetzen an ihren Knöcheln hinab.

Riley ließ sich davon nicht ablenken, sondern hob das Messer. Emma sah die Wut in ihren Augen. Ihr ganzer Körper zitterte wie Espe Laub. Dann ließ sie die Klinge auf ihren Bauch hinab sausen.

 

...

 

Als Riley die Augen aufschlug grinste sie. Sie fühlte sich gut. Nichts hatte sich je so gut angefühlt. Sie hörte die Stimmen immer noch, aber sie ergaben jetzt Sinn und erfüllten sie mit solcher Erhabenheit dass sie augenblicklich zu lachen begann. Es spielten keine Rolle mehr wer sie vorher war. Wo sie war oder wie sie war. Sie wusste, sie war angekommen. Alles andere lag sicher hinter hohen Mauern, unter Massen an Erde begraben.

 

...

 

"Nein.", schrie Emma und schleuderte ihre Freundin von sich herunter. Die Rollen tauschten und jetzt saß Emma über Riley. Das Messer war genau zwischen ihn und beide Mädchen versuchten die Kontrolle darüber zu erlangen. Dann trat ein seltsamer Ausdruck auf das Gesicht der Insani, die einmal Emmas Freundin gewesen war.

Ihr Widerstand brach ohne Vorwarnung in sich zusammen. Emma keuchte erschreckt auf als das Messer in Rileys Brust eindrang.

Sie keuchte und spuckte Blut.

Ein letztes irres Grinsen flackerte über ihre Züge, dann wich es einer Gelassenheit, die Emma einen Schauer über den Rücken jagte.

 

...

 

Als ihr neues Ich in die Sonne trat, lächelte es und ließ sich einlullen vom Jubeln der Massen. Es war so gut, keiner würde ihr je wieder wehtun können.

"Begrüßt mit mir zusammen das neuste Mitglied unser Horde.", sagte der Cowboy neben ihr und ihr neues Ich genoss es wie sie unter die Insani geführt wurde. Alle Angst war gewichen und hatte pure Freude offenbart. Da wo einst Zweifel waren, glich ihr Herz nun dem einer Unbescholtenen. Es triumphierte, jauchzte und tanzte mit den Insani durch die Sonne. Sie lächelte und behielt doch die Contenance, nicht mit zu tanzen. Sie tanzten für Sie und ihr neues Ich genoss es in vollen Zügen. Der Cowboy redete immer noch, doch es war nicht mehr wichtig. Er war auch nur ein Unwissender unter der Sonne. Er würde niemals verstehen wie sich wahrer Frieden anfühlte. Doch so lange er für sie sorgte, war es ihr egal. Er hatte ihr so wunderbares eröffnet. Sie durfte mit diesem kleinen unschuldigen Kindlein spielen. Sie durfte mit ihm machen was sie wollte und sobald sie das herausgeholt hatte, dass da in ihr randalierte, würde sie auch damit spielen dürfen. Was für eine wunderbare Vorstellung, was für eine wunderbare Welt.

 

 

 

 

Wasserfälle

 

Tränen liefen Emma über die Wangen und die Welt schwieg.

Sie spürte wie etwas sanft über ihre Wange strich und blinzelte durch den Tränenschleier vor ihren Augen. Riley hatte die Hand erhoben und wischte ihr die Tränen vom Gesicht. "Nicht weinen. Es ist doch eine so wunderbare Welt"

Emma schluchzte und nahm Reilys Hand in ihre.

"Bleib bei mir. Ich schaffe es nicht ohne dich.", flüsterte sie und ihre Freundin lächelte traurig.

"Habe Vertrauen. Das Leben geht weiter."

Vertrauen? Wann hatte sie je jemandem so vertraut wie Riley? Wann würde sie je wieder jemandem so vertrauen?

"Erinnerst du dich an die Wasserfälle?"

Emma wusste nicht ob ihre Freundin verstand, was sie sagte, doch sie sprach weiter und der Ausdruck in Rileys Gesicht veränderte sich für den Bruchteil einer Sekunde. Es war als würden die Wände aufbrechen hinter denen jene Erinnerung lagen.

"Ich bringe dich wieder hin. Ich werde dich hinbringen und dann erinnerst wirst du dich an alles erinnern.

Dann wird alles wieder wie früher."

Emma wusste, das es niemals wieder so werden würde wie zuvor, aber die Worte gaben ihr Trost.

Brausendes zu Boden stürzendes Wasser, das frohe Gelächter von Kindern, das Zwitschern von unzähligen bunten Vögeln und das Rauschen der Blätter im Wind, das alles war so weit weg und doch war es ihr, als wäre sie wieder dort. Es beruhigte sie und ihre Tränen versiegten allmählich. Rileys Blick glitt in die Ferne und sie summte leise. Emma erkannte die Melodie und sang mit:

"Eckstein, Eckstein, alles muss versteckt sein."

Dann begann sie gemeinsam zu zählen. Bei fünf versagte die Stimme ihrer Freundin und als Emma bei zehn angekommen war, löste sich ein letzter Seufzer von Rileys Lippen.

Emma saß da und wiegte den toten Körper ihrer Freundin hin und her. Ihre Augen wurden wieder feucht, während langsam die Realität zu ihr durchsickerte.

Sie nahm Rileys Gesicht zwischen ihre Hände und küsste sie. Ihre Lippen waren noch warm und Stirn an Stirn begann Emma wieder zu Weinen. Nichts würde je wieder so werden wie zuvor.

 

-Ende-



Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen