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Die Zauberin // Das Glückskind: Gentilis (Kapitel 1-7)



Im Dunkel unter den fernen Gebirgen sollen sie leben. Einst verstoßen, von ihren eigenen Göttern, war ihre Magie doch zu finster, ihr Schaffen zu zerstörerisch. So stieß man sie vom Himmel herab in lichtlose Tiefen.

Und doch ist ihre Macht nicht gebrochen.

An manchem Feuer erzählt man hinter vorgehaltener Hand, in verzweifelter Stunde wandte sich mancher an sie.

Doch seiet gewarnt, denn jeder Segen birgt auch den Fluch und sollten sie erneut sich erheben, wird Untergang folgen.


Aus: “Die Saga der dunklen Schwestern”

Von Gaudre Fahryl


Kapitel 1: Die Königsmacherin


Die Vasallen der Hügelreiche hatten die Stadt erreicht. Sie waren mit der Abendsonne empfangen worden und versammelten sich zahlreich am Hofe der Feste Ärenfels. Sie lag am Rande der Hügelreiche, südlich vom Reihwasser, die im Frühling und Sommer die Graßländer fluteten. Eola hatte sich einer Gruppe Händler angeschlossen, die aus dem Norden gekommen waren. Seit den Vorkommnissen bei Madiskat hielt sie sich bedeckt. Und doch eilte ihr Ruf ihr voraus. Oder besser gesagt die Geschichten über den Drachen, der bei Madiskat gesehen worden war. Dass es einem kleinen Mädchen gelungen war, den Nebelkaiser zu stürzen, war niemandem bekannt. Trotzdem häufen sich die Gerüchte, dass seine Macht gebrochen war. Gerüchte, die das Machtgefüge des Reiches ins Wanken gebracht hatten. Seitdem riefen die Könige der umliegenden Länder ihre Vasallen zusammen.

Es würde Krieg geben, so hieß es.

Doch Eola war aus einem anderen Grund nach Ärenfels gekommen und dieser Grund stand neunzig Schritte entfernt von ihr auf einer hohen Treppe, die zum Thron des Erben von Ärenfels hinauf führte. Die Feste stand auf dem höchsten Felsen der Hügelländer und galt als letzte Bastion gegen die Nebelreiche. Jetzt, wo die Macht des Kaisers schwand, zogen sich seine Nebel über die letzten Hügelkuppen Richtung Küste zurück. Die Burg bestand aus festem Stein, gebaut für die Ewigkeit und auch wenn sie nicht mit der Zitadelle in Madiskat mithalten konnte, war sie doch ein beeindruckendes Bauwerk. Die umliegenden Dörfer hatten sich zu einer Stadt verbunden und bestanden hauptsächlich aus rotem Lehm, den man aus den Gruben am Fuße des Tau förderte. Der Berg war der letzte Ausläufer der westlichen Bergkette, die im Volksmund als Nebelklippen bekannt waren, da sie im Norden direkt ans Meer grenzen und selbst ohne die Hilfe des Kaisers stets in feuchte Nebel gehüllt waren.

Der Thronsaal war ein großer rechteckiger Raum mit hohen Decken und Säulen aus Granit, die das schwere Dach aus Eichenholz und Tonschindeln trugen. Es war kalt und zügig und die wenigen Feuerbecken aus dunklem Stahl vermochten kaum Abhilfe zu schaffen.

Der Erbe von Ärenfels war jung, seine Garde bestand jedoch aus gesottenen Kriegern, die in Stahl gehüllt grimmig dreinblickten. Ihr Leutnant, ein Mann namens Fremm Eulehrt, hatte bereits seinem Vater gedient, der, soweit Eola wusste, im Winter an einer Grippe verstorben war. Seitdem sorgte er dafür, das der junge Lord die Treue aller Hügelstämme erhielt, die ihm laut Erbrecht zustanden. Fürst Eolin von Ärenfels war nur an einem noch mehr interessiert als am Treueeid seiner Vasallen und das war die Magie.

Der Kaiser hatte die meisten Magier an seinen Hof geholt, die Hexenmeister ausgelöscht und die verborgenen Schwesternschaften überhaupt erst zu den Verborgenen gemacht. Alle Magie, die sich seinem Einfluss entzog, war verboten worden, die weisen Frauen geächtet, die Schamanen und Seherinnen verbrannt worden. Doch jenseits seines Einflussgebietes gab es noch Zauberer und Zauberinnen, die sich ihm hatten entziehen können.

Eine davon hatte Eolin an seinen Hof geholt. Eine Frau, deren Ruf ihr vorauseilte.

Bajka von Veysgrad, die Königsmacherin.

Ihre bloße Anwesenheit versetzte die Lords der Hügelländer in Aufruhr. Man tuschelte hinter vorgehaltener Hand, habe der Junge jetzt endgültig den Verstand verloren? 

Die Flüsterin nannte man sie, die Grabmutter, die Schuldlose, man könne ihr nicht trauen.

Doch allen war klar, warum sie hier war, sie alle hatten die Gerüchte gehört. Der Kaiser war schwach und mit Anbruch des Sommers würde man marschieren, in Richtung der Hauptstadt sie zu nehmen und ihn endlich zu stürzen, wie es der Familie von Ärenfels vorbestimmt war. Noch bestanden die Truppen der Vasallen nur aus ein paar hundert Mann, aber es würden sich ihm mehr Lords anschließen, je weiter er kam, daran bestand kein Zweifel. Zu lange hatten sie unter den hohen Steuern des Kaisers gelitten, seinen Visionen gedient, die nicht ihre eigenen waren.

Doch für all das interessiert Eola sich kaum. Sie war seit letzte Nacht auf Ärenfels, hatte sich ein Zimmer in einem Wirtshaus in der Stadt genommen und sich mit den Männern des Lord Kamm von Riedhalm in die Feste begeben. Sie hatte für ihn bei einem der Händler einen unverschämt niedrigen Preis für angemessene Gewänder herausgeschlagen und als Gegenleistung lediglich verlangt, dass man sie mit in die Festung nahm, sie wolle ein Blick auf die Zauberin erhaschen. Der Lord Zustimmung gebrummt und ihr klargemacht, dass sie sich im Hintergrund halten sollte und sie hatte nicht widersprochen.

Jetzt stand Eola hinter einer der Säulen und schob sich dann jedoch vor einen der Männer, um einen besseren Blick auf die Frau zu erhaschen, die sie bereits als ihre neue Lehrmeisterin auserkoren hatte. Ihre Zusammenarbeit mit Oine hatte ihr nicht nur verraten, dass sie dazu in der Lage war, Magie zu wirken, sondern auch, dass es vielleicht besser wäre, es auch tatsächlich zu lernen. Sie mochte von ihrem Glück beschützt werden und es half ihr auch dabei, jedes ihrer Ziele zu erreichen. Aber es war auch unzuverlässig und sie sehnte sich danach, mehr über Zauberei zu erfahren. Und wer wäre dafür besser geeignet als die berühmteste Magierin südlich des Nebelreiches. Sie hatte die Geschichten gehört, nicht wenige davon aus Yareh’s Mund und Bajkas Schönheit war in nicht wenigen Liedern besungen worden, die Eola auf ihrer Reise nach Ärenfels gehört hatte. Doch sie alle wurden ihr nicht gerecht. Bajka war nicht nur schön, sie war atemberaubend.

Die Frau, die auf der hohen Treppe stand, trug ein Kleid aus nachtblauer Seide, das bis zum Boden ging und ihre perfekte Figur an genau den richtigen Stellen betonte. Die langen schwarzen Haare trug sie offen. Sie fielen in leichten Schwüngen bis auf ihre Schultern und rahmten ihr perfektes blasses Gesicht ein. Ihre Lippen und Wimpern hatten einen beinahe überirdischen Schwung und verliehen ihrem sanften Lächeln eine Anmut, die Eola verzauberte. Ihre Augen hatten die Farbe der aufgewühlten See, nach dem Sturm und die hohen Wangenknochen ließen sie unheimlich stolz wirken. Ein Eindruck, der laut den Geschichten, die man sich über sie erzählte, nur zutreffen konnte. Jede der Edelfrauen des Erben verblasste zu einem Mauerblümchen gegen sie und nicht wenige Männer waren in unsterblicher Liebe zu ihr entbrannt. Eolin schien da jedoch eine Ausnahme zu sein. Der junge Lord war nicht weniger respektiert als sein Vater. Er saß stolz auf seinem Thron, leicht vorgebeugt richtete er das leise Wort an seine Berater und Landsknechte, während sich der hohe Raum mit Männern und Stimmen füllte. Eolin war ein hübscher Junge mit hellem Zopf und dunklen Augen, das Haupt mit dem dünnen Reif aus Gold darauf hoch erhoben. Einer nach dem anderen traten die Vasallen vor, in feiner Kleidern neigten sie den Kopf und schworen ihre Eide, die Lord Eulehrt für den König entgegennahm. Fremm Eulehrt war vom Vater des jungen Königs zum Lord ernannt, nachdem seine Familie in der Schlacht bei Eiblingen Ehre gewonnen hatte. Die Familie Eulehrt besaß seitdem nicht wenige der Ländereien um Ärenfels herum und waren dem jungen Lord treu ergeben. 

Das alles hatte Lord Kamm ihr erklärt, bevor sie zum Treffen auf Ärenfels aufgebrochen waren. Hier und Heute sollte besprochen werden, wie der Feldzug sich gestaltete.

Außerdem erwartete der junge König, dass seine Vasallen ihm den Eid erneuerten. Fremm Eulehrt war ein kräftiger Mann Ende vierzig mit bereits ergrautem Bart, aber einer Ausstrahlung, die jahrelange Befehlsgewohnheit mit sich brachte.

Es hatte beinahe den halben Tag gedauert, bis jeder Lord erneut vereidigt worden war, und noch immer traten Lords vor, knieten sich vor die hohe Treppe und rezitierten lange Treueschwüre. Die Zauberin würde eine große Rolle spielen, bei dem, was da kam, aber ohne dieses Treffen hätte Eola die Königsmacherin vermutlich nie gefunden. Sie würde sich auf ihr Glück verlassen. Es würde ihr schon noch die Gelegenheit verschaffen, mit Bajka zu sprechen. Dann erhoben sich Stimmen am Thron und Eola verfolgte interessiert, was geschah.

“Lord König!”

Der König sah den Vasallen an, der gesprochen hatte.

Der Mann mit vollem Bart und in den Farben der Graslandlords deutete auf die Zauberin.

“Was macht sie hier?”

Eolin hob langsam eine Augenbraue. Endlich kam das Wort auf die Frau zu sprechen, wegen der sich Eola hier eingefunden hatte. Auch andere Männer im Saal schienen dem Unmut des Lords beizupflichten, denn zustimmendes Gemurmel erhob sich.

“Das ist Lord Hessen, seine Reiche liegen im direkten Einflussgebiet des Kaisers”, erklärte der Mann neben ihr, einer von Kamms Gardisten, der noch ein halber Junge war.

“Eine Abtrünnige! Was macht sie am Hofe? Ihr folgt der Tod, Herr!"

Eolin nickte, dann erhob er sich zum ersten Mal an diesem Vormittag vom Thron und hob die Hand. Die Stimme im Saal verstummten.

“Ich will, dass ihr dies alle hört”, ließ der junge König verlauten.

“Die Herrin von Veysgrad steht unter meinem Schutz. Sie wird uns im kommenden Konflikt beraten. "Manche kennen ihre Fähigkeiten, sie können uns nur von Nutzen sein und ich kann nicht riskieren, dass sie dem Feind zuflüstern."

“Von welchem Nutzen soll sie uns sein?”, rief Lord Hessen.

“Ihre Krone wiegt schwer wie Eisen und kostet mehr als Gold”, murmelte einer von Kamms Männern, etwas, das man der Königsmacherin nach sagte.

“Sie wird ihre Macht nutzen, um uns den Sieg zu sichern. Außerdem benötigen wir magische Hilfe, um den Zauberern des Kaisers Einhalt zu gebieten. Sie ist dazu in der Lage, sie unserer Streitkraft hinzuzufügen, sobald wir die Akademie erreicht haben.”

Doch Lord Hessen war nicht überzeugt.

“Man kann ihr nicht trauen. Ihr Preis wird Blut sein. Ein Preis, den ihr nicht zu zahlen bereit sein werdet.”

Eolin verzog verärgert die hübsche Stirn.

“Lord Hessen. Wir sind hier, um unseren Vormarsch zu sichern. Ich werde mit euch nicht über die Besetzung meines Beraterstabs diskutieren.”

“Junge! Ihr wisst nicht, mit wem ihr euch da einlasst.”

Jetzt kam Lord Fremm die hohe Treppe hinunter und warf Hessen einem vernichtenden Blick zu.

“Ihr redet mit dem König, Lord. Zeigt etwas mehr Respekt!”

“Respekt!”

Lord Hessen stieß ein trockenes Lachen aus.

“König von was?”

Fremm zog das Schwert, doch Eolin hob die Hand.

“Lord Hessen! Schwört euren Eid. Oder muss ich euch daran erinnern, wem eure Treue gilt?”

“Sie galt eurem Vater Lord. Ihr seid gerade mal ein Junge und ich zweifel euer Urteilsvermögen an, wenn ihr einer Hexe der Berge vertraut, noch dazu der Grabmutter.”

Eola beobachtete fasziniert, wie bei der Erwähnung dieses Namens ein Schatten über das Antlitz der Zauberin flog.

“Das ist Verrat Lord”, erinnerte Fremm ihn.

“Kniet nieder und schwört euren Eid oder verliert den Kopf!”

Der Blick des Königs war kalt. Er schien Eola durchaus in der Lage, einen vernünftigen König abzugeben. Lord Hessen wollte gerade etwas erwidern, da zog mit einem Mal Wind durch die Halle und ließ die Feuer in den Eisenschalen flackern. Es wurde ein gutes Stück kälter im Saal und zum ersten Mal erhob die Zauberin selbst das Wort.

Ihre Stimme schien magisch verstärkt und erfüllte die Halle mit Echos. Und doch war ihr Klang sanft und besaß einen Singsang, der sofort jeden Anwesenden in ihren Bann schlug.

“Die Nebel des Kaisers schwinden, seine Macht ist gebrochen. Lasst euch nicht von Angst beherrschen, Lord Hessen.”

Eolin neigte leicht den Kopf und Bajka trat neben ihn.

“Ich bin hier, weil ich seinen Untergang vorhersah. Ich habe Ärenfels aufgesucht, weil ich wusste, dass er hier beginnt, der Siegeszug der Hügelländer.”

Eola lächelte, sie fragte sich, ob die Zauberin die Wahrheit sprach. Wenn sie den Fall des Kaisers tatsächlich vorhergesehen hatte, musste sie auch Eola gesehen haben, wie sie dafür gesorgt hatte, oder den roten Riesen. Oine hatte gesagt, der Tod des Kaisers habe in den Sternen gestanden. Las diese Frau die Sterne? Wenn sie tatsächlich aus den Bergen kam, dann könnte es gut möglich sein, dass sie etwas der Macht besaß, die auch den Hexenmeistern bekannt gewesen war. Lord Hessen starrte die Königsmacherin bloß wütend an, dann erhob er erneut das Wort.

“Eure Zunge ist Verderbnis, Hexe. Euer Fluch ist, was ich fürchte, Grabmutter.”

Die Zauberin, die bisher die Hände in ihrem Kleid verborgen hatte, hob sie jetzt aus der nachtblauen Falte und bewegte kaum merklich den langen blassen Finger. Plötzlich begann Lord Hessens Stirn zu leuchten und Rauch stieg von der Haut auf, der sich in Kringeln zur Decke bahnte. Der Lord schrie auf und fiel auf die Knie. Bajka’s Lippen waren ein dünner Strich. Dann erklang ihre Stimme diesmal klirrend wie Eis.

“Ich sah auch euren Tod Lord. Noch könnt ihr den Zeitpunkt wählen. Sterbt im Kampf für euren König oder als Verräter, noch hier und heute.”

Die Männer des Lord Hessen wichen von ihrem Herrn zurück. Auf der Stirn des Mannes war eine dunkle Rune eingebrannt, seine Augen blickten geweitet in die Ferne, schien er doch etwas zu sehen, das nicht hier war. Die Zauberin stieg die hohen Stufen hinab und die Männer wichen noch weiter zurück. Sie näherte sich dem knienden Lord, dann legte sie ihm die dünnen Finger auf die Stirn, als wolle sie ihn segnen. Als sie die Hand wieder wegnahm, war die Rune verschwunden und Lord Hessen’s Lieder flatterten. Dann war er wieder im Hier und Jetzt und Tränen rannen ihm über die zerfurchten Wangen.

“Verzeiht mir Herrin”, flüsterte der Lord so leise, dass Eola es beinahe nicht verstanden hätte. Dann senkte er den Kopf und die Zauberin nahm wieder ihren Platz auf der hohen Treppen ein. Licht fiel durch die Fenster hinter ihr und verlieh ihrer Gestalt etwas Durchscheinendes. Eola starrte immer noch fasziniert zu ihr hinauf. 

Wie viel davon war nur Schauspielerei und Tricks, fragte Eola sich.

Oine hätte es sicher durchschaut.


“Was meint ihr, was er gesehen hat?”, fragte Kailan, als sie später bei Ale und Eintopf im Wirtshaus saßen.

“Seinen Tod?”, vermutete Eola, doch Lord Kamm zuckte nur mit den Schultern.

“Mich interessiert viel mehr, wie sie gedenkt, die Magier des Kaisers auf unsere

Seite zu ziehen. Wenn sie Recht hat und die Macht des Kaisers gebrochen ist,

sind sie die größte Bedrohung für diese ganze Unternehmung.”

Eola grinse.

“Eine berechtigte Frage”, antwortete Sellen, der Gardist, der auch im Thronsaal mit

ihr gesprochen hatte. Dabei warf er Eola einen seltsamen Seitenblick zu und sie

verdrehte genervt die Augen. Er tat das, seit er herausgefunden hatte, dass sie

kein Junge war und sie wünschte sich, er würde es unterlassen.

“Also stimmen die Gerüchte, der Kaiser ist Geschichte?”, fragte Kailan. Er war Kamms

rechte Hand und sehr viel gesprächiger als sein Lord.

“Zumindest zieht sich sein Nebel zurück. Wir können nur hoffen, dass die Gerüchte stimmen, oder wir marschieren in unser Verderben.”

Kailan nickte.

“Wenn der Kaiser noch lebt, hat er vielleicht einfach seine Kräfte verloren.”

Kailan runzelte die Stirn.

“Wie kommst du darauf?”

Eola zuckte mit den Schultern.

“Nur so eine Theorie.”

Dabei ging ihr Blick einmal durch die Taverne und blieb in einer dunklen Ecke hängen.

So sehr sie sich wünschte Sellen würde aufhören, sie anzustarren, so sehr sie hoffte die

Zauberin würde sie in die Lehre nehmen, wünschte sie sich doch eins noch mehr: 

Das er endlich aufhörte, ihr zu folgen.  Doch die gekrümmte Gestalt war immer noch da. Er konnte kaum noch laufen, stütze sich auf einen knorrigen Stock und sah sie aus wässrig blauen Augen unverwandt an. Augen, die ihr immer noch einen Schauer über den Rücken jagten, dabei war nichts mehr der Zauberkraft in ihm, die ihn einst ausgemacht hatte.


Kapitel 2: Unglück im Glück


Eola machte einen Ausfallschritt, wollte angreifen, sah die Finte zu spät und rannte in Kailans Übungsschwert. Sie fluchte und rieb sich den schmerzenden Ellenbogen.

“Du bist nicht bei der Sache”, ermahnte der Gardist sie und er hatte Recht.

In Gedanken war sie wieder bei Bajka, die sie seit einer Woche nur aus der Entfernung sah. Ihr Glück ließ sich verdammt viel Zeit sich etwas einfallen zu lassen und es zehrte an ihren Nerven. Statt mit blöden Holzstöcken gegen Gardisten zu kämpfen, hätte sie viel lieber etwas über Magie gelernt. Aber so war das nun einmal. Ihr Glück vermochte nicht das Unmögliche und Bajka war so beschäftigt, dass es schon an ein Wunder grenzen musste, wenn sie denn jemals auf Eola aufmerksam wurde.

“Wieder auf Anfang”, wies Kailan sie an und sie ging in den Stand, den er ihr beigebracht hatte. Wenn sie schon wartete, dann wollte sie ihre Zeit wenigstens mit etwas Sinnvollem verbringen. Lord Kamms Männer hatten sie aufgenommen, nachdem sie offenbart hatten, dass sie zu gar keinem der Lager gehörte, die sich in und um der Stadt angesiedelt hatten. Lord Eolin zog immer seine Truppen zusammen und der Frühling war bereits einem warmen Vorsommer gewichen.

“Also Eola? Ist euer Vater einer der Lords oder nur ein Soldat im Gefolge des Königs?”, hatte Lord Kamm sie gefragt, als er sie nach der Versammlung im Thronsaal in sein Zelt gerufen hatte.

“Keins von beidem. Ich bin alleine unterwegs.”

Lord Kamm hatte kurz gebraucht, das zu verdauen. Dann hätte er gefragt:

“Ganz alleine? Wo sind denn deine Eltern?”

Eola hatte mit den Schultern gezuckt und geantwortet:

“Meine Mutter ist tot und mein Vater wollte bald wieder da sein. Das war vor sieben Jahren.”

Lord Kamm hatte genickt und sie dann eingeladen, bei ihnen im Lager zu bleiben. Er hatte sie ermahnt, nicht zu erwähnen, dass sie ein Mädchen war und dann Kailan angewiesen ein Auge auf sie zu halten. Seitdem trainierte sie tagsüber mit dem Gardisten oder einem der anderen Männer von Lord Kamm und trieb sich abends in den Wirtshäusern der Stadt herum. Doch bald schon sprach sich herum, dass sie unverschämtes Glück hatte und niemand mehr wollte sich im Glücksspiel gegen sie versuchen. So war es immer, deshalb hielt sie es nie lange an einem Ort aus. Die Leute redeten und irgendwann ging ihnen auf, dass etwas mit ihr nicht stimmen konnte. Niemand hatte so viel Glück und sie hatten ja Recht. Es war nicht sonderlich fair sie auszunehmen, erst Recht, da ihr Geld an anderer Stelle dringender benötigt wurde. Nur Sellen spielte noch mit ihr. Sie hatte irgendwann auf einen Einsatz verzichtet, und so wie er sie ansah, hielt sie es nie lange mit ihm aus. Und so hatte sie angefangen, immer mehr Teile der Stadt zu erkunden und sich sogar bis in die tieferen Hügel jenseits des Ärenfels gewagt. Im Übungskampf mit Kailan hatte sie zudem etwas Interessantes festgestellt. Ihr Glück bewahrte sie nicht davor von ihm getroffen zu werden. Vielleicht lag es daran, dass er sie nicht ernsthaft verletzen wollte, oder weil ihr Glück es für sinnvoll erachtet das sie tatsächlich etwas lernte und Kailan pflegte stets zu sagen: Nur aus Fehlern lernst du Kleine. Und er behielt Recht. Sie lernte zwar nicht schnell und der Schwertkampf machte ihr immer noch nicht sonderlich Spaß. Aber immerhin blieb sie fit und hatte einen Vorwand, sich in der Nähe der Burg aufzuhalten, wo die Soldaten des Königs trainierten. Auch Bauern und Knechte wurden ausgebildet. Das Heer des Kaisers war immer noch um beinahe siebzehntausend Mann stärker als das von König Eolin. Auch wenn man damit rechnen konnte, dass sich bis zur Hauptstadt noch knapp fünftausend Männer anschlossen, würde es nicht ausreichen.  Erst Recht wenn man von einer längeren Belagerung ausging. Die Hauptstadt war uneinnehmbar, so hieß es und so wie Eola es verstanden hatte setzte der Lord von Ärenfels alles auf die Magier der Akademie und seine eigenen Zauberin, die Lady von Veysgrad. Doch Eola konnte sich kaum vorstellen, dass ihre Zauberkraft ausreichte, um eine ganze Festung einzunehmen. Oine hatte sich zwar gegen ein gutes Dutzend Soldaten des Kaisers behaupten können, aber er war auch der legendäre Gesandte. 

“Die Soldaten des Kaisers tragen Gaßperlit, es schützt sie gegen Zauberei”, hatte sie eines Abends Lord Kamm mitgeteilt und er hatte bloß genickt.

“Davon habe ich gehört. Es ist jedoch sehr wertvoll und schwer zu verarbeiten. Soweit ich weiß ist es lediglich seine persönliche Garde, die über solche Rüstungen verfügt.”

Trotzdem bestand diese aus beinah hundert Mann und laut Kamm gab es noch mehr Gaßperlit, das mit Sicherheit gerade zu Rüstungen verarbeitet wurde. Auch ohne den Kaiser würden seine Oligarchen eine nicht zu unterschätzende Gefahr darstellen. Sie würden nicht zulassen, dass ein König aus dem Süden sie einfach überrannte. Kamm hatte Recht, als er behauptet hatte, wenn sie die Magier der Akademie nicht auf ihre Seite zögen, wären sie alle dem Untergang geweiht. Eola konnte nur hoffen, dass die Zauberin ihr bis dahin genug beigebracht hatte, dass sie sich aus dem Staub machen konnte, bevor die Kämpfe begannen. Bis zur Hauptstadt war es ein Marsch von knapp drei Monaten. Kailan setzte zum Angriff an und wieder parierte sie zu spät. Sie ließ den Stecken fallen und jaulte auf.

“Verflucht. Du bist einfach zu schnell.”

Kailan lächelte und trat einen Schritt zurück.

“Oder du bist zu langsam Kleine. Dein Glück hilft dir im Kampf nicht weiter. Du solltest auch ohne mich weiter üben. Was ist mit der Schrittfolge? Zeig sie mir.”

Eola schüttelt den Kopf.

“Ich hab genug für heute. Lass uns morgen weitermachen."

Kailan schnellte vor und der Stecken traf sie auf die Stirn. Es war kein starker Schlag gewesen, trotzdem würde es eine Beule geben.

“Aua! Was zum…”

“Denkst du vielleicht, dein Gegner wird darauf Rücksicht nehmen, ob du Lust hast zu kämpfen?"

Eola verzog wütend die Stirn.

“Ich habe nicht vor, mit euch in diesen verdammten Krieg zu ziehen.”

Kailan rammte den Stecken vor sich in die weiche Erde und verschränkte die Arme.

“Und warum bist du dann hier Eola? Du hast es uns noch immer nicht verraten, obwohl Lord Kamm dich aufgenommen hat, ohne zu Fragen zu stellen. Du schläfst in unserem Lager, isst unsere Vorräte und ich vergeude meine Zeit sogar damit dich zu trainieren, obwohl du nicht kämpfen willst.”

“Soll ich euch bezahlen?”, warf ihm Eola entgegen und ballte die Fäuste.

“Du sollst dein Training verdammt noch Mal ernst nehmen, mehr verlange ich doch gar nicht. Meinst du, du bekommst das hin?”

Eola seufzte, riss sich dann jedoch zusammen und nickte. 

“Nagut. Aber nur weil du mich so lieb darum bittest.”

Kailan schenkte ihr ein kurzes Lächeln, dann zog er seinen Stecken aus der Erde und deutete auf den von Eola, der immer noch am Boden lag.

“Die Schrittfolge!”


Als sie den Übungsplatz verließ, wurde es bereits dunkel und sie hatte überall blaue Flecke. Sie wollte sich nur noch betrinken und dann ins Bett fallen. Die ersten Feuer wurden entzündet, als sie den weitläufigen Burghof durchquerten, um sich in Richtung der Stadt aufzumachen. Männer lachten und tranken und an einem niedrigen Tisch rollten ein paar Würfel über das Brett. Kurz blieb sie stehen, entschied sich dann jedoch dagegen und wollte weitergehen. Doch eine Stimme hielt sie zurück.

“Hey Junge, seid ihr nicht dieser Glückspilz, von dem alle reden?”

Der Mann war eindeutig betrunken und seufzend wandte sich Eola zu ihm um.

“Ich bin nicht in Stimmung.”

“Komm schon? Oder glaubst du, du wärst zu fein für den hohen Lord.”

Es klang zu spöttisch wie er das sagte und in Eola breitete sich etwas aus, das sie lange nicht gespürt hatte. Ein Kribbeln, das sie stets durchströmte, wenn ihr Glück ihr einen Wink geben wollte. Außerdem packte sie der Stolz.

“Ach ja? Der hohe Lord fordert mich also zum Spiel?”, fragte sie ebenso spöttisch und das Grinsen des Mannes gab ihr den Rest. Er trug wie Hessen das Grün der Graßlandlords, schien jedoch etwas jünger als der Vasall dem Bajka zurechtgewiesen hatte. Seine Wangen glühten vor Alkohol und Eola war sich sicher, dass er ein leichtes Ziel war. Also ging sie zu ihm hinüber und setzte sich.

“Was wird gespielt?”

“Drei hoch zwei Tief”, gab einer der Männer wieder.

Eola nickte, sie kannte das Spiel. Dabei wurde geblufft. Man gab an, wie viele Würfelzahlen lagen und was sie zeigten und hob den Becher erst, wenn alle eine Schätzung abgegeben hatte. Der, der am nächsten lag, gewann. Es war kein reines Glücksspiel, aber Eola hatte es genauso selten verloren wie jedes andere Würfelspiel. Sie begannen zu spielen und bald schon war der hohe Lord um zehn Silber ärmer. Bald waren seine Männer arm und nur noch Eola und der Lord warfen. Bald schon stellt sich Eolas Glück allerdings als zu viel für den hohen Lord heraus, denn er wurde immer ungehaltener, setzte immer mehr Gold und war bald bei seinem letzten Ersparten, zumindest beurteilte Eola die skeptischen Blicke seiner Männer so. Das Fass Ale ging zur Neige und ihr Gegenüber hatte bereits so viel davon intus, dass er sich zu einem besonders riskanten Spielzug hinreißen ließ.

“Wartet nur ab Bursche. Euer Glück muss auch mal enden.”

Eola schüttelt bloß traurig lächelnd den Kopf.

“So funktioniert das nicht. Bei jemand anderem vielleicht…”

“Ha!”, rief er und sagte drei Zahlen an, die viel zu hoch waren, um zu stimmen.

“Fünf Einsen”, sagte sie und war sich sicher, dass sie damit falsch lag, fünf Einsen wären ein Wunder. Doch auch sie hatte bereits etwas von dem dunklen Ale getrunken und hatte Ihr Glück wohl unterschätzt, denn als der hohe Lord seinen Becher hob, lagen fünf Einsen auf dem Brett. Er blinzelte, sah erneut hin und blinzelte wieder. Scheinbar hatte er selbst nicht registriert, dass nur Einsen lagen oder er sah bereits doppelt. Eola seufzte und wollte sich erheben, da sprang der Lord auf und riss mit wutverzerrtem Gesicht den Dolch vom Gürtel.

“Ihr betrügt! Soviel Glück ist Hexerei!”

Auch seine Männer waren nicht weniger perplex.

“Ihr seid ein Hexer Bursche, gebt es zu!”

Dabei fuchtelte er mit dem scharfen Eisen vor Eolas Gesicht und lief so rot an, dass sie Angst hatte, er würde gleich explodieren.

“Passt auf damit, sonst tut ihr euch noch weh”, erwiderte sie und erhob sich.

Doch der hohe Lord schien sich Luft machen zu müssen.

“Ist das eine Drohung Junge? Was seid ihr? Ein Spion des Kaisers?”

Eola versuchte zurückzuweichen, doch stieß dabei beinahe an das heiße Eisen der Feuerschale hinter ihr. Sie wich zur Seite aus und kurz sah es so aus, als würde der Lord das Gleichgewicht verlieren. Er hielt sich gerade noch so am Tisch fest, stieß dabei jedoch den Becher um und seine Hand rutschte auf den Würfeln darunter weg. Mit einem dumpfen Geräusch schlug er auf dem Tisch auf und fiel zur Seite. Er kam auf ein Knie, doch etwas stimmte nicht. Im Dunkeln konnte sie erst nicht erkennen, was passiert war, doch dann fror ihr das Blut in den Adern. Der Dolch des Mannes steckte bis zur Parierstange unterhalb seiner Kehle und Blut lief ihm über Brust und Arme. Ungläubig starrte er darauf hinab, dann gab er ein erstauntes Glucksen von sich und starb. Sein Körper sackte schlaff zur Seite und Eole blinzelte irritiert. Dann ging alles sehr schnell. Die Männer des Lords sprangen auf und zwei waren bei ihr, bevor sie reagieren konnte. Die übrigen starrten perplex auf ihren Lord hinab.

“Fesselt sie.”

“Das war Mord!”, rief jemand.

“Hexenwerk”, jemand anderes. 

Wind kam auf und die Feuer in den Schalen flackerte.

Dann schmeckte Eola Erde, als man sie auf den Boden drückte und sich raue Fesseln um ihre Arme und Beine legten. In ihrem Schädel ratterte es. Was war gerade nur passiert? Ihr Glück sollte sie vor so etwas eigentlich bewahren. Wie konnte es nur sein, dass sie, ausgerechnet sie… Doch ihr Kopf spuckte einfach keine vernünftige Erklärung aus. Man trat ihr in die Seite, dann wurde sie auf die Beine gezerrt und über den Hof geschleift.

“Bringt sie vor den König!”, verlangte jemand.

“Tötet den Hexer”, forderten einige, doch jemand trat den Männern in den Weg, die sie in Richtung des Eingangs zur Burg zerrten.

“Was ist hier los?”

Sie erkannte Fremm’s Stimme und hob den Kopf.

“Hexenwerk, er hat den hohen Lord Geiz getötet. Ins eigene Messer, mit Hexenkraft. Wir haben es alle gesehen.”

Fremm sah auf Eola hinab und rieb sich müde über die Augen.

“Ich versteh. Sicher, dass er nicht einfach zu betrunken war … ”

“Seht den Wind, der geht!”

“Wie bei der Zauberin. Er ist mit den Geistern im Bunde”

Fremm seufzte und nickte dann.

“Bringe ihn in den Kerker, der König wird sich morgen mit ihm befassen.”

Langsam kam Eola wieder zu sich. Es gab nur eine logische Erklärung für all das. Ihr Glück hatte sie verlassen. Es lief ihr eiskalt den Rücken hinunter. So ging es also zu Ende. Als Verräter hingerichtet. Vielleicht hatte der hohe Lord Recht behalten. Irgendwann musste jedem einmal das Glück ausgehen, selbst ihr. Vielleicht war sie zu weit von der Küste von Kanaahn entfernt. 

Solange sie an Wunder glaubte, blieb seine Macht ihr bestehen. 

Sie meinte nicht, dass sie aufgehört hatte zu glauben, aber sie war kurz davor.

Das wurde ihr schmerzhaft bewusst, als man sie die Treppe hinab schleifte, durch den feuchten, schimmlig riechenden Gang, bis in die kleine nackte Zelle. Kalte Eisen legten sich um ihre Hände und Füße und dann war sie allein.

Kapitel 3: Glück im Unglück 

 

Eola schlief kaum, ihr war kalt und es gab nur feuchtes Stroh, nicht einmal eine vernünftige Pritsche. Sie verfluchte sich, hätte sich nie hinreißen lassen dürfen zu Spielen und begann irgendwann unruhig in der kleinen Zelle umherzulaufen. Soweit es die schweren Ketten zuließen. Schließlich fiel sie an die Wand gelehnt, in einen leichten Schlaf voller Schatten. Doch die Bilder verschwammen sofort, als sie wieder erwachte. Das Letzte, das ihr noch im Gedächtnis blieb, war der krumme Schatten, der sie verfolgt hatte, auf einen knorrigen Stab gestützt. Als wäre er direkt aus ihrem Traum gestiegen, trat er ins Licht der einsamen Fackel, die schräg gegenüber ihrer Zellentür in einer eisernen Verankerung brannte. Das faltige Gesicht wirkte im Schatten noch älter und sein Stock pochte sachte auf den Boden, als er sich dem Gitter näherte, hallte in tausend kleinen Echos durch die leeren Gänge unter der Burg. Langsam rappelte sich Eola auf und trat argwöhnisch ans Gitter.

“Ihr! Was wollt ihr? Euch an meinem Unglück laben?”

Auf den Zügen des Kaisers zeigte sich ein trauriges Lächeln.

“Mitnichten Kind. Ich will euch helfen.”

Eola schnaubte.

“Warum solltet ihr das tun? Und warum sollte ich euch vertrauen?”

Der Kaiser rümpfte die knochige Nase und rieb sich das Knie.

“Mein Körper versagt, ich hatte vergessen, wie das ist, den Einflüssen der Zeit ausgesetzt zu sein, schrecklich.”

Eola lachte trocken auf.

“Eure Zeit ist abgelaufen, euer Reich zerfällt und ihr werdet sterben, einsam und verbittert. Ich habe euch nichts zu sagen Greis.”

Er nickte bloß, doch seine blauen Augen musterten sie nachdenklich.

“Mein Körper mag versagen, aber mein Verstand ist noch allzu scharf. Ich weiß warum du hier bist, Glückskind. Ich will euch warnen. Bajka ist nicht die, für die ihr sie haltet. Sie wird euch nicht ausbilden. Denn Bajka tut nichts, das ihr selbst keinen Nutzen bringt.”

Eola schwieg und wandte den Blick ab, sie durfte ihm nicht zuhören. Er wollte sie nur verunsichern.

“Warum seid ihr wirklich hier? Auf Ärenfels? Wollt ihr den Feind ausspionieren?”

Der Kaiser zuckte mit den Schultern.

“Der junge König mag gerne versuchen, mein Reich zu stürzen, er wird versagen, wie so viele vor ihm.”

“Euer Reich zerfällt, euer Nebel schwindet.”

“Das mag stimmen, aber die Macht meiner Oligarchen bleibt ungebrochen, sie werden nicht zulassen, dass ihr Reich einfach so von einem König aus dem Süden überrannt wird. 

Mein Rat, Mädchen: Flieht von hier, so lange ihr noch könnt.”

Sie warf entnervt die Arme hoch.

“Nun selbst, wenn ich wollte. Ich sitze hier fest.”

Der Kaiser lächelte und lehnte sich auf seinem Stock leicht vor.

“Ihr seid so frei wie eure Vorstellung reicht Eola. Niemand kann sich euch in den Weg stellen. Ihr verfügt über die Macht eines Drachen. Die einzige Gefahr für mein Reich seid ihr, Glückskind, deshalb folge ich euch. Früher oder später müsst ihr euch dem Schicksaal stellen, dass der rote Riese euch auferlegt hat.”

“Mein Schicksaal ist ganz allein mein eigenes", schnaubte sie. Das unergründliche Lächeln des verschrumpelten Kaisers ging ihr allmählich gehörig auf die Nerven.

“Ihr macht mir keine Angst. Ich werde Bajka’s Schülerin und dann zur mächtigsten Zauberin die der Kontinent je gesehen hat.”

Das Lächeln des Kaisers wurde noch etwas breiter.

“Ich zähle darauf, Kind des Kanaahn.”

Damit wandte er sich zum Gehen und Eola ballte die Fäuste.

“Hey!”, rief sie ihm nach. “Wolltet ihr mir nicht helfen?”

Er drehte sich noch einmal um und legte leicht den Kopf schief.

“Das habe ich doch bereits. Wenn ich euch noch einen Rat geben soll: Traut der Zauberin nicht, sie ist eine finstere Legende, eine Geschichte ohne Trost oder ein glückliches Ende.

Merkt euch meine Worte, Glückskind. Denn Geschichten verschlingen Helden … Immer.”

Dann hatten die Schatten im Gang ihn verschluckt.

 

Sie ließen sich verdammt viel Zeit bis sie Eola holten. Mit den wenigen Sonnenstrahlen, die sie hier unten erreichten, erwachten in den Zellen links und rechts von ihr die Gefangenen.

Eola hielt sich vom Gitter fern, sie hatte keine große Lust, sich mit den schreienden und jammernden Gestalten, die mit ihr im Kerker saßen, auseinanderzusetzen. Schließlich erfüllten Schritte den Gang und jetzt trat sie doch vor ans Gitter und versuchte zu erkennen, wer kam. Die anderen Gefangenen hatten scheinbar dieselbe Idee, denn ein dreckiges Gesicht mit Narben und verfilzten Haaren blickte ihr von rechts entgegen und grinste als es sie sah.

“Uuhui, Frischfleisch.”

Sein Grinsen wurde noch breiter und Eola funkelte ihn an.

Dann hatten die Soldaten ihre Zelle erreicht und der Wachmann schloss ihre Zellentür auf.

“Zurück an die Wand!”, befahl er und Eola folgte seinem Befehl.

Hinter ihm stand, begleitet von zwei Wachen, Lord Kamm und nickte ihr kurz zu.

“Der Lord hat sich für euch verbürgt. Ihr dürft die Burg jedoch nicht verlassen, bis der König Zeit hat, sich mit euch zu befassen.”

Eola nickte und warf dem Lord einen dankbaren Blick zu. Die Wachen begleiteten sie aus der Zelle und Eola rieb sich die zerschundenen Handgelenke, als die schweren Ketten davon abfielen. Der Gefangene in ihrer Nachbarzelle, machte ein langes Gesicht und im Vorbeigehen streckte sie ihm unauffällig die Zunge raus. Zurück im Burghof, beobachtete sie das rege Treiben. Man hatte einige der Karren in den Hof gezogen und Männer in Rüstungen beluden sie mit Waffen und Proviant. Scheinbar machte man sich daran, die Burg zu verlassen.

“Ihr werdet beim Verladen helfen. Lord Kamm, ihr seid für den Gefangenen verantwortlich."

Der Lord nickte, dann wechselten einige Münzen den Besitzer.

“Ich werde dafür aufkommen”, erbot sich Eola, als die Wachen sich entfernt hatten, doch Kamm warf ihr einen bösen Blick zu.

“Euer Gold wurde konfisziert, genau wie eure restliche Habe.”

Eola knirschte mit den Zähnen, nickte jedoch.

“Ihr brecht bald auf?”, fragte sie dann und Lord Kamm nickte.

“Ende der Woche wird eine Vorhut nach Riedhalm aufbrechen.”

Eola nickte. Kamm sich zu ihr um und jetzt erkannt sie die unterdrückte Wut die ihm ins Gesicht geschrieben stand.

“Wisst ihr was ihr angerichtet habt Kind?”

Sie schluckte.

“Ich habe doch gar nichts getan. Der hohe Lord war betrunken und ist in sein eigenes Messer gefallen. Es war ein Unfall”, verteidigte sie sich.

“Ein Unfall sagt ihr also? Das sind die Männer des Lord Geiz aber andere Meinung.

Man beschuldigt euch der Hexerei.”

Eola schnaubte.

“Weil sie keine Ahnung haben.”

“Wovon?”, fragte Kamm und zog eine Augenbraue hinauf. “Ich habe euch spielen sehen.”

Eola gefiel es gar nicht, wie er das sagte. In seiner Stimme schwang ein gefährlicher Unterton mit. Dann seufzte er und rieb sich das Nasenbein.

“Wie auch immer. Das Problem ist größer als ihr. Lord Geiz hatte dem König Männer versprochen. Krieger, die mehr über das Kaiserreich und ihre Schwachpunkte wissen, als sonst eine Einheit. Sie sind tief ins Kaiserreich vorgestoßen. Der König erwartet ihre Rückkehr, aber ohne ihren Lord ist es fraglich, ob sie uns noch helfen werden.”

“Oh.”

“Ich fürchte, ich kann nicht viel für euch tun, falls der König entscheiden sollte, euch an die Männer des Lord Geiz auszuliefern und ihrem gerechten Zorn.”

Eola biss die Zähne aufeinander, sagte jedoch nichts mehr. Was war nur mit ihrem Glück los, es hatte sie doch nicht tatsächlich verlassen?

“Ein Gutes hat das Ganze allerdings.”

Kailan hatte sich von hinten genähert, ohne dass Eola es bemerkt hatte.

“Wäre euer Fall nicht so brisant, hätte der König euch vermutlich einfach hängen lassen.

Und was ist daran gut?”, wollte Eola wissen.

“Ihr habt die Chance, euch zu verteidigen, euren Fall zu erklären. Wenn ich an eurer Stelle wäre, würde ich einfach zugeben, dass ich Magie gewirkt habe. Damit fallt ihr unter die Gerichtsbarkeit des Königs und er kann euch nicht mehr an Geiz Männer ausliefern.”

“Er ist der König, er kann tun und lassen was er will”, brummte Kamm.

“Habt ihr denn Magie gewirkt?”, fragte Kailan und musterte sie neugierig.

“Ich habe ihn nicht getötet, falls ihr das andeuten wollt.”

Kailan hob abwehrend die Hände.

“Ich meinte beim Spiel. Ihr seid keine Mörderin Eola, da bin ich mir sicher.”

“Ich danke für euer Vertrauen Kailan.”

Es war nur ein bisschen sarkastisch, wie sie das sagte, doch Kailan lächelte.

“Genug von all dem. Macht euch an die Arbeit ihr beiden!”, wies Lord Kamm sie nun streng zurecht und entfernte sich bereits bevor Eola oder Kailan noch etwas erwidern konnten.

Den Rest des Tages verbracht sie damit Kailan beim Beladen der Wägen zu helfen und jeder ihrer Muskeln schmerzte als es endlich zu dämmern begann. Die Männer des Lord Geiz, die am Abend des Unglücks dabei gewesen waren, warfen ihr zwar ständig finstere Blicke zu, aber sie versuchte sie soweit es ging zu ignorieren. Dann, als sie schon meinte der König habe sie vergessen, betrat Lord Fremm den Burghof und sah sich um. Als er sie entdeckte, kam er, gefolgt von einer Gruppe Gardisten in ihre Richtung. Kailan gesellte sich zu ihr und legte Eola eine Hand auf die Schulter.

“Du schaffst das schon. Erzähl ihnen einfach, was passiert ist. Der König ist ein gerechter Mann.”

“Zu eurer Frage. Ich bin keine Magierin, aber mein Glück könnte man wohl als magisch bezeichnen.”

Er runzelte die Stirn.

“Es hat etwas mit meiner Geburt zu tun. Habt ihr schon einmal von Glückskindern gehört?”

Er wollte noch etwas sagen, doch da hatten die Männer des Königs sie erreicht und Kailan verstärkte nur noch einmal sanft den Griff um ihre Schulter.

“Eolan?”, fragte Lord Fremm und Eola nickte. Es war der Name, den sie benutzte, seit sie in das Lager von Lord Kamm eingezogen war.

“Der König wird sich jetzt mit euch befassen.”

Damit drehte er sich um und die Soldaten nahmen sie in ihre Mitte. Kailan schenkte ihr noch einmal ein aufmunterndes Lächeln, dann wandte er sich wieder seiner Arbeit zu. Eola kaute nervös auf ihrer Unterlippe, während man sie in die Burg führte, dieselben Gänge hinab, die sie auch mit Lord Kamm und seinen Gardisten gekommen war, als sie das erste Mal zum Treffen im Thronsaal gewesen waren. Dann bogen sie jedoch in Richtung einer Treppe ab, die nach oben führte, und Fremm gab den Gardisten ein Zeichen. Zwei davon positionierten sich am Treppenaufgang und nur einer von ihnen folgte nach oben. Sie starrte auf Lord Fremm’s Rücken, während sie ihm die Treppe hinauf folgte. Sie bogen erneut ab, dann kamen sie vor einer schweren Eichentür zum Stehen. Irritiert runzelte sie die Stirn, als weder Fremm noch der Gardist Anstalten machte, sie zu öffnen. Es schien beinahe, als hätten sie Angst und nach einiger Zeit des stillen Wartens erklang von der anderen Seite der Tür eine Stimme. Eola stutzte, dann musste sie lächeln.

“Herrein”, erklang die melodische Stimme der Zauberin von der anderen Seite der Tür.



Kapitel 4: Bajka

 

Ihr Glück hatte sie nicht verlassen, es hatte sie genau hierher geführt. Nur dass diesmal ein Mensch dabei ums Leben kam. Das war bisher noch nie passiert, doch es minderte ihre Vorfreude nicht. War das schlecht, machte sie es zu einem schlechten Menschen?

Sie wusste es nicht. Eola konnte es nicht beeinflussen, also warum sollte sie sich darüber den Kopf zerbrechen? Sie sah Lord Fremm an und er brummte etwas.

“Die Zauberin wird euch testen. Wir werden euch nicht zum König vorlassen ohne ausschließen zu können, dass ihr tatsächlich Magie wirken könnt. Macht schon, sie wartet nicht gerne.”

Eola nickte, dann drückte sie die Klinke hinunter und trat ins Zimmer.

Der Raum dahinter war nicht groß, aber geräumig. Er erinnerte eher an das Zimmer eines Grafen, denn einer Lady.

“Schließt die Tür Junge!”, befahl Bajka in barschem Ton, sie sah nicht von den Briefen, auf die sie studierte. Mitten im Raum stand ein massiver Schreibtisch mit einer kleinen Lampe darauf, in der einsam eine Kerze brannte. Hinter der Zauberin befand sich ein großes Fenster, durch das die rote Abendsonne ihre letzten Strahlen sandte. Eola schloss die Tür hinter sich und sah sich dann im Zimmer um. An den Wänden hingen alte Gemälde, die hauptsächlich Landschaften zeigten, aber auch den ein oder anderen Edelman, niemanden, den Eola kannte, aber dem Anschein nach Verwandte des Lord von Ärenfels. Das Zimmer war offensichtlich nicht ihres, auch wenn sie hier und da dem Raum einen Funken ihrer Persönlichkeit hinzugefügt hatte. Auf der Anrichte neben der Tür stand eine dunkle Schale mit glimmenden Kräutern, auf dem Bücherregal links von ihr lag der glänzende Schädel eines Tieres und auf einem kleinen Beistelltisch in einer Ecke des Raumes lag ein Haufen Pergamentrollen. Der Schreibtisch war aufgeräumt, aber man sah, dass sie arbeitete, ein aufgeschlagener Foliant, der eine Karte der Region zeigte und das aufgeschraubte Tintenfass, in das sie gerade die Feder tunkte, dazu eine große goldene Sanduhr durch die unglaublich langsam eine flüssig Substanz tropfte, statt Sand. Es gab einen Spiegel, so hoch wie Eola selbst, doch die Oberfläche war dumpf, als sei er verstaubt. Wenn Oines Zimmer im Wirtshaus bei Madiskat gemütlich und einladend gewirkt hatte, so merkte man diesem Raum an, dass er vom brutalen Pragmatismus einer Frau geprägt war, die nichts Überflüssiges herumliegen ließ und Ordnung schätzte. Außer diesen seltsamen Schädel vielleicht. Eola kannte kein Tier, von dem er stammen könnte. Doch bevor sie Zeit hatte, einen längeren Blick darauf werfen zu können, hob Bajka den Kopf, verkorkte das Tintenfass und legte die Feder beiseite. Heute trug sie dunkles Grau, ein Gewand, das im Gegensatz zum nachtblauen Kleid ihrer ersten Begegnung beinahe schlicht wirkte. Und doch war es alles andere als das. Es bestand aus einem Stoff, der das Licht zu brechen schien und ihn so silbrig schimmern ließ. Die langen schmalen Ärmel hatte sie hochgekrempelt. Vor ihrer Brust wurde das Kleidungsstück von einer silbernen Brosche zusammengehalten. Die Haare trug sie wie immer offen. Während sie Eola musterte, drehte sie gedankenverloren an einem dünnen Goldreif an ihrem Handgelenk, in dem blasse Steine saßen, die das Sonnenlicht einfingen. Ihre dunkelblauen Augen schienen weniger aufgewühlt als am Tag im Thronsaal und ihre ganze Mimik wirkte mehr neugierig als argwöhnisch, so wie Eola es erwartet hatte.

“Steht da nicht so herum.”

Dabei deutete sie auf den Stuhl ihr gegenüber und Eola fiel auf, das auf ihren Unterarmen Runen aufgezeichnet waren, in feinem Schwung, mit einer heller Tinte, sodass man sie beinahe übersehen konnte. Eola setzte sich, doch sobald sie saß, lehnte Bajka sich zurück und wedelte mit der Hand vor dem Gesicht, als wolle sie einen aufdringlichen Duft vertreiben. Dabei verzog sie leicht das Gesicht. Eola errötete. Sie musste gewaltig stinken nach ihrer Nacht im Kerker und der Plackerei im Burghof. Dann seufzte die Zauberin, doch selbst das klang melodisch und strich sich mit der Hand das Haar hinters Ohr.

“Als hätte ich nicht genug zu tun.”

“T-tut mir leid”, stammelte Eola. Es kam ihr kaum ein klares Wort über die Lippen.

Die Zauberin sich wohl bewusst welche Wirkung sie auf Eola hatte, zog skeptisch eine Augenbrauen in die Höhe und musterte sie erneut.

“Sie haben mir gesagt ihr wärt ein Junge.”

D-das bin ich auch, Herrin.”

Bajka wedelte erneut mit der Hand.

“Spart euch das Mädchen. Ihr sprecht mit keinem einfältigen Gardisten, oder Bauerntrampel. Ihr sollt also eine Hexe sein?”

Dabei blickte sie Eola mit spötischem Lächeln an und die bloße Anmaßung kratzte an Eolas Stolz und es machte sie tatsächlich mutiger.

“Keine Hexe, aber vermutlich mächtiger als ihr.”

“Ach ja?”, fragte die Zauberin und ein ehrlich amüsiertes Lächeln umspielte ihre Lippen.

“Ihr seid entweder mutig oder dumm, das zu behaupten, vermutliches sogar beides. Diese Eigenschaften liegen nah beieinander.”

Eola straffte die Schultern und reckte das Kinn.

“Ich bin bereit, euren Test über mich ergehen zu lassen, aber nur unter einer Bedingung.”

“Oh, der Test hat bereits begonnen. 

Aber ich fürchte, er wird nichts darüber aussagen, ob ihr tatsächlich schuldig seid.”

“Vielleicht solltet ihr das eurem König sagen.”

Bajka verschränkte die Finger und sah sie über die Knöchel hinweg weiterhin an.

“Wie heißt ihr wirklich Mädchen?”

“Eola, ohne N.”

Die Zauberin nickte, dann stand sie auf und ging zum Fenster. Von wo aus sie einen guten Blick in den Burghof hatte.

“Ich habe euch beobachtet, seit sie euch aus dem Kerker geholt haben. Ihr kommt aus Riedhalm?”

“Nein. Ich komme von weiter her. Lord Kamm hat mich aufgenommen, als ihm klar wurde, dass ich ganz alleine unterwegs bin.”

Die Zauberin nickte und wandte sich wieder zu Eola um. Dann stützte sie die Hände auf die Lehne ihres Stuhls und sah auf den Brief hinunter, den sie verfasst hatte, als Eola eingetreten war.

“Eolin glaubt ihr hättet ihn mit Absicht seines Lords beraubt, um sein Vorhaben zu sabotieren. Ich traue, dem Kaiser zwar zu, dass er Spione in unseren Reihen hat, aber wohl kaum, dass dieser sich so delinquent anstellen würde.

“Delinquent?”

“Dumm”, erklärt Bajka und seuftzte.

“Ich weiß ehrlich gesagt nicht, was ich mit euch anstellen soll Eola. Mir scheint ihr ward einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort. Aber einer unserer wichtigsten Verbündeten ist jetzt tot und wir brauchen nun einmal einen Schuldigen. Versteht ihr mein Dilemma?"

Eola nickte.

“Aber ihr habt mich auch neugierig gemacht. Ihr glaubt tatsächlich mächtiger zu sein als ich, wo ihr so vom Pech verfolgt seid? Man sagt, Magie wirkt sich auf das Schicksal derer aus, die sie wirken.”

Eola musste Lächeln. Welche Ironie, dass Bajka das so sah, wie unterschiedlich sich die Dinge doch interpretieren ließen.

“Dann hat mich das Schicksal wohl zu euch geführt, Lady. Manch einer, der mich getroffen hat, würde euch außerdem widersprechen. Wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich mehr Glück als die meisten.”

Bajkas Augen verengten sich, doch sie erwiderte nichts.

“Ihr habt etwas im Thronsaal gesagt, als ihr zu den Lords spracht.”

Bajka hörte ihr weiterhin zu, doch etwas regte sich in ihrem Gesicht, das Eola nicht deuten konnte.

“Ihr habt gesagt, ihr hättet den Untergang des Kaisers vorhergesehen. Stimmt das?”

Bajka nickte.

“Sein Tod steht seit Jahren in den Sternen geschrieben.”

“Aber er ist nicht tot.”

Bajka nickte erneut.

“Und das, was ihr über den Siegeszug der Hügelländer gesagt habt, stimmt es?”

Bajka zuckte mit den Schultern.

“Die Zukunft ist nicht fest. Sie verändert sich.”

“Aber der Tod des Kaisers ist unausweichlich?”

Bajka zögerte, dann nickte sie zum dritten Mal.

“Worauf wollt ihr hinaus Kind?”, seufzte sie dann. “Ich muss eine Entscheidung treffen und wir haben nicht ewig Zeit.”

“Ihr habt den Untergang des Kaisers nicht gesehen, aber ich habe es. Ich kann euch sagen wo er ist, aber ich erwarte eine Gegenleistung.”

Bajka runzelte die Stirn.

“Ihr beliebt zu scherzen. Der Kaiser wurde seit Madiskat nicht mehr gesehen.”

Eola nickte.

“Ich war dort. Aber bevor ich euch mehr erzählen kann, müsst ihr es mir versprechen.”

“Was?”, fragte die Zauberin gereizt.

“Das ihr mich ausbildet. Mir die Zauberei beibringt.”

Bajka schnaubte belustigt.

“Falls ich das tue und falls es überhaupt möglich ist …”

“Oh es ist möglich. Ich weiß es so sicher, wie die Sonne untergeht.”

Bajka warf ihr einen bösen Blick zu.

“Unterbrecht mich nicht. Falls ich dem zustimme und es müsste schon ein Wunder passieren, dass der König dem zustimmt. Woher weiß ich, dass ihr die Wahrheit sprecht?”

Eola überlegte kurz, dann beschloss sie, alles auf eine Karte zu setzen.

“Er ist hier, in der Stadt.”

“Wer?”

“Der Kaiser, natürlich.”

Wieder verzog Bajka die Stirn und lächelte spöttisch.

“Das ist unmöglich. Ich hätte ihn gespürt. Niemand mit so viel Zauberkraft wie der Kaiser verbirgt sich vor mir.”

Eola grinste.

“Er hat seine Kräfte verloren. Deshalb zieht sich der Nebel zurück. Er ist nicht mehr als ein sterblicher Greis und er ist hier auf Ärenfels.”

Die Zauberin sah sie immer noch skeptisch an, doch etwas in ihrem Blick verriet Eola, dass sie schon gewonnen hatte.

“Wenn er hier ist, werden wir ihn finden, bis dahin werde ich keine Versprechungen machen.”

“Aber wenn ihr ihn findet, bildet ihr mich aus.”

Und Lady Bajka von Veysgrad rollte mit den hübschen blauen Augen.

“Ja, wenn ihr die Wahrheit sprecht und wir den Kaiser in Gewahrsam nehmen können, wird wohl selbst der König nicht widersprechen und ich werde euch ausbilden."



Kapitel 5: Von Greisen und Lords und Ladys

“Ein Glückskind?”

Kailan nickte und nahm einen Schluck Ale.

“Das waren ihre Worte. Es würde erklären, wie sie Sellen so regelmäßig ausgenommen hat.”

Dabei stieß er dem jungen Gardisten neben ihm den Ellenbogen in die Seite.

Sellen murmelte etwas und vertiefte sich wieder ins Essen.

“Hat sie je erwähnt, woher sie überhaupt kommt?”

Lord Kamm schüttelte den Kopf.

“Sie hat oft vom Meer gesprochen. Ich glaube, ihre Großmutter war Piratin. Eine freie Frau der Silbersee.”

Sellens Augen ruhten auf dem Lord und das Essen rutschte ihm von der Gabel.

Kailan lehnte sich zurück und wischte sich die Lippen ab.

“Jedenfalls wird sie mit uns in Verbindung gebracht. Wir können es uns nicht leisten, das Vertrauen des Königs zu verlieren. Wenn sie tatsächlich schuldig gesprochen wird, müsst ihr euch von ihr distanzieren, Lord."

Lord Kamm warf ihm einen kurzen Blick zu, dann schweiften seine wachen Augen wieder ab und sein Blick wanderten erneut rastlos durch die Taverne, wie sie es auch zuvor getan hatten.

“Ich fürchte, dafür ist es bereits zu spät.” Er schenkte sich Ale nach, dann fuhr er fort. “Sellen, ihr kennt die Kleine am besten, wenn sie Probleme macht, will ich das ihr sie überzeugt uns da raus zu halten.”

Sellen legte die Gabel weg. 

“Ich glaube kaum, dass sie uns Probleme machen will, sie ist unschuldig. Wir sollten zu ihr halten Lord.”

Kamm warf ihm einen strengen Blick zu.

“Lasst eure Gefühle für sie euch nicht täuschen. Sie ist nicht unschuldiger als der Alkohol, der Geiz ins Messer gestürzt hat. Ihr tut, was man euch sagt oder ich schicke euch zurück zu eurem Vater.”

Sellen wurde blass und nickte schnell.

“Natürlich Lord.”

Das Wirtshaus füllte sich immer noch mit den Männern des Königs und die Stimmung wurde immer ausgelassener. Die Abreise stand bevor, Sorgen wurden ertränkt und man soff sich Mut an. Ein Barde spielte auf und die Frauen aus den wenigen Freudenhäusern der Stadt verdienten sich eine goldene Nase. Kailan beobachtete wie die Männer des Geiz an einem Tisch weiter immer wieder zu ihrem Tisch hinüber sahen und er fragte sich, was man ihnen über den Lord Kamm erzählt hatte. Gingen bereits Gerüchte, er sei mit dem Verräter im Bunde? Er wagte zu bezweifeln, dass sie öffentlich gegen den Lord vorgehen würden, aber es gab andere Wege, ihn dafür zur Rechenschaft zu ziehen, dass er Eola Zuflucht gewährt hatte.

Kailan mochte Eola, aber sie hatte den Lord von Riedhalm in eine ungünstige Position gebracht. Er hatte sich vor Lord Leutnant Fremm rechtfertigen müssen und die Abfindung, die er hatte zahlen müssen, waren so hoch, dass sie den Lord abhängig vom König und seinen Vorräten machte. Das war mit Sicherheit die Absicht dahinter gewesen, trotzdem hatte Lord Eolin nichts unternommen um sie vor der Wut der Graßlandlords zu schützen. Während Kailan nachdachte, wurde das Geklapper von Rüstungen hinter der Tür laut und keine halbe Minute später traten vier Gardisten ein, das Wappen des Königs auf der Brust. Sie waren nicht zum Trinken hier, das erkannte Kailan sofort und er fragte sich, ob ihr Auftreten etwas mit Eolas Verhaftung zu tun hatte. Doch statt an ihren Tisch zu kommmen, sah sich der Hauptmann, der Lord Fremm direkt unterstand, im Wirtshaus um. Er deutete auf einen Tisch in der Ecke. Daran saßen die älteren und betagten Männer und starrten missmutig in ihre Krüge.

“Ergreift sie! Alle die krumm und alt sind!”

Dann hob er die Hand und es wurde still im Wirtshaus, während seine Gardisten zum Tisch der Greise liefen und die Männer von ihren Stühlen zerrten. 

“Wir sind hier auf Befehl des Königs. Wir suchen nach einem Greis, alt und mit einem verkrüppelten Knie. Er hat einen Stock bei sich.”

Was ungefähr auf so jeden alten Mann in der Stadt zutrifft, dachte Kailan und warf seinem Lord einen kurzen Blick zu. Dieser sah mit besorgtem Blick zum Hauptmann der Gardisten hinüber. 

“Er ist gefährlich und vermutlich bewaffnet. Jeder der ihm Schutz gewährt muss mit Konsequenzen rechnen.”

Die zeternden und jammernden Greise wurden aus dem Raum geschleift, doch noch blieb der Hauptmann zurück.

“Wenn jemand etwas gesehen hat, wäre jetzt die Zeit es zu sagen.”

“Es gibt viele solcher Greise”, beschwerte sich jemand.

Der Hauptmann nickte.

“Deshalb sind wir auf eure Mithilfe angewiesen. Für jeden Hinweis zahlt der König gut, demjenigen, der ihm den Gesuchten liefert, verspricht er einen jeden Wunsch zu erfüllen. Aber es muss der richtige sein, hört ihr! Niemand will euren schwachen Großvater haben.”

Daraufhin wurde Gelächter laut und der Hauptmann nickte noch einmal. Dann verließ er hinter seinen Männern das Wirtshaus. Kailan beugte sich vor und warf seinem Lord einen bedeutsamen Blick zu.

“Das könnte uns von Nutzen sein, Lord. Wenn wir diesen Greis finden, können wir nicht nur Eola helfen, sondern unsere Mitschuld am Tode des Lord Geiz begleichen.”

Lord Kamm nickte, beobachtete jedoch immer noch die Männer am Tisch nebenan.

"Ich fürchte allerdings, seine Männer haben eine ganz ähnliche Idee.”

Kailan folgte seinem Blick und lauschte darauf, was die Soldaten besprachen, die verschwörerisch die Köpfe zusammengesteckt hatten.

“Sie werden fordern, sie auszuliefern”, ging Sellen auf und Kailan nickte.

“Mit Sicherheit. Wir müssen diesen Greis vor ihnen finden, keine Frage. Wie lautet euer Befehl Lord?”

Kamm nickte.

“Nehmt euch drei Männer und durchsucht die Stadt, aber seid unauffällig und kommt den Gardisten des Königs nicht in die Quere.”

Kailan nickte und stand auf. Sellen wollte ihm folgen, doch Lord Kamm hielt ihn mit einer Handbewegung zurück.

“Ihr nicht Junge. Eure Aufgabe ist es, im Burghof zu kampieren, bis heraus ist, wie es um unser kleines Glückskind steht.”

“Sie ist bereits seit drei Stunden in der Feste”, protestierte Sellen. “Ich will Kailan helfen. Wir schulden es dem Mädchen.”

“Wir schulden dem Gör gar nichts, außer ein paar Gewänder”, schallt der Lord ihn und Sellen senkte beschämt den Kopf. Kailan legte ihm eine Hand auf die Schulter und lächelte ihm zu.

“Kopf hoch, Junge. Wir holen sie schon da raus, dann könnt ihr dem Mädchen den Hof machen. Falls sie euch denn will.”

Dass er dies stark bezweifelte, behielt er lieber für sich, er wollte die Moral des Jungen nicht noch weiter schmälern. Dann verließ Kailan das Wirtshaus und machte sich auf den Weg zurück ins Lager.


~


Man hatte sie in einen Zuber gesteckt und abgeschrubbt. Eine Zofe hatte versucht, ihr Haar zu zähmen, das mittlerweile bis zu den Schultern ging. Doch sie hatte gezappelt und geflucht, als sie versucht hatte, die Knoten heraus zu kämmen und dabei das halbe Bad unter Wasser gesetzt. Dann hatte man sie in ein Kleid aus grüner Leine gesteckt, das so eng geschnürt war, dass sie darin beinahe erstickte. Als die Zofe mit ihr fertig war, hatte sie die Schnüre am Rücken heimlich wieder gelockert. Sie fragte sich, wann sie das letzte Mal ein Kleid getragen hatte. Beim Tanz auf Achtern, oder war es auf einem der Dorffeste bei Hattock gewesen? Sie wusste es nicht mehr. Man würde sie in der Burg behalten, bis die Soldaten den Kaiser gefunden hatten. Die Zauberin hatte jedoch verlangt, dass man sie ordentlich behandelte. Wenn es nach Lord Fremm gegangen wäre, hätte sie vermutlich noch eine Nacht im Kerker verbracht. Jetzt stand sie im Speisesaal des Königs und betrachtete das überproportionierte Familiengemälde hinter dem Stuhl am Tafelende. Der junge Lord war seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten, seine Mutter war eine blasse Schönheit mit noch blasserem Haar, das auf dem Bild beinahe weiß wirkte. Brüder hatte er keine. Die Familie von Ärenfels hatte jedoch einige Bastarde hervorgebracht, von denen sich nicht wenige als Lords der Hügelländer oder dem ferneren Graßland etabliert hatten. Der lange Tisch war bereits gedeckt und Kerzen brannten in hohen Leuchten. Sie hatte nicht erwartet, in hoher Gesellschaft zu speisen, aber Bajka hatte darauf bestanden, ganz zum Verdruss der Frau, in dessen Obhut sie Eola gegeben hatte. Lady Tahlwynn war eine Frau Ende dreißig, mit strengen Zügen und braunem Haar, das sie zu einer kunstvollen Frisur zusammengesteckt hatte. So kompliziert ihre Frisur auch war, ihr Gemüt kannte nur zwei Zustände, grantig und garstig. Eola war sich nicht einmal sicher, ob man diese in zwei verschiedene Gemütszustände unterteilen konnte. 

Jetzt vernahm sie Schritte jenseits der massiven Flügeltüren, die in einen langen Gang und dann zum Thronsaal führten. Schnell eilte sie zu dem Platz am Ende der Tafel zurück, an den Lady Tahlwynn sie verwiesen hatte, dann ging die Tür auf und die hohen Herrschaften betraten den Saal. Der König war nicht unter ihnen, dafür aber eine Reihe hoher Lords und Ladys, die Eola bereits im Thronsaal auf der hohen Treppe stehen sehen hatte. Lady Thalwynn wurde von drei Frauen begleitet, sie alle trugen kunstvolle Kleider und unterhielten sich im Flüsterton. Die Mutter des Königs ging eingehakt bei einem Lord mit einem Gewandt aus Brokat, dem Onkel des Königs. Rechts von ihm ging ein älterer Edelmann dessen feine Lippen ein Lächeln umspielte, das Eola sofort gefiel. Seinen Namen kannte sie nicht. Eola hatte sich gefragt, warum die Zauberin sie zum Essen mit den höchsten Persönlichkeiten des Königshofes geschickt hatte und war zu dem Schluss gekommen, dass Bajka sie testen wollte. Sie hatte sich vorgenommen, gut zuzuhören und alles über den Hofstaat Eolin’s zu lernen, was ihr in der kurzen Zeit möglich war. Doch als sie Lady Tahlwynn kennengelernt hatte, war ihr bereits bewusst geworden, dass es eine Menge Geduld und höfliches Nicke erfordern würde. Etwas, das ihr nun wirklich nicht lag. Die Lords und Ladys nahmen ihre Plätze ein, wobei die wenigsten von ihnen Eola Beachtung schenkten. Nur die Mutter des Königs warf ihr einen argwöhnischen Blick zu und Musterte sie lange, dann nahm sie am Ende der Tafel Platz, direkt neben Eola und gegenüber dem Stuhl, auf dem sonst der König sitzen musste.

“Eola richtig?”, fragte sie und hielt Eola die behandschuhte Hand hin. Unschlüssig, was sie damit anfangen sollte, ergriff sie die ausgestreckten Finger und schüttelte sie leicht. Ein dünnes Lächeln umspielte die Lippen der Königinmutter.

“Das Kleid steht euch, es betont eure Augen.”

Eola nickte.

“Ihr dürft ruhig sprechen, Mädchen. Woher kommt ihr?”

“Von hier und da, aber mein Zuhause ist die See.”

“Eine Wellenfürstin?”

Eola sagte der Begriff nichts, sie konnte nur vermuten, dass die Piratenkönige der Silbersee im Süden so genannt wurden.

“Es ist kein Tropfen adliges Blut in mir. Die freien Frauen erhalten ihre Titel im Kampf.”

“Also seid ihr eine Kriegerin, Eola von der Silbersee?”

Sie zuckte mit den Schultern.

“Nicht wirklich.”

Die Lord und Ladys hatten sich gesetzt und jetzt eilten Diener herein, die von silbernen Servierwagen begannen, Speisen aufzutischen. Es kam ihr reichlich übertrieben vor, so viel Essen konnte nicht einmal eine Horde Priester nach dem Fasten vertilgen. Schon stieg ihr der Geruch von gebratenem Fleisch und geschmortem Gemüse in die Nase und einer der Diener schenkte süßen Wein ein.

“Soll ich euch die Anwesenden vorstellen, Kind?"

Sie nickte eifrig und die Mutter des Königs lächelte erneut.

“Meinen Namen solltet ihr ja bereits gehört haben.”

“Ihr seid Ysabeth Windthor, die Mutter des Königs.”

“Die Königinmutter, aber ihr könnt mich Lady Ysabeth nennen. Der Lord rechts vom Stuhl des Königs ist mein Schwager, Lord Hagen, Markgraf von Dornquell. Links von ihm sitzt seine Lady von Dornquell, Roswyna. Durch ihn haben wir die Ländereien westlich des Fluss Dorn in dem kommenden Konflikt auf unserer Seite. Er musste jedoch Teile seiner Länder bei Ayskamm als Mitgift an ihren Vater abgeben, er ist dem Kaiser noch immer ergeben. Wir hoffen ihn jedoch durch Roswyna auf unsere Seite zu ziehen.”

“Warum erzählt ihr mir all das? Denkt der König nicht mehr, ich wäre ein Spion?”

“Oh doch, nur werdet ihr die Burg nicht allzu bald verlassen und nicht mit Atem in euren Lungen, solltet ihr tatsächlich spionieren.”

Eola zog eine leichte Grimasse, nickte jedoch.

“Verstehe. Dann fahrt gerne fort Lady Ysabeth.”

“Keine Angst, wenn ihr die Wahrheit sprecht und wir durch euch des Kaisers habhaft werden können, wird euch nichts zustoßen.”

Eola nickte.

“Warum seid ihr so nett zu mir?”

Lady Ysabeth fuhr ohne hinzusehen mit dem Finger über das Besteck neben ihrem Teller, dann antwortet sie:

“Weil ich selbst einst eine Fremde am Hof war. Mein Vater war einer der unbekannteren Lords aus dem Osten, dort wo es nur Sand und steinige Felsen gibt. Ich bin vielleicht keine freie Frau, aber die Stämme der Steppe sind wild und wir leben in keinen hohen Burgen oder Schlössern.”

Eola hörte interessiert zu und beobachtete derweil, wie der Lord links vom Stuhl des Königs, der Mann mit dem verschlagenen Lächeln, das ihr bereits aufgefallen war, sich immer mehr Essen auf den Teller häufte. Im Gegensatz zum Onkel des Königs, ein hochgewachsener Mann mit feinen Zügen, buschigen Augenbrauen und langem dunklen Haar, war diesem Lord anzusehen, dass er gern und viel aß. Er trug ein gold-gelbes Gewand mit Stickereien und sein schütteres Haar war zur Seite gekämmt. An den dicken Fingern trug er unzählige Ringe und seine lange Nase schnupperte genüsslich an den unzähligen Speisen.

“Ormund von Giesen”, erklärte Ysabeth, die ihren Blick wohl bemerkt hat, er ist mit der Gräfin Rothfels verwandt und hat ihre jüngere Schwester Einira geheiratet. Sie ist viel zu jung für ihn, wenn ihr mich fragt”, und sie deutete auf die Frau an seiner Seite, die ungefähr in Eolas Alter sein musste. Sie hatte goldblondes Haar und ihre Züge waren so fein, das Eola Angst hatte, sie könnten beim Lächeln zerbrechen. Aber er hat eine Mitgift geboten, die seine Großtante nicht ausschlagen konnte, auch weil sie als Gräfin über die letzten Ausläufer der Nebelklippen, kaum über ein Stückchen Land verfügt das etwas abwirft.”

“Ich dachte, Rothfels liegt am Tau, fördert man dort nicht Lehm? Und was ist mit Gestein aus den Bergen?”

Die Königinmutter hob anerkennend eine Braue.

“Schlaues Kind, aber leider hat der Kaiser das Monopol auf den Abbau jeglichen Gesteins der Nebelklippen und sein Nebel hat es der Gräfin bisher unmöglich gemacht eigene Vorkommen zu erschließen. Die Tongruben sind zwar eine gute Einnahmequelle gewesen, aber sie sind vor drei Jahren versiegt, da die Flüsse aus den Bergen einfach keinen Ton mehr aufgeschwemmt haben. Vermutlich hat auch das etwas mit den Nebeln des Kaisers zu tun. Durch Lord Ormund haben wir aber nicht nur die Gräfin von Rothfels auf unserer Seite. Giesen liegt bei den Goldhainen und der Boden ist fruchtbar wie sonst nirgends. Die Graßländer werden jährlich überflutet, was die Bewirtung der Böden beinahe unmöglich macht und die Hügelländer, nunja, dort wachsen hauptsächlich Sträucher und Dornen. Manche Gegenden sind bewirtbar, aber sie werfen nur wenig Ertrag ab.”

Eola nickte und folgte dann der Königin Mutters Beispiel, die beim Reden begonnen hatte, sich Essen aufzutun.

“Also finanziert Lord Ormund diesen Krieg?”

Lady Ysabeth nickte.

“Die Lords der Graßlande stellen uns Pferde zur Verfügung, außerdem bilden sie die besten Späher aus, wie dir sicherlich bekannt sein sollte. Die Hügelländer haben viel Wald, wir brauchen Holz für Speere und Kriegsgerät, es lässt sich auch gut Stahl schürfen, wenn man in Richtung der Gebirgsketten kommt, auch wenn vieles davon an die Hauptstadt geliefert wird.”

“Ihr wisst gut Bescheid.”

Die Königin Mutter nahm eine Gabel, kaute und nickte.

“Das muss ich auch. Seit der alte Lord, mein Ehemann- die Geister seien ihm hold- tot ist, zählt der König mehr denn je auf seine Berater. Er muss ihnen vertrauen können und wem vertraut man mehr als seiner eigenen Mutter? Außerdem können wir ja nicht alles der Zauberin überlassen. Die Lords der Graßlande vertrauen ihr nicht und die der Hügelländer sind wenigsten skeptisch Ihr gegenüber.”

“Und ihr?”, fragte Eola und sah die Königin Mutter gespannt an.

“Ich glaube, sie versteht viel vom Land und seinen Bewohnern, aber sie ist eine Fremde aus dem Norden und der hat uns Südländern nie viel Gutes gebracht. Es wird sich zeigen, ob sie ihre Versprechen halten kann.”

Die Lady Tahlwynn hatte Einira in ein Gespräch verwickelt und die Essgeräusche der Anderen erfüllten den Saal, unterbrochen vom leisen Klirren der Gedecke.

“Ist Roswyna’s Vater einer der Oligarchen des Kaisers?”, fragte Eola schließlich die Königinmutter, nachdem sie eine Weile lang schweigend gegessen hatten. Lady Ysabeth nickte.

“Niemand mit besonders großem Einfluss, aber wir hoffen, durch ihn Einblicke in die politischen Gegebenheiten zu bekommen.”

Roswyna die ein Stuhl weiter saß schien ihre Frage gehört zu haben und warf Eola  einen einschätzenden Blick zu.

“Mein Vater ist niemand, den man unterschätzen sollte. Er ist dem Kaiser wohlgesinnt, aber seit sein Einfluss schwindet, blicken alle auf die Hügellande, auch mein Vater.”

“Wer ist euer Vater?”, fragte Eola und Roswyna zog überrascht eine Augenbrauen hinauf.

“Für eine Spionin seid ihr aber nicht gerade gut informiert.”

“Weil ich keine Spionin bin.”

“Natürlich.”

Sie lächelte kurz, dann flackerte ein gequälter Ausdruck über ihr Gesicht.

“Lamprecht Dorn, ist kein richtiger Lord”, erklärte sie dann. “Aber die wenigsten Oligarchen haben so schön klingende Titel wie hier. Der Kaiser hat den Ayskamm als Brautpreis für mich gefordert. Der Pass dort hat strategischen Wert.”

“Eine Rose, hat eben Dornen. Man muss aufpassen, dass man nicht hinein greift”, bemerkte Ysabeth lächelnd.

“Warum ist dieser Pass so wichtig?”, wollte Eola wissen.

“Nur ein kleinerer Versorgungsweg, aber dem Kaiser muss klar gewesen sein, dass es für die Sicherheit seiner nördlichen Ländereien wichtig war, ihn zu halten. Für uns ist er jedoch von höchster Bedeutung”, mischte Lord Hagen sich jetzt ein.

Er hielt sich jedoch zurück, diese Bedeutung zu erläutern. Er vertraute Eola nicht und sie akzeptierte es nickend.

“So gesehen hab meine Dornen wohl auch etwas Gutes.”

“Und eure Schönheit hat mich darüber hinweg getröstet.”

Lächelnd ergriff Roswyna die Hand ihres Mannes und zum ersten Mal an diesem Abend lächelte Lord Hagen. Auch wenn die beiden sich kühl und distanziert gebaren, schein Roswyna glücklicher mit ihrem Eheglück als die dünne Einira, die in ihrem Stuhl gesunken da saß und zaghaft mit der Gabel in ihrem Essen stocherte, während ihr Blick sich scheu senkte, sobald Eola in ihre Richtung sah. Das Gespräch mit Lady Tahlwynn schien sehr einseitig zu sein, während ihr Gatte, der Lord Ormund sich immer noch Essen auf den Teller schaufelte.

“Die Arme kann einem nur leid tun”, bemerkte Lady Rosywyn Eola’s Blick.

“Gefangen zwischen Wollust und Gram.” 

Lord Ormund ließ sich gerade von einem der Bediensteten den dritten Becher Wein einschenken und erhob sich jetzt schwerfällig.

“Ich möchte einen Toast aussprechen, Lords und Ladys.”

Dabei zwinkerte er den Ladys und Eola zu.

“Unser verehrter König kann leider nicht anwesend sein, aber ich möchte sagen, was es mir für eine Ehre ist, hier an seinem Hof zu speisen.”

“Eine Ehre, die man euch ansieht.”, bemerkte Lord Hagen.

Ormund brach in schallendes Gelächter aus

“In der Tat, obwohl ich schon fett war, bevor ich hier ankam.” Dann hatte er sich wieder etwas beruhigt und fügte hinzu: “ Das Leben ist kurz und ich esse, trinke und rede so gerne, weil ich den Tag fürchte, an dem ich es nicht mehr kann.”

Tahlwynn warf dem Lord einen finsteren Blick zu.

“Vater und Tochter, so unterschiedlich wie Sonne und Mond”, bemerkte Ysabeth leise und Eola zog eine Augenbraue hinauf.

“Sie ist seine Tochter?”

“Er sähe es gerne, wenn sie unseren König heiratet.” Dabei warf sie Tahlwynn einen kurzen Blick zu. “Nur über meinen erkalteten Leichnam", fügte sie dann wie zu sich selbst hinzu.

“Auf unseren König und seinen bevorstehenden Siegeszug, so wie es unsere Zauberin vorhergesehen hat”, fuhr Ormund dann fort und prostete dem leeren Stuhl des Königs zu.

Und auf die gute Gesellschaft, die sich heute hier zusammengefunden hat. Ich möchte niemanden von euch missen, auch wenn ich nicht jeden von euch leiden kann. Damit seid ihr gemeint, Lord Hagen.” 

Der Lord lächelte gequält, nahm den Affront sonst aber sehr gelassen. Eola schien es zu einem Spiel zu gehören, das nur die beiden lustig fanden, oder vielleicht auch nur Lord Ormund. Dann wandte er sich an die Königinmutter.

“Ich erhebe auch mein Glaß auf euch, die ihr dem König solch eine kritische Stimme im Ohr seid. Ich fürchte allerding ich muss euch erneut fragen, wie es um die Entscheidung steht, um die ich euch gebeten habe?”

Lady Ysabeth verzog keine Sekunde lang das Gesicht, auch wenn Eola ihre Anspannung spürte.

“Solch eine Entscheidung will Weile haben. Ihr wisste doch, dass eine längere Reife, die Süße der Frucht intensiviert.”

Lord Ormund stieß erneut ein volles Lachen aus.

“Oh, meine liebe Lady Ysabeth, ihr beschämt mich. Natürlich weiß ich das, nur reift sie zu lange, wird sie gar sauer.”

Dabei warf er einen Seitenblick auf seine Tochter, die beinahe vor Scham im Boden versinken musste.

“Vater!”, stieß sie hochrot hervor, das war allerdings auch schon alles, was sie dazu heraus brachte.

“Aber ich habe die Befürchtung, wir langweilen unseren Gast gar sehr mit unserer höfischen Polemik.” 

Und er hatte nicht ganz unrecht, Eola drehte sich etwas der Kopf von all der blumigen Sprache.

“Mich würde es ja viel mehr interessieren, etwas über sie zu erfahren. Ein Mädchen, dass den hohen Lord Geiz zu Fall gebracht hat, mit bloßem Spiel und Ale. Ich habe mich gut an der Geschichte erfreut als ich sie gehört habe”

“Vater bitte”, jammerte Tahlwynn. “Was macht sie überhaupt hier? Sollte ein Spion nicht im Kerker sitzen? Ruft Lord Fremm, er soll sie von diesem Tisch entfernen.”

Ysabeth warf Omunds Tochter einen vernichtenden Blick zu und ihr Vater legte die Hand auf die Tahlwynnys Schulter und setzte sich wieder.

“Behandelt man so ein Gast, Kind? Ich will hören, was sie zu sagen hat. Es gehen einige Gerüchte um. Stimmt es, dass ihr ein Bastardkind des Lord Kamm seid, oder dass ihr die Winde beschwören könnt wie unsere nebulöse Zauberin?”

“Ich bin so wenig eine Hexerin wie eine Spionin, was Lord Kamm angeht, er war nur so freundlich, mich in seinem Lager aufzunehmen. Wir sind nicht verwandt.”

“Mich würde mehr interessieren, was sie der Zauberin eingeflüstert hat, dass sie noch ihren Kopf behielt", fragte Lord Hagen jetzt und warf der Königinmutter einen kurzen Blick zu. Anscheinend war niemand außer sie eingeweiht was den Kaiser anging

“Eine Flüsterin, die sich einflüstern lässt, wir sollten sie beide vom Hofe jagen”, giftete Tahlwynn, doch die Lords ignorierten sie einfach. Ihre Blicke lagen jetzt auf Eola und sie rutschte unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. Sie warf Ysabeth einen fragenden Blick zu und die Königin Mutter nickte leicht.

“Ich habe ihr den Kaiser versprochen.”

Ormund brach in schallendes Gelächter aus, Lord Hagens Augen verengten sich hingegen zu Schlitzen.

“Darum geht es bei der Jagd auf diese Greise also? Hat mein Enkel jetzt endgültig den Verstand verloren?"

“Passt auf, wie ihr über euren König sprecht, Lord. Er ist kein Tor, auch wenn er noch jung ist. Wir gehen in der Tat davon aus, dass der Kaiser sich auf Ärenfels aufhält”, kam Ysabeth ihr zur Hilfe.

“Er hat seine Zauberkräfte bei Madiskat verloren, ich habe es gesehen und dann habe ich ihn erneut gesehen, hier auf der Burg.”

“Ihr glaubt das nicht etwa, Königinmutter? Das ist doch ausgemachter Unsinn”

Lady Tahlwynn gab ein verächtliches Schnauben von sich.

“Unsere verehrte Zauberin hat wohl fehlgeleitetes Mitleid mit einem wilden Hund. Er hat uns bereits gebissen. Wo ich herkomme, werden tolle Hunde mit dem Knüppel erschlagen, man holt sie sich nicht an den Tisch.

“Ich bin kein Ungeziefer!”, zischte Eola, sie würde sich das nicht länger gefallen lassen. 

“Zügelt eure Tochter”, ermahnte Lady Ysabeth und Ormund seufzte.

“Tally, bitte, mach deinem Vater keine Bauchschmerzen.”

“Die habt ihr ganz allein nur euch selbst zuzuschreiben.”

“Die Zauberin glaubt also diese verrückte Geschichte?”, fragte Lord Hagen an die Königinmutter gewandt und brachte das Gespräch somit zurück zum eigentlichen Thema.

Lady Ysabeth nickte.

“Es macht Sinn, oder nicht? Vom Tod des Kaisers hätten unsere Spitzel erfahren, aber wenn er seine Macht verlor … ”

“Sieht er nicht einmal mehr aus wie ein Kaiser, schließlich ist er mehrere hundert Jahre alt”, vollendete Lord Ormund ihren Satz. “Dann geht also der Geist eines Kaisers in diesen Mauern um, eine köstliche Geschichte, Kleine. Ihr seid wahrlich eine Spielerin, so etwas zu behaupten.”

Der fette Lord schmunzelte und Eola konnte sich einen spitzen Kommentar nicht verkneifen.

“Es ist eine wirklich gute Geschichte. Ich habe ihn nicht nur fallen sehen. Ihr habt sicher von dem Drachen gehört, der bei Madiskat gesehen wurde. Ein Leuchtfeuer rief ihn, das ich entzündet habe. Wollt ihr die Geschichte hören, Lord Ormund?”

Die Königin Mutter legte Eola einen Hand auf die Schulter und warf ihr einen strengen Blick zu.

“Das sind Dinge, die nur den König etwas angehen.”

“Ach kommt schon schöne Lady Ysabeth, was kann eine Geschichte schon stören?”, fragte Lord Ormund und verzog die Lippen zu einem Schmollmund.

Doch die Lady von Ärenfels stand auf und schob ihren Stuhl zurück.

“Ich werde mich für die Nacht zurückziehen und ich würde euch vorschlagen, es mir gleich zu tun, Lord!"

Damit gab sie den Dienern ein Zeichen, den Tisch zu räumen und die Servierwagen fuhren wieder herein. Man beräumte das Essen und auch Lord Thorwynn und seine Ehefrau zogen sich zurück. Nur Ormund schnappte sich einen der Weinkrüge und winkte einen Diener heran.

“Bringt noch zwei davon.”

Der Diener nickte und eilte davon. 

“Darf ich die Drachenflüsterin noch auf ein Spiel behalten?”, fragte er dann an seine Tochter gewandt. Tahlwynn starrte ihn ungläubig an.

“Vater! Der letzte Lord, der gegen sie gespielt hat, wurde ermordet. Ihr meint doch nicht ernsthaft, dass es eine gute Idee ist … ”

Ormund winkte jedoch ab.

“Pah! Wir alle kannten Lord Geiz. Sowie ich das sehe, ist er betrunken wie immer ins eigene Messer gefallen und ich sehe hier nirgends eins, ihr etwa?”

Böse sah seine Tochter ihn an, seufzte und stand auf.

“Ihr seid unverbesserlich Vater.”

Dann rauschte sie schnaubend aus dem Raum. Der Diener brachte zwei neue Krüge und Karten, dann teilte Lord Ormund aus.

“Ihr solltet beeten, dass euer Glück euch nicht im Stich lässt.”

“Oh, da habe ich keinen Zweifel, nicht mehr”, antwortete Eola und erwiderte sein Grinsen.



Kapitel 6: Die Spur des Goldes


Als Eola ins Bett fiel, war Lord Ormund um siebzig Gold ärmer und ihr schwirrte der Kopf vom Wein. Das Bett war weich und die Wäsche roch nach Perfüm. Mit einem Lächeln auf den Lippen schlief sie ein und träumte davon, wie sie mit Bajka kleine Drachen aus dem Nichts hervorzauberte, die dann tollkühne Kunststückchen aufführten. Nur spuckten sie zur ungünstigsten Zeit Feuer und steckten immer wieder Dinge in Brand, die Eola lieb und teuer waren. Was genau diese Dinge gewesen waren, konnte Eola, als sie schließlich aufwachte, nicht mehr sagen. Vielleicht auch, weil sie sehr unsanft aus dem Schlaf gerissen wurde.

Ein lautes "Rums", direkt neben ihrem Ohr ließ sie hochfahren. Sie blinzelte. 

Bücher, realisierte sie noch im Halbschlaf, ein so hoher Stapel, dass er bedrohlich wankte, als Bajka ihn auf ihren Nachtisch hatte fallen lassen. Jetzt ging sie zum Fenster hinüber und zog die schweren Vorhänge beiseite. Licht flutete den kleinen Raum, in den sie Eola einquartiert hatte, und es war, als trieb man ihr dünne Nadeln durch die Schläfen direkt ins Gehirn. Sie wimmerte leise und zog sich die Bettdecke über den Kopf. Die Zauberin öffnete das Fenster und die Geräusche aus dem Burghof drangen zu ihnen empor. Das Wiehern von Pferden, das Knarren der Wagen und eine Kakofonie an Stimmen, die in Eolas Ohren so laut klangen als stünde sie am engen Ende eines Blechtrichters.

“Ihr habt gespielt und getrunken, sagte man mir?”

Die Zauberin sprach ohne einen guten Morgen und auch wenn es wie eine Frage formuliert war, klang der Vorwurf doch hindurch. Eola setzte sich im Bett auf und sah die Zauberin an.

“Was stört es euch? Noch bin ich nicht eure Schülerin.”

Bajka trug Rot, eine elegante knielange Tunika aus kräftigem Stoff, aber mit feinen Mustern verziert, um sie nicht zu einfach wirken zu lassen. Zusammengehalten wurde sie an der Taille von einem Gürtel aus dunklem Leder, an dem einige Taschen befestigt waren. Es war ihr praktischstes Gewand bisher und doch nicht weniger elegant geschnitten. Zum ersten mal seit Eola sie kannte trug sie Hosen, eng anliegend aus feinem schwarzen Stoff, dazu einen Umhang aus gefüttertem Brokat der in einem dunklen Rotton schimmerte, mit beinah unsichtbaren Stickereien an den Säumen.

“Und wenn ihr euch weiter so unverantwortlich verhaltet werdet ihr es nie.”

Sie wandte sich vom Fenster ab, durch das sie geschaut hatte, und deutete auf die Bücher neben Eolas Bett.

“Ich will, dass ihr die lest. Ihr könnt doch lesen, Eola?”

Eola nickte. 

“Meine Großmutter hat es mir beigebracht.” 

Dann beäugte sie misstrauisch die dicken Bücher, in Leder gebunden und vermutlich mehrere hundert Seiten lang. “Das sind ziemlich viele”, fügte sie dann hinzu.

Bajka zog eine Augenbraue hoch. 

“Ihr habt den ganzen Tag Zeit und nichts besseres zu tun, fürchte ich. Ihr dürft die Burg nicht verlassen und wenn ich euch ausbilden soll, möchte ich nicht das Gefühl haben, mit einem dummen Bauernmädchen zu reden.”

Eola seufzte und ließ die Schultern hängen. 

“Geht es in diesen Büchern wenigsten um Zauberei?”

Bajka lächelte und schüttelte den Kopf. 

“Es geht in ihnen um Semantik und Sprache, darum wie der menschliche Geist und die Gesetze der Natur funktionieren. Ohne diese Grundlagen brauchen wir mit der Zauberei gar nicht erst zu beginnen.”

Eolas Schulter sackte noch tiefer. Sie legte den Kopf schief und ging die Titel der Bücher durch.

“Warum muss ich etwas über Geschichte wissen, um Zauberei zu wirken?”

“Vermutlich gar nichts, aber wir sind am Hofe eines Königs, da solltest du dich mit der Geschichte seines Landes auskennen.”

Eola rümpfte die Nase.

“Gibt es Neuigkeiten vom Kaiser?”

Die Zauberin ging zur Tür und strich sich dabei die Kleider glatt, dabei war dort keine unangebrachte Falte.

“Nein. Der König glaubt, er habe sich auf kindliche Fantasien eingelassen.”

“Ich habe euch nicht belogen. Er war hier. Was kann ich dafür, wenn seine Männer ihn haben entkommen lassen.”

Bajka warf ihr einen strengen Blick zu, als sie bei der Tür angekommen war, dann schnürte sie eine der Taschen an ihrem Gürtel auf und griff hinein.

“Ihr habt mehr Glück als die meisten und ein Selbstbewusstsein, das seinesgleichen sucht. Seht es anderen nach, wenn sie sich selbst anzweifeln.”

Dabei zog sie die Hand wieder aus dem Beutel und blies in ihre Hand. Ein leichter Luftzug kam vom Fenster und verteilte einen  seltsamen Geruch im Zimmer, den Eola nicht genau zuordnen konnte. Er war süßlich und doch scharf und augenblicklich verflogen Eolas Kopfschmerzen.

“Das nächste Mal werdet ihr die Folgen eures Konsums ertragen müssen. Aber heute werde ich es euch noch nachsehen.” 

Dann verließ sie das Zimmer. 

Den Rest des Tages bekam Eola die Zauberin immer nur ganz kurz zu Gesicht. Sie schien wie die Soldaten im Hof damit beschäftigt zu sein, sich auf die Abreise vorzubereiten. Zum Frühstück gesellte sie sich zu einigen Dienern, die in Schweigen verfielen als sie sich in der Küche zu ihnen setzte. Sie versuchte mit einigen ein Gespräch anzufangen, doch man schien sie zu meiden. Nach dem Frühstück ging sie auf Erkundung in der Burg. Im zweiten Stockwerk, in dem man auch Eola untergebracht hatte, gab es außerdem einen großen Aufenthaltsraum mit Stühlen, runden Tischen und einigen bequemen Sofas. Hier traf sie auf die Lady Tahlwynn und Lady Eirina, die es sich bei Tee und Gebäck an einem der Tische bequem gemacht hatten. Eola wollte die Tür gerade wieder schließen, sie hatte keine Lust, sich Lady Tahlwynns Beleidigungen anhören zu müssen, da winkte diese ihr zu und bat sie herein.

“Gesellt euch zu uns Spionin. Ich habe meine Meinung geändert. Wir sollten Freunde werden.”

Ihr Lächeln verriet Eola sofort, dass ihre eigentlichen Absichten ganz andere waren.

Sie schlich beinahe zum gedeckten Tisch hinüber und beobachtete die Lady dabei argwöhnisch.

“Ich habe nach einem Rückzugsort gesucht, um in ruhe lesen zu können”, sagte sie dabei, was zumindest halbwegs der Wahrheit entsprach. Lady Tahlwynn deutete auf den Stuhl neben sich und Eola setzte sich.

“Welche eine Überraschung. Ich hätte nicht gedacht, dass eine Streunerin wie ihr überhaupt lesen kann.”

Eola sah kurz zu Eirina hinüber, diese senkte jedoch schnell den Blick.

“Ich stecke voller Überraschungen Milady.”

Ein spöttisches Lächeln umspielte Lady Tahlwyns Lippen.

“Nun, vielleicht erhebt das Lesen ja selbst den einfachsten Geist. Wenn er sich denn erheben lässt.”

Eola zuckte mit den Schultern und nahm sich mit bloßer Hand eines der Törtchen. Dann schob sie es sich in den Mund, schmatzte genüsslich und leckte dann ihre Finger ab. Mit Befriedigung sah Eola dabei zu, wie ein Ausdruck von Ekel über Tahlwynn's Gesicht huschte.

“Sagt mir Eola, tut ihr euch schwer damit, all die höfischen Gepflogenheiten zu lernen, die euch offensichtlich fehlen oder haltet ihr es für überflüssig?"

Eola lächelte und griff provokativ nach dem nächsten Stück Kuchen.

"Manieren machen nicht gleich einen guten Menschen, dafür seid ihr wohl das beste Beispiel Lady.”

Es war beeindruckend, wie gut Lady Tahlwynn die Schmähung ertrug, Lady Eirin lief jedoch rot an und verschluckte sich beinahe am Tee.

“Eure Zunge ist beinahe so geschickt wie eure Hände beim Spiel. Ihr habt meinen Vater einiges an Gold gekostet letzte Nacht. Ich frage mich nur, ob es euch allein um sein Gold ging und nicht noch um etwas anderes?”

“Um was soll es mir sonst gegangen sein?”, fragte sie, nachdem sie geschluckt hatte.

“Ich weiß es auch nicht, um eine Position am Hofe, um Einfluss und die Zuneigung des Lord von Giesen, vielleicht? Woher soll ich wissen, wie ein streunender Hund denkt.”

Eola schnaubte. Schon wieder diese Hundevergleiche. Fiel ihr nicht besseres ein?

“Ich interessiere mich nicht für Einfluss und Gold kommt und geht.”

“Warum seid ihr dann hier Eola? Was versprecht ihr euch von alldem?”

Darum ging es ihr also. Fühlte sich Lady Tahlwyn etwa von Eola bedroht? Das war lächerlich.

“Mir geht es einzig und allein um die Zauberin Bajka. Ihr Gunst ist alles, was ich hoffe, am Hofe des Königs zu gewinnen.”

Lady Tahlwynn seufzte.

“Fein, ihr müsst es mir nicht sagen. Erzählt mir stattdessen von diesem Lord Kamm. Habt ihr ihm als Gegenleistung für seine Hilfe das Bett gewärmt? Ihm muss einiges an euch liegen, wenn er euch sogar aus dem Kerker freikauft.”

Eole verzog verärgert die Stirn. Sie schüttelte entnervt Kopf und stand auf.

“Ich muss mir das nicht anhören, Milady. Glaubt doch, was ihr wollt.”

Sie drehte sich um und wollte gehen, da sagte Lady Tahlwynn etwas, das sie innehalten ließ.

“Es hat seinem Ruf nicht gerade geholfen, dass er mit euch in Verbindung gebracht wird. Ich wiederholen lediglich Gerüchte, die im Umlauf sind.”

Eola fuhr zu ihr herum und funkelte sie an.

“Lord Kamm ist ein guter Mensch, deshalb hat er mich aufgenommen. Ihm sind seine Leute wichtig, deshalb hat er mich aus dem Kerker geholt und ihr tätet gut daran, diese Gerüchte nicht noch zu vermehren. Habt ihr keinen Funken Anstand im Leib Milady?”

Lady Tahlwynn lächelte und Lady Eirina rutschte jetzt unruhig auf ihrem Stuhl hin und her. Ihr schien die ganze Situation äußerst unangenehm zu sein.

“Es gibt ein Bücherzimmer am Ende des Ganges”, wechselte Lady Tahlwynn plötzlich das Thema und lächelte immer noch.

“Danke, hier halte ich es keine Sekunde länger aus.”

 Damit drehte sie sich um und stampfte wütend aus dem Raum. Was bildete diese Schnäpfe sich ein. Wenn sie ein Problem mit ihr hatte, sollte sie das mit Eola klären und niemanden mit hineinziehen, der es nicht verdient hatte. Um sich abzulenken, nahm sie sich eins der Bücher von Bajka und zog sich in das Bücherzimmer zurück, das Lady Tahlwynn ihr empfohlen hatte. Es war ein gemütlicher Raum im Turm mit hohen Fenstern, die viel Licht einließen und gemütlichen Sesseln, die um zwei runde Tische angeordnet waren. Unter der Wendeltreppe, die nach oben in den Turm führte, stand ein kleines Bücherregal und der Boden war mit weichen Teppichen ausgelegt. Als sie das Buch aufschlug, dass sie sich ausgesucht hatte, stellte sie erschrocken fest, dass es nicht nur ein paar hundert, sondern über tausend Seiten lang war. Eola seufzte und begann zu lesen. Der Text war zäh und vieles musste sie zweimal lesen, ehe sie es verstand. Nach einer guten Stunde schwirrte ihr Kopf derart von Fremdwörtern, dass sie das Buch beiseite legen musste. Ihre Augen waren müde und sie streckte die Glieder. Um sich etwas die Beine zu vertreten, stieg sie die Treppe im Turm weiter hinauf und stand kurze Zeit später im kreisrunden Raum direkt unter dem Dach. Überall lagen Federn und Vogeldreck herum und einige Tauben sahen sie mit schief gelegtem Kopf an. Sie gurten aufgeregt durcheinander. Der Boden knirschte unter ihrem Schritt und sie wollte lieber gar nicht darüber nachdenken, was sie alles mit den Sohlen zertrat. Auf den hohen Balken über ihr, saßen noch mehr Tauben und raschelten mit den Flügeln. Das Mauerwerk war von kleinen Scharten unterbrochen, durch die sie kleine Blicke auf die Stadt und die umliegenden Felder erhaschen konnte. Sie trat an die Mauer und spähte durch eine der Öffnungen. Der Ausblick war überwältigend. Da die Burg Ärenfels auf einem Hügel erbaut worden war, konnte sie bis tief in die umliegenden Hügel schauen, sah die Felder dahinter und die Menschen, die wie winzige Ameisen umher wuselten. Vor der Stadt entstand gerade ein größeres Lager, Wagen so klein wie Spielzeuge und Zelte, die von hier oben nicht größer waren als ihr Fingernagel. Dabei wusste Eola, dass ihr Inneres mehr Platz boten als so manches kleine Haus. Sie musste lächeln und konnte sich gar nicht satt sehen. Schließlich trat sie von der Scharte zurück und wollte den Turm wieder verlassen, da fiel ihr Blick auf etwas Glänzendes auf einem der Balken über ihr. Sie runzelte die Stirn, dann sah sie sich nach etwas um, an dem sie hinauf klettern konnte. In der Mitte des Raumes reckte sich der Stützbalken nach oben und die Holzträger, die in einem spitzen Winkel daran befestigt waren, konnte sie vom Boden aus erreichen. Sie zog sich daran hoch, stemmte sich mit den Beinen vom Stützbalken ab und schob sich auf eines der horizontalen Hölzer darüber.

Sie robbte weiter nach vorne, bis sie in einem der Nester das entdeckte, was sie von unten bereits gesehen hatte. Sie griff danach, doch in dieser Sekunde, fuhr ein Fell bedecktes Köpfchen aus dem Nest hoch und schnappte nach ihren Fingern. Eola keuchte erschrocken auf und hätte beinahe das Gleichgewicht verloren und wäre vom Balken gestürzt. Doch sie fing sich gerade noch und starrte das kleine Tier an, das ihr mit ebenso großen Augen entgegen sah. Das feine Näschen zitterte leicht, die Schnurrhaare waren so lang wie Eolas Finger, in das der kleine Pelzball seine noch kleiner Zähnchen geschlagen hatte.

Sie widerstand dem Drang, ihre Hand zurückzuziehen und ertrug den Schmerz, bis das Tierchen den Biss von alleine lockerte. Es hatte Ohren, die beinahe so groß waren wie es selbst und Finger, die zwar mit runzliger Haut überzogen waren, jedoch entfernt an die von Menschen erinnerten. Die kleine Stupsnase zitterte immer noch, schnüffelte jetzt aber mehr interessiert als ängstlich an ihrer Hand. Eola musste grinsen. 

“Na mein Kleiner. Da habe ich dich aber gewaltig erschreckt, stimmt's? Tut mir echt leid.”

Als es Eolas Stimme hörte, verschwand das Tierchen wieder in seinem Nest und lugte kurze Zeit später misstrauisch daraus hervor. Es erinnerte an eine Maus, doch Eola war sich sicher, dass sie ein derartiges Tier noch nie gesehen hatte. Diese Ohren waren nicht die einer Maus und die seltsamen Händchen, keine Pfoten. Was auch immer es war, das sie hier vor sich hatte, es musste selten sein. Ohne es erneut aufzuschrecken, schob Eola sich rückwärts den Balken entlang und ließ sich wieder vom Balken fallen. Sie landete wieder im Turm, dann lief sie die Treppe hinunter und machte sich auf direktem Weg in die Küche. Sie bat einen der Diener um einen Teller und etwas Gebäck, dann lief sie rasch zurück in den Turm und zerbröselte den Kuchen auf dem weißen Porzellan. Einige Tauben sahen sie neugierig an und kamen angehüpft. Eola verscheuchte sie jedoch mit einer wedelnden Hand. 

“Das ist nicht für euch. Husch!”

Sie lief zum Balken, auf dem sie vor kurzer Zeit noch gelegen hatte, und schob den Teller darauf. Sie verscheuchte erneut einige Tauben, dann setzte sie sich auf die oberste Treppenstufe und wartete. Irgendwann schob das Tierchen erneut den kleinen Kopf aus seinem Nest und schnupperte in die Luft. Dann sah es den Teller, fauchte eine Taube an, die gerade auf den Balken gehüpft war, um sich am Gebäck zu bedienen und als sie erschreckt davon flatterte, tippelte es schnüffelnd auf den Teller zu. Eola sah lächelnd dabei zu, wie die großen Ohren sich zuckend in alle Richtungen bewegten, während das Tier sich einige der Krümel schmecken ließ. Aufmerksam sah es dabei in Eolas Richtung.

“Du bist aber ein hübsches Kerlchen”, sagte sie und bewunderte dabei das gestreifte Fell des Tieres, das wie Perlmutt schimmerte. Die dunkleren Streifen wirken beinahe golden. War es das, was sie gesehen hatte?  

Nein, wieder blitzte hinter dem Tier im Nest etwas auf, das ganz sicher eine Goldmünze sein musste. Vorsichtig näherte Eola sich erneut dem Balken und zerbröselte noch mehr von dem Kuchen in ihrer Hand. Mit offener Handfläche trat sie näher und hielt sie dem Tierchen hin. Als es alle Krümel auf dem Teller verputzt hatte, wandte es sich neugierig Eola zu. Langsam schob es den Kopf vor und schnupperte in die Luft.

“Ein feines Näschen hast du. Ich frage mich allerdings, was du dort oben vor mir versteckst?”

Das Tierchen beugte sich vor, hielt sich mit den Vorderpfoten, die eigentlich Händchen waren, am Balken fest und schnupperte an Eolas Hand. Dann fuhr das Händchen blitzschnell nach vorne und schnappte sich einen besonders dicken Krümel.

“Das schmeckt dir, was? Ich taufe dich Krümel, wie klingt das?”

Das Tierchen leckte sich die Finger sauber und kam Eolas Hand wieder etwas näher, doch sie schloss die Finger um den letzten Krümel und hielt die andere leere Hand hin.

“Wie wär’s Krümel. Wir tauschen dein Gold gegen den letzten Rest Kuchen.”

Krümel legte den Kopf schief und sah Eola aus braunen Glubschaugen an. Dann sah er auf Eolas Hand hinab und schien zu überlegen. Verstand er etwa, was Eola von ihm wollte?

Und dann, als sie schon meinte, Krümel wäre genauso ratlos wie sie es von jedem anderen Tier erwartet hätte, huschte er zurück zu seinem Nest und kam mit etwas rund-glänzendem in den kleinen Fingerchen zurück.

“Verstehst du etwa was ich sage?”

Doch Krümel legte nur erneut den Kopf schief und hielt den Gegenstand, den er mitgebracht hatte, fest vor die Brust gedrückt.

“Na komm schon, was willst du denn damit anfangen. Ich bring dir noch mehr Kuchen, versprochen.”

Krümel legte den Kopf auf die andere Seite, drehte die Münze hin und her und legte sie dann widerstrebend in Eolas Hand.

“Ich danke vielmals Krümel.”

Dann öffnete sie die andere Hand und das Tierchen, das sehr viel intelligenter sein musste als Eola zu Beginn gedacht hatte, quiekte erfreut, als es sich den Rest Kuchen aus Eolas Hand schnappte. Während Krümel aß, besah Eola sich die Münze. Es war tatsächlich Gold und keine Münze aus der Gegend. Das Gesicht auf der Rückseite war ihr nur allzu vertraut, auch wenn er seit einiger Zeit kaum wiederzuerkennen war. Es handelte sich um das Gesicht des Kaisers.


~


Kailan hatte die halbe Nacht und den halben Tag über nach dem Greis gesucht, aber alle alten Männer waren von den Soldaten des Königs zur Burg gebracht worden und es war nur eine Handvoll übrig, auf die jene Beschreibung nicht passen wollte, die der Hauptmann der Wache gegeben hatte. Morgen sollte die Vorhut ausrücken und Lord Kamms Truppen waren ein Teil davon, da sie zu seinem Gehöft auf Reidhalm verrückten. Und so war selbst jetzt, da die Sonne sich erneut dem Horizont zu neigte, noch ein geschäftiges Treiben auf den Straßen. Soldaten und Gardisten brachen die Lager ab und fuhren die Wagen vor die Stadt, wo sie bis zum Tagesanbruch verweilen sollten. Kailan hatte die übrigen Männer wieder zurück ins Lager geschickt, damit sie beim Beladen der Gespanne halfen und streifte jetzt nur mit einem Schwert bewaffnet durch die Stadt. Er hatte vermutet, dass der Greis, wenn er es so lange geschafft hatte, den Männern des Königs zu entgehen, außerhalb der Stadt sein musste, oder er war bereits geflohen. Kailan wollte seine Suche schon aufgeben, da kam es vor einem der Stände auf der Hauptstraße zu einem kleinen Tumult. Laute Stimmen erlangen und eine Gruppe Männer, unter denen Kailan auch einige des Lord Geiz erkannte, umringten das Fuhrwerk eines Händlers. Dieser beschimpfte einen jungen Diener, der mit hochrotem Kopf Äpfel und Birnen auflaß, die aus seinem Korb gefallen waren. 

“Ihr kommt dafür auf Burschen!”, schimpfte der ergraute Händler, der mit dreckiger Schürze und verschränkten Armen hinter der hölzernen Auslage stand.

Kailan drängte sich etwas nach vorne, wobei einige der umstehenden Männer, die er verdrängte, ihm ärgerliche Blicke zuwarfen. Er bückte sich und half dem Jungen mit dem Obst. Dieser wandte sich schließlich dem Händler zu und förderte einige Münzen zu Tage.

“Hier, reicht das?”

Dabei fiel Kailans Blick kurz auf die Münzen, zwei davon fielen ihm sofort ins Auge, bevor sie den Besitzer wechselten.

Kaiserliche Prägung? 

Es kam zwar vor, dass Händler aus dem Norden damit bezahlten, aber ein Diener aus der Burg? Das war seltsam. Kailan erinnerte sich plötzlich an etwas, das Eola im Wirtshaus gesagt hatte, nachdem sie vom Treffen aus dem Thronsaal gekommen waren.

“Vielleicht hat der Kaiser seine Macht verloren.”

Warum musste er ausgerechnet jetzt daran denken? Ja, etwas war seltsam, nicht nur das in der Stadt kaiserliches Geld unterwegs war, sondern auch mit dieser ausgemachten Jagd auf alte Männer, die begonnen hatte, kurz nachdem das Glückskind in der Burg verschwunden war.

Und jetzt kam sie nicht mehr heraus.  Man hätte sie öffentlich hingerichtet, wenn ein Urteil bereits gefällt worden wäre. Was hatte Eola dem König also gesagt, dass er sie auf der Burg behielt? Das alles passte nicht zusammen. Die Männer verstreuten sich wieder und der junge Diener nickte ihm noch einmal dankbar zu, dann eilte er mitsamt Korb in Richtung der Burg.

Einer Eingebung folgend, ging er Ihm nach, darauf bedacht, so weit zurück zu bleiben, dass er nicht auffiel. Der Kaiser hatte seine Macht verloren und jetzt sucht der König überall auf Ärenfels nach einem alten Greis. Welchen Grund hatte er dafür? Und was hatte das alles mit Eola zu tun? Der Preis für den Greis konnte sie retten, das war es. Es war weit hergeholt und warum sollte der Kaiser, wenn er seine Macht verloren hatte, gerade hierher kommen, in die Festung des Feindes? Der Diener verschwand im Burghof und Kailan verlor ihn in der Menge aus den Augen. Außerdem hatte er bemerkt, dass man auch Ihm folgte. Die Männer des Geiz beobachteten ihn, sie hatten ihn bereits verfolgt, als er seine Suche am Vortag begonnen hatte. Wenn er seiner Vermutung nachgehen wollte, musste er sie vorher loswerden.

Der Burghof eignete sich perfekt, um in der Menge unterzutauchen, also folgte er dem Diener ins Getümmel. Er legte einen Schritt zu, verschwand hinter einem der Wagen und lief dann zu den hohen Mauern der Burg. Er verbarg sich im Schatten eines Erkers und sah den Männern des Lord Geiz lächeln dabei zu, wie sie sich vergeblich nach ihm umsahen. Dann schlenderte er zum Eingangsportal um und verbarg sich in der Menge, bis einer der Diener aus dem hohen Tor geeilt kam. Kailan folgte ihm zu einem der Seiteneingänge in der Burgmauer. Der Junge, ein anderer als der, den er verfolgt hatte, trug einen schweren Eimer, goss ihn in den Rindstein und zuckte zusammen, als Kailan direkt hinter ihm auftauchte. Der Junge machte eine unbeholfene Verbeugung und wollte an ihm vorbei, doch Kailan packte ihn am Kragen und zog ihn in den Schatten der Mauer zurück. Erst starrte der Diener ihn bloß mit aufgerissenen Augen an, dann presste Kailan ihm die Hand auf den Mund, bevor er schreien konnte.

“Ich werde euch nichts tun. Ich will lediglich eine Information von euch. Ich nehme jetzt meine Hand von eurem Mund, aber solltet ihr schreien, brech ich euch etwas. Was meint ihr, einen Finger vielleicht?”

Der Junge schüttelte panisch den Kopf und Kailan nahm seine Hand weg.

“Was wollt ihr wissen, Lord?"

 “Ich bin kein Lord und deshalb habe ich auch keine Angst mir die Finger schmutzig zu machen, hörst du?”

Der Diener nickte schnell.

“Antwortet mir einfach ehrlich und ihr seid um ein paar Silber reicher. Lügt ihr mich an … Naja, wie ich schon sagte, einen Finger oder den Arm oder sonst eins eurer hübschen Knöchlein.”

Wieder nickte der Junge, er war so blass, dass Kailan Angst hatte, er würde gleich in Ohnmacht fallen.

“Keine Panik, Junge. Ich bin nur daran interessiert, eurem König zu dienen, wie ihr. Aber seine Männer suchen an der falschen Stelle, habe ich recht?”

Der Junge verzog irritiert die Stirn.

“Ich weis nicht Herr, wonach suchen sie denn?”

“Wonach alle suchen. Aber ihr braucht nicht mehr zu wissen, als dass ich Lord Geiz gedient habe. Ihr wisst wer das ist?”

Der Junge nickte.

“Der verstorbene Lord. Mein Beileid Herr.”

“Nicht doch, mein Herr war ein unangenehmer Mensch. Es ist nicht schade um Ihn.”

“Natürlich. Ich versteh euch.”

Der Bursche lächelte tatsächlich und Kailan klopfte ihm auf die Schulter.

“Seht Ihr, wir verstehen uns doch.”

Dann griff er zu und verstärkte den Griff um sein Schlüsselbein noch. 

“Wie heißt ihr Bursche?”

“Vengen, Herr.”

“Hört zu Vengen. Ihr müsste etwas für mich in Erfahrung bringen, für den König.”

Der Junge nickte eifrig.

“Für den König.”

“Gerade ist einer von euch vom Markt gekommen, mit Obst, vermutlich für irgendeine hohe Lady.”

“Einer von uns?”

Kailan seufzte, natürlich musste er an einen Vollidioten geraten.

“Ein Diener, noch ein Stück jünger als ihr. Er hat mit Gold bezahlt.”

Der Junge nickte beflissen.

“Mit Gold des Königs. Die Früchte waren für Lady Eirina, sie bekommt beim Mahl keinen Bissen herunter. Ich glaube es liegt an ihrem Lord, Herr.”

“Mich interessiert nicht, für wen die Früchte waren, Junge.”

“Er hat mit Gold des Kaisers bezahlt.”

“Mit Gold Herr, ja.”

Der Junge schien verwirrt.

“Wie heißt der Junge mit den Früchten.”

“Tepp Herr.”

“Ich will, dass ihr Tepp beobachtet, ich will wissen, wo er hin geht, was er macht, ich will wissen, wann er schläft und wann er scheißt und frisst. Ich will jedes kleinste Detail. Und wenn er sich nur in der Nase bohrt, will ich es wissen, habt ihr verstanden Vengen?”

Der Junge nickte, dann verzog er erneut irritiert die Stirn.

“Ich muss allerdings noch arbeiten, Herr. Die Lady Tahlwynn will jeden Morgen frisches Wasser und am Abend und Mittags und auch am Nachmittag. Eigentlich soll das Wasser immer frisch sein Herr.”

Kailan fuhr sich entnervt über das Gesicht. Dann wischte er den Schweiß am Kragen des Jungen ab.

“Nun gut Junge. Ihr beobachtet ihn so gut es eben geht und wenn ihr keine Zeit dafür habt, findet ihr jemand anderen, der ihn für euch im Blick behält.”

“Ja, Herr. Natürlich, Herr.”

“Und sollte ich davon erfahren, dass ihr meinen Namen herum erzählt, werde ich euch die Nase brechen, verstanden?”

Wieder nickte der Junge beflissen.

“Wie war euer Name noch einmal?”

Kailan musste lächeln.

“Ich heiße Finn, Finn von Geiz Männern, der mit dem einen blinden Auge.”

“Das tut mir leid Herr.”

“Was?”

“Das mit eurem Auge.”

“Achso, ja, danke. Ihr könnt jetzt gehen, Vengen. Lady Tahlwynn braucht bestimmt wieder frisches Wasser.”

Der Junge nahm seinen Eimer auf und nickte.

“Ja, sie hatt es immer gerne frisch, selbst wenn ich es gerade erst geholt habe.”

Er ließ kurz die Schultern hängen, dann beeilte er sich, zurück zur Burg zu kommen. Auf halbem Wege schien ihm eingefallen, dass er ja das Silber gar nicht erhalten hatte, das Finn ihm versprochen hatte. Aber Kailan war bereits in der Menge untergetaucht.



Kapitel 7: Der Brief


Als Kailan ins Lager zurückkehrte, sprach Lord Kamm gerade mit einem der Männer.

Der Ausdruck in seinem Gesicht, verhieß nichts Gutes.

“Die Späher sind zurück”, erklärte er Kailan, als sie sich ins Zelt des Lords zurückgezogen hatten.

“Was haben sie in Erfahrung gebracht?"

Lord Kamm schüttelte den Kopf.

“Ich weiß es nicht, aber der junge Lord war gar nicht erfreut vom Tod seines Vaters zu hören. Er ist gerade beim König.”

Kailan seufzte. 

“Habt ihr wenigstens erfreulich Nachrichten für mich?”, fragte der Lord ihn dann und Kailan zuckte mit den Schultern.

“Ich kann es noch nicht genau sagen. Ich meine eine Spur gefunden zu haben, aber wenn wir Pech haben ist sie bereits kalt.”

Der Lord nickte und ließ sich in einen Stuhl fallen. Er fuhr sich mit der Hand über das erschöpfte Gesicht, dann beugte er sich vor und legte die Fingerspitzen aneinander. Mit den Zeigefingern tippte er dabei nachdenklich gegen seine Unterlippe.

“Geht dieser Spur trotzdem nach. Ich will nicht alles auf diese eine Karte setzen, aber das Glück des Mädchens färbt wohl leider nicht auf uns ab. Wir müssen damit rechnen, dass … “

Wie um seine Befürchtungen zu bestätigen, schalten plötzlich Rufe durchs Lager. Es folgten Geräusche wie wenn Waffen gezogen wurden und Kailan folgte seinem Lord vors Zelt. Die Männer hatten sich davor positioniert und Gardisten des Königs standen ihnen in ordentlichen Reihen gegenüber. An ihrer Spitze, Lord Fremm, der die Hand erhoben hatte, darin eine aufgerollte Schrift mit dem Siegel des Königs. Kamms Männer hatten die Schwerter gezogen und einer von ihnen, ein Bastard des Lords mit dem Mut eines Stiers und dem Anstand einer Kröte, hielt dem Leutnant die Klinge entgegen.

“Pollen! Nehmt das verfluchte Schwert runter”, befahl sein Lord wütend und langsam ließ Pollen die Waffe sinken.

“Dies ist ein Haftbrief des Königs. Eurem Lord wird der Verrat vorgeworfen. Steht zurück oder sterbt mit dem Verräter.”

Lord Kamm trat vor und Kailan folgte ihm, seine Hand ruhte auf dem Schwertknauf.

“Was hat das zu bedeuten, Leutnant? Ich habe dem König stets loyal gedient. Dieser Aufmarsch ist unnötig. Man hätte mich einfach darum bitten können in die Burg zu kommen und ich wäre dem Befehl meines Königs ohne mit der Wimper zu zucken gefolgt. Das hier ist eine Beleidigung.”

Lord Fremm rollte den Haftbrief wieder ein und gab seinen Männern ein Zeichen. Sie umstellten Kamm und Kailan warf seinem Lord einen kurzen Blick zu.

“Bleibt zurück Manner”, befahl Kailan.

“Ich bin mir sicher, wir können diesen Irrtum leicht aus der Welt schaffen. Habe ich nicht recht Lord? Leutnant. Hier und Heute muss deswegen kein Blut vergossen werden.”

“Das liegt ganz an eurem Lord”, gab Fremm zurück und die Gardisten des Königs nahmen Lord Kamm in ihre Mitte.

“Steht zurück und vielleicht entgeht ihr dem Urteil, dass eurem Lord bevorsteht.”

Lord Kamm nahm den Waffengürtel ab und reichte ihn Kailan.

“Nun gut, Lord Fremm. Ich werde mit euch kommen, aber meinen Männern wird nichts geschehen.”

Lord Fremm nickte, dann führten sie den Lord ab. Kailan sah ihnen hinterher und knirschte mit den Zähne. Es gab Pläne, was geschehen würde, falls ihr Lord je fiel, ob nun als Verräter oder im Kampf, doch noch war es nicht soweit und er musste dafür sorgen, dass die Männer und erst recht Pollen, keine Dummheiten begangen, solange ihr Lord in Gefangenschaft war.

“Zurück an die Arbeit ihr faulen Hunde,” bellte er und die Männer steckten zwar ihre Waffen weg, doch keiner folgte seinem Befehl.

“Für einen König, der unseren Lord beleidigt? Niemals”, rief  Pollen und Kailan warf ihm einen bösen Blick zu.

“Denkt ja nicht, ich würde diese Verhaftung einfach hinnehmen. Aber solange wir auf Ärenfels sind, werden wir uns an die Gesetze des Königs halten. Habt ihr verstanden, ihr hirnlosen Ochsen? Ihr wollt nicht für ihn arbeiten? Dann tut es für euren Lord. Ob er nun schuldig gesprochen wird oder nicht, wir kehren mit den Männern des Königs nach Riedhalm zurück. Also steht hier nicht so herum, sondern fangt an zu packen.”

Jetzt kam endlich Bewegung in die Männer und Kailan rieb sich die Hand, die er im Griff ums Schwert zu sehr angespannt hatte.

“Sellen, Taub, Pollen! Zu mir.”

Damit wandte er sich um und trat zurück ins Zelt des Lords. Er legte Kamms Schwert auf dem Stuhl ab, auf dem er gerade noch gesessen hatte, dann wartete er, dass die Männer, die er gerufen hatte, hinter ihm eintraten.

“Das ist doch ein riesen Haufen Scheiße”, beschwerte sich Pollen lautstark.

“Mein Vater ist der treuste Lord der Hügelländer. Und diese Hure von einem König lässt ihn Scheiße fressen.”

“Es ist wegen dem Mädchen oder Kailan”, fragte Sellen und Kailan nickte. Er würde den Männern nichts vormachen.

“Also ist sie tatsächlich eine Spionin?”, fragte Taub, einer der älteren Krieger, der Lord Kamm diente, seit dieser ein kleiner Hänfling gewesen war.

“Ich glaube kaum”, gab Kailan zu. “Aber es besteht kein Zweifel, dass der König das denkt.

Ich will nicht, dass die übrigen Männer das erfahren, verstanden?”

Dabei warf er Pollen einen besonders strengen Blick zu.

“Wieso? Sie haben es verdient zu wissen warum …”

“Pollen! Ich sage das kein zweites Mal. Sie werden nichts davon erfahren, habt ihr mich verstanden! Sonst knüpfe ich euch eigenhändig auf. Und glaubt mir, ich würde keine Sekunde zögern, nur weil ihr der Bastard unseres Lords seid.”

Pollen stieß ein verächtliches Grunzen aus, sagte jedoch nichts mehr.

“Sehr gut. Dann hört mir jetzt ganz genau zu. Wir haben nur eine Chance, die Unschuld unseres Lords zu beweisen und ich fresse mein eigenes Schwert, wenn es uns nicht gelingen sollte.”

Pollen konnte froh sein, dass man mit Bastarden in den Hügelländern einigermaßen glimpflich verfuhr. Die Könige des Nordens hatten früher jeden ihrer unehelichen Söhne ermordet, wenn man den Geschichten glauben schenkte. Zu einer Zeit, in der der Kaiser seine Macht noch nicht so stark gefestigt hatte, dass er lediglich mit dem kleinen Finger winken musste, um ein Königreich untergehen zu lassen. Damals war die Thronfolge noch wichtiger Bestandteil seiner Macht gewesen. Ein Königreich, in dem sich Bastarde laufend um die Erbfolge stritten, fiel schnell ins Chaos. Der König hatte viele seiner Bastarde zu Lords ernannt und sie somit von seiner Thronfolge ausgeschlossen. Und der Bastard eines Lords hatte gar keinen Anspruch, da der König seine Lords benannte, ohne auf die Erbfolge großen Wert zu legen. Das war vermutlich auch der Grund dafür, dass Pollen so nervös war. Er fürchtete, seine Stellung in Riedhalm zu verlieren. 

Dann erklärte Kailan den Männern seinen Plan und als er fertig war, schwieg selbst Pollen.

“Das klingt weniger nach einem Plan als vielmehr nach Selbstmord, Kailan.”

Sellen war tatsächlich der Erste, der seine Stimme wiederfand.

“Aber ich bin dabei”, sagte er dann und lächelte. Dieser verliebte Tor, dachte Kailan.

“Wenn der Kaiser wirklich auf Ärenfels sein sollte, dann kann es gut sein, dass er sich in der Burg versteckt”, gab Taub zu. "Die Burg ist älter als das Reich selbst. Ich habe gehört, in alter Zeit sollen Tunnel in den Berg geschlagen worden sein. Der Kaiser ist alt genug, um bei ihrer Erbauung dabei gewesen zu sein.”

Kailan nickte.

“Das habe ich auch gehört. Wenn es Pläne gibt, die etwas über diese Tunnel verraten, sind sie in der Burg.”

"Und wie zum Schwanz eines Ochsen sollen wir da reinkommen?", fragte Pollen.

“Auf demselben Weg wie der Kaiser selbst, mit Gold.”

Pollen schnaubte verächtlich. 

“Er war ein Greis, den niemand verdächtigt hat. Wir sind bewaffnet und überaus verdächtig.”

“Deshalb werde ich alleine gehen. Ich suche die Pläne und hoffentlich finden wir einen Eingang, der außerhalb der Burg liegt.”

“Hätte der Kaiser nicht diesen Weg nehmen können, statt mit Gold zu bezahlen? Immerhin hat er damit riskiert, gefunden zu werden.” 

Kailan nickte bedächtig mit dem Kopf.

“Die Möglichkeit besteht, dass alle Ausgänge die außerhalb der Burg liegen versiegelt wurden, oder dass sie schlicht nicht existieren. Ich halte es allerdings für möglich, dass der Kaiser aus einem ganz anderen Grund sein Gold in Umlauf bringt.”

“Was soll das heißen?”, schnaubte Pollen.

“Er will gefunden werden”, erklärte Taub und Kailan nickte.

“Warum sollte er? Die Tunnel sind das perfekte Versteck, er bekommt mit, was in der Burg passiert und sie bieten ihm etliche Möglichkeiten sich zu verstecken”, gab Sellen zu bedenken.

“Es gibt etwas, das mir keine Ruhe lässt, seit ich diese Theorie verfolge. Wenn der König wirklich nach dem Kaiser sucht, warum hat er dann nicht bereits jemanden in die Tunnel geschickt? Er muss von ihnen wissen, die Burg ist schließlich seit Generationen im Besitz seiner Familie.”

Sellen zog die Stirn kraus, Pollen verzog wütend die Stirn, nur Taub schien seinem Gedankengang folgen zu können.

“Es muss einen Grund geben, warum er die Möglichkeit von Beginn an ausgeschlossen hat.”

Pollen stöhnte entnervt und griff nach dem Schwert seines Vaters.

“Ich schwöre Kailan, wenn du nicht bald zur Sache kommst, werd ich noch eine Dummheit machen.”

“Das wäre ja ganz was Neues", scherzte Sellen.

“Klappe Junge. Ihr habt keine Ahnung, was es heißt, ein Bastard zu sein. Wenn sie meinen Vater tatsächlich hinrichten, werden sie mich gleich mit entsorgen.”

Dabei deutete er mit dem Schwert auf den Jungen. Sellens Vater war wie Kamm einer der Lords der Hügelländer, der den Herren von Riedhalm noch einen Gefallen schuldete, als Anzahlung hatte Sellens Vater ihm seinen Sohn als Knappen überlassen. Kailan widerstand dem Drang Pollen für seine Dreistigkeit eine Ohrfeige zu verpassen und seufzte dann.

“Wenn der König von Beginn an ausgeschlossen hat, dass der Kaiser sich in den Tunneln versteckt, sind sie vielleicht ganz verschüttet, vielleicht gibt es auch Fallen oder Zauber, die den Zugang versperren. Vielleicht musste der Kaiser sich dorthin zurückziehen, um den Häschern des Königs zu eingehen. Wenn ich mit dieser Vermutung richtig liege, sitzt er dort unten fest. Vielleicht ist er so verzweifelt, dass er sein Gold in der Burg verteilt, damit man ihn dort unten heraus holt. Es könnte gut sein, dass er keinen anderen Ausweg mehr sieht, als sich dem König zu stellen. Er hat Nutzen für Lord Eolin, er ist in diesem Krieg von entscheidender Bedeutung, also wird man ihn am Leben lassen.”

“Das waren aber einige “Vielleichts”. Es passt zwar alles halbwegs zusammen, aber ist trotzdem noch sehr weit hergeholt”, gab Taub zu bedenken und Kailan nickte.

“Aber es ist meine einzige Theorie und vielleicht die einzige Chance, unseren Lord zu retten.”


~


Drei Küchlein später, hatte Krümel es sich mit vollem Bauch in ihrem Schoß gemütlich gemacht und Eola saß dort und betrachtete das Gold des Kaisers. Hatte Ihr Glück hier etwas seine Finger im Spiel? Es wäre nicht das erste Mal, dass ihr die Lösung für ein Problem in die Hände fiel, ohne dass sie irgendetwas dafür tun musste. Die Männer des Königs hatten den Kaiser immer noch nicht gefunden und das hieß, er war entweder geflohen und längst über alle Berge oder aber er versteckte sich so gut, dass die Männer des Königs ihn nicht fanden. Er hatte gesagt, er blieb in Eolas Nähe, um sie im Auge zu behalten. Sie wäre die größte Bedrohung für sein Reich. Wenn er das wirklich glaubte, war er nicht geflohen und es wäre großes Glück, wenn er sich tatsächlich ganz in der Nähe aufhielt. Und ihr Glück verließ sie nie. Vielleicht führte sie dieses Tierchen direkt zu ihm. Sie kraulte dem Kleinen hinter dem Ohr und er ließ ein leises Schnurren vernehmen. Doch solange Krümel schlief, würde er sie nirgendwo hinführen. Außerdem wollte sie noch herausfinden, was für eine Art Tier Krümel überhaupt war. Also verfrachtete sie den Kleinen behutsam zurück in sein Nest und stieg die Treppe hinunter. Zurück im Bücherzimmer, lief Eola zum Bücherregal und suchte nach Enzyklopädien über heimische Tierarten. Sie fand eine bereits ergraute Ausgabe eines Tierführers. Es enthielt kleine Zeichnungen von Tieren und dazugehörige Beschreibungen und doch dauerte es einige Zeit, bis sie die richtige Seite gefunden hatte.

“Dämmerfuchs, der”, las sie.

“Der Dämmerfuchs oder auch Goldwiesel genannt ist eine Tierart der Hügelländer. Sie verfügen über ein äußerst gutes Gehör und ihre Vorderpfoten können beinahe so gut zugreifen wie die eines Menschen. Der Dämmerfuchs ist damit in der Lage zu klettern, obwohl er sich auch gerne in Bodennähe aufhält. Sie lieben Höhlen, bauen aber auch Nester in luftiger Höhe. Warum sie das tun, ist den Gelehrten weiterhin ein Rätsel, ziehen sie ihre Jungen doch in Tunneln unter dem Boden auf. Sie sind äußerst neugierig und manch einer sagt ihnen eine überdurchschnittliche Intelligenz nach. Sie sind vor allem bei Goldsuchern sehr beliebt, da sie ein Auge, und manche behaupten auch ein Näschen, für Gold haben.”

Eola musste lächeln. Ihr Glück hatte sich wieder einmal selbst übertroffen. Sie würde Krümel behalten, beschloss sie.

“Diese Fähigkeiten haben  jedoch ebenfalls dafür gesorgt, dass sie sehr selten geworden sind”, las sie weiter.

“Ihre Affinität für Gold macht sie zu beliebter Ware bei Händlern, hat jedoch auch dafür gesorgt, dass sie in freier Wildbahn kaum noch vorkommen. Auch als exotische Haustiere von Adligen sind sie sehr beliebt, sagt man ihnen doch nach, dass sie Glück bringen.”

Der abgebildete Dämmerfuchs sah Krümel sehr ähnlich, obwohl die Streifen auf dem Fell dünner waren und die Ohren etwas kleiner. Eola schob das Buch zurück ins Regal und beschloss erst einmal etwas zu essen, bevor sie Krümel befragte, woher er das Gold hatte. Hoffentlich verstand er sie überhaupt. Als sie auf dem Weg zur Küche an einer der Türen vorbeikam, hinter der sie noch nicht nachgeschaut hatte, vernahm sie Stimmen. Neugierig geworden, blieb sie stehen und horchte am Holz. 

“Dann ist diese unsägliche Jagd endlich zu Ende?”, fragte Lord Hagen. Dann erklang die Stimme der Königinmutter.

“Mein Sohn ist außer sich. Er hat den Lord verhaften lassen, was dafür spricht, dass es auch der Zauberin und dem Mädchen bald an den Kragen geht. Dieser Brief ändert einiges und der König hat der Geschichte von Anfang an nicht vertraut.”

Eola stockte der Atem. Es war ihr Glück, das dafür gesorgt hatte, dass sie ausgerechnet jetzt hier vorbeikam, kein Zweifel, aber was bezweckte es damit, sie erneut in Schwierigkeiten zu bringen?

“Ihr wirkt nicht überzeugt Lady?”, fragte Lord Hagen.

Kurz blieb es still, dann antwortete die Königinmutter.

“Es ergibt keinen Sinn, warum sollte der Kaiser ausgerechnet jetzt so etwas tun.”

“Ihr glaubt, es sind Lügen, um die Magier in Schach zu halten?”

“Und um zu verhindern das sie zu uns überlaufen”

“Dann müsst ihr den König überzeugen, nicht noch mehr Zeit verstreichen zu lassen. Wenn sie zu solch einer List neigen, haben sie Angst, wir könnten tatsächlich gewinnen.”

“Das denke ich auch. Aber mein Sohn ist noch jung. Er lässt sich zu sehr von seinen Gefühlen leiten. Wenn er Bajka und diesem Mädchen nicht vertraut, kann ich wenig daran ändern.”

Eola hatte genug gehört. Sie musste Bajka warnen. Der Zauberin würde mit Sicherheit etwas einfallen. Ihr Glück war nicht dazu in der Lage, Dinge ungeschehen zu machen. Yahres Tod und die Vorkommnisse auf Madiskat hatten sie das gelehrt. Es war außerdem nicht dazu in der Lage, das Unmögliche möglich zu machen. Vielleicht war dies ihre einzige Chance, etwas gegen diesen Brief zu unternehmen. Sie lief den Gang in Richtung Bajkas Arbeitszimmer hinab und blieb in der offenen Tür stehen. Die Zauberin war nicht hier, ihr Zimmer beinahe leergeräumt. War sie bereits zu spät?

Nein, die Königinmutter hatte gesagt, es würde ihnen erst noch an den Kragen gehen, nicht dass Bajka bereits verhaftet worden war. 

“Wo ist sie?”, zischte sie einem vorbeikommenden Diener zu.

“Im Erdgeschoss, sie wollte mit dem König sprechen, aber er ist immer noch bei den Spähern.”

“Die Späher des Lord Geiz? Seit wann sind sie wieder da?”

“Seit einigen Stunden, Herrin.”

Sie nickte, der Diener machte eine kurze Verbeugung und ging dann weiter. Eola lief die Treppe hinab ins Erdgeschoss und erblickte Bajka im Gespräch mit einer der Wachen.

“Ich muss mit ihm sprechen. Warum wurde ich nicht informiert, dass die Späher zurück sind?”

Die Wache zuckte mit den Schultern.

“Ich weiß es nicht, Herrin. Der König hat befohlen, niemanden einzulassen.”

“Ich bin nicht irgendjemand Junge. Lasst mich sofort vorbei oder ich verwandel euch in eine Ziege und setze euch den Lords zum Abendessen vor.”

Der Junge schluckte, dann erblickte die Zauberin Eola und runzelte die Stirn.

“Es tut mir leid, Herrin. Ich kann nicht, bitte verwandelt mich nicht in eine Ziege.”

“Das wird noch Folgen haben.”, zischte sie, dann rauschte sie mit erhobenem Kinn den Gang hinunter und packte Eola im Vorbeigehen am Arm.

“Aua, nicht so doll”, beschwerte sie sich. Die Zauberin zerrte sie die Treppe hinauf und in ihr Arbeitszimmer. Dann warf sie die Tür hinter ihr ins Schloss, legte die Hand auf das Holz und murmelte etwas. Runen leuchteten auf und brannten sich ins Holz.

"Irgendetwas stimmt nicht”, murmelte sie und Eola nickte.

“Ich weiß. Deshalb habe ich euch gesucht. Die Späher … “

“Still, Kind”, zischte Bajka. “Ich muss nachdenken.”

“Es sind die Späher, sie haben irgendeinen Brief abgefangen.”

Jetzt horchte die Zauberin doch auf.

“Der König denkt, wir haben gelogen. Ich glaube, sie haben Lord Kamm verhaftet. Die Königinmutter hält es allerdings für eine List der Oligarchen. Bajka fuhr sich nervös mit den Fingern durchs Haar.

“Das ist nicht gut. Wir haben nicht viel Zeit.”

Bajka ging zum Schreibtisch hinüber und zog einen Bogen Briefpapier aus der Schublade.

“Was habt ihr vor.”

“Ich muss wissen, was in diesem Brief steht.”

Die Zauberin entkorkte das Tintenfass und nahm die Feder zur Hand. Dann schnürte sie einen der Beutel vom Gürtel und reichte ihn Eola. 

“Bringt mir das Schälchen von der Anrichte und das Zündholz. Dann will ich, dass ihr das Kraut darin verbrennt.”

Eola nickte und schüttelte einige der Blätter auf die Handfläche, die im Beutel waren. Sie roch daran. Sofort zog ihr der Duft in die Stirn und sie geriet ins Schwanken.

“Seit vorsichtig Kind, diese Kräuter sind sehr potent.”

Eola ging zur Anrichte, nahm die Schale und kehrte damit zum Schreibtisch zurück.

“Was ist das?”, fragte sie, als das Kraut im Schälchen langsam zu schwelen begann.

“Weißfarn. Es öffnet den Geist für gewisse Strömungen, wenn man denn weiß wie wonach man suchen muss.

“Bringt ihr es mir bei?”

“Vielleicht, irgendwann. Jetzt seid still. Ich muss mich konzentrieren.”

Eola widerstand dem Drang, weiter Fragen zu stellen und setzte sich der Zauberin gegenüber.

Der scharfe Geruch der Kräuter erfüllte den Raum und benebelte sie. Die Augen der Zauberin schlossen sich erst, dann flattern ihre Lieder und als sie ihre Augen wieder öffneten, war da nur noch weiß, statt dunkelblaue Pupillen. Die Stirn der Zauberin bildete Falten, dann begannen sich ihre Lippen stumm zu bewegen. Langsam erst kratzte die Feder übers Papier, dann immer schneller und schließlich flog die Hand der Zauberin übers Papier. Ihre Bewegungen waren so schnell, das Eola Angst hatte, sie könnte das Tintenfass umstoßen. Doch ohne auch nur einen Tropfen zu vergießen tauchte Bajka die Feder immer wieder ein, sobald die Schrift zu blass wurde. Eola fragte sich, woher sie das wusste, ohne offenbar etwas sehen zu können. Dann setzte sie die Feder ein letztes Mal an, doch ihre Hand schwebte nur eine Sekunde über dem Papier, das jetzt mit einer filigranen Handschrift bedeckt war.

Bajka blinzelte, dann schloss sie die Augen und als sie Eola das nächste Mal ansah, blickten ihr wieder feucht-blaue Pupillen entgegen. Schweißperlen standen der Zauberin auf der Stirn und ihr Gesicht schien ein wenig blasser als zuvor. Dann sank sie erschöpft im Stuhl, lächelte jedoch. Sie deutete mit zitternder Hand auf den Brief.

“Mögt ihr vorlesen? Ich brauche eine Minute, um mich zu erholen.”

Die Kräuter im Schälchen waren zu Asche verglüht und Eola schob sie beiseite. Dann griff sie nach dem Papier und begann zu lesen.


“An den Oligarchen in Talstadt, eure Heiligkeit den Zikan.

Der Inhalt dieser Nachricht sei streng vertraulich.

Die List unseres Kaiser ist wahrlich unübertroffen. Ich wende mich im guten Glauben an euch, dass die Magier der Akademie euer Wort im Vertrauen vernehmen. Es mehren sich die Gerüchte, unser Kaiser sei gefallen. Sei doch das Schwinden seiner Nebels ein Zeichen für seine Feinde sich zu erheben. Doch sei euch versichert, seine Macht war nie stärker. 

Er verweilt in der Hauptstadt und wird seine Nebel erheben, wenn die Zeit reift.

In seiner unendlichen Weisheit ersann er den Plan, seine Feinde herauszufordern. 

Sie sollen nur kommen, sich in Siegeskraft suhlen. Sie trügt. 

Lobpreiset seine Weitsicht und allwissende Macht.

"Hochachtungsvoll, Nebellord Iorg.”


Als sie geendet hatte, schwieg die Zauberin und Eola traute sich nicht etwas zu sagen.

“Interessant”, war alles, was Bajka schließlich sagte und Eola ließ den Brief sinken.

“Das sind dreiste Lügen”, beschwerte Eola sich und die Zauberin nickte.

“Nebellord Iorg ist jedoch niemand, den wir unterschätzen dürfen. Wenn er in der Hauptstadt ist, wird es beinahe unmöglich, sie ohne Belagerung zu nehmen. Er wird keinen Schritt weichen und wenn er dafür die gesamte Bevölkerung der Stadt opfern muss.”

Eola stieß leicht Luft durch die Nase aus.

“Aber warum glaubt der König diesen Worten?”

Bajka entfachte ein Zündholz und hielt das Stück Papier an die Flamme, dann ließ sie es in die Schale fallen und sah dabei zu, wie es verbrannte.

“Er ist noch jung und die Angst, in eine Falle zu laufen, hält sein Herz im Griff. Ich habe so etwas befürchtet. Es ist jetzt wichtiger denn je, dass wir den Kaiser endlich finden. Es wird ihm die Zuversicht geben, die er braucht.”

“Warum lügt der Lord in diesem Brief?”, fragte Eola dann und deutete auf die Asche im Schälchen.

“Er will die Magier der Akademie in Sicherheit wiegen. Das macht es schwerer für mich, sie auf unsere Seite zu ziehen, aber nicht unmöglich.”

Dann stand die Zauberin auf und war wieder ganz die Alte. Alle Erschöpfung, in die sie der Zauber versetzt zu haben schien, war wie weggeblasen.

“Wie habt ihr es gemacht? Das mit dem Brief?”

“Bei Zeiten, Kind. Ich muss mit der Königinmutter sprechen. Sie ist die Stimme der Vernunft in diesen Mauern. Der König wird auf sie hören. Ihr bleibt zur Sicherheit hier. Ich werde das Siegel an der Tür von außen wieder aktivieren. Solange ich am Leben bleibe, wird es dafür sorgen, dass sie nicht geöffnet werden kann. Zumindest nicht ohne einen gewissen Kraftaufwand.”

Kurz runzelte sich die Stirn der Zauberin, doch dann war die Unsicherheit wieder von ihren Zügen verschwunden. Eola stöhnte.

“Muss das sein? Ich werde mich hier zu Tode langweilen.”

Bajka warf ihr einen strengen Blick zu.

“In meinem Schlafzimmer liegen noch ein paar Bücher, nichts dem ich einen besonderen Wert zumesse, aber es sollte euch die Zeit vertreiben. Wenn alles gut geht, brauche ich nicht lang.”

Damit wandte sie sich  um und verließ das Arbeitszimmer. Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss und die Runen auf der Tür glühten kurz auf, bevor sie wieder erloschen.





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